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Dosisabhängige Zunahme schwerwiegender Infektionen bei Rheumapatienten und Therapie mit Biologika

Die Dauerbehandlung der Rheumatoiden Arthritis (RA) mit Biologika steht im Verdacht, verglichen mit anderen Basistherapeutika (DMARD = Disease-Modifying Anti-Rheumatic Drugs, z.B. Methotrexat) vermehrt Infektionen auszulösen. Wir haben 2009 über eine retrospektive nordamerikanische Datenbank-Analyse berichtet, bei der die klinischen Daten von über 17.000 Patienten, die mit einem TNF-alpha-Antagonisten behandelt wurden, hinsichtlich bedrohlicher Infektionen untersucht wurden (1). Das überraschende Ergebnis war, dass diese Biologika, verglichen mit DMARD, das Risiko für Infektionen anscheinend nicht generell erhöhen. Nur unter dem TNF-alpha-Antikörper Infliximab wurden damals vermehrt schwere Infektionen beobachtet. Die Studie hatte jedoch einige methodische Mängel, was uns seinerzeit veranlasste, dem für die Biologika günstigen Ergebnis zu misstrauen (vgl. 2).

Mittlerweile sind für die Behandlung der RA neun verschiedene Biologika zugelassen (vgl. Tab. 1), und die Datenlage hat sich wesentlich verbessert. Kürzlich wurde ein systematisches Review mit Metaanalyse zu dem Thema veröffentlicht (3), dessen Ergebnisse unsere damalige Skepsis bekräftigt. Insgesamt wurden 106 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) aus den Jahren 1992-2014 (> 42.000 Patienten) ausgewertet, in denen die Therapie mit einem Biologikum entweder mit einem klassischen DMARD oder einem anderen Biologikum verglichen wurde und in denen Angaben zu Infektionen vorlagen. Die Populationen wurden (vordefiniert) noch in drei Subgruppen unterteilt: Patienten ohne (23%) und mit (67%) DMARD-Vorbehandlung sowie Patienten mit Biologika-Vorbehandlung (10%). Die nicht mit DMARD vorbehandelten Patienten hatten den kürzesten Krankheitsverlauf (0,7 Jahre), erhielten also überwiegend primär ein Biologikum. Die mit DMARD vorbehandelten Patienten hatten eine durchschnittlich 8,5 Jahre lange Krankheitsdauer; bei den mit Biologika vorbehandelten betrug sie 10,8 Jahre.

Ergebnisse: Von 1.000 Patienten mit RA erleiden 20/Jahr bei Behandlung mit einem DMARD eine schwerwiegende Infektion (2%). Die Art der Infektionen wird in dieser Metaanalyse nicht spezifiziert. Es handelte sich aber in den ausgewerteten Publikationen um Infektionen, die eine antibiotische Behandlung oder Behandlung im Krankenhaus erforderten oder zum Tode führten. Bei Behandlung mit einem Biologikum in Standarddosis erhöht sich das Risiko um ca. 30% (26 von 1.000/Jahr; Odds ratio = OR: 1,31; sog. 95%-Credible interval = CrI: 1,09-1,58) und bei hoher Dosierung um 90% (37 von 1.000/Jahr; OR: 1,90; CrI: 1,50-2,39). Bei einer Kombinationsbehandlung (DMARD plus Biologikum oder mehrere Biologika) vervierfacht sich das Infektionsrisiko (75 von 1.000/Jahr; OR: 4,14; CrI: 1,87-9,05). Dagegen besteht bei niedrig dosiertem Biologikum im Vergleich mit den klassischen DMARD kein erhöhtes Infektionsrisiko (OR: 0,93; CrI: 0,65-1,33). Ein Vergleich zwischen den verschiedenen Biologika untereinander wurde nicht durchgeführt, ist aber sicherlich für zukünftige Analysen bzw. Studien interessant. Wie ein Patient mit RA vorbehandelt wurde, scheint auch einen gewissen Einfluss auf das Infektionsrisiko zu haben. Die OR für eine schwerwiegende Infektion unter niedrig, normal und hoch dosiertem Biologikum beträgt bei den nicht mit DMARD vorbehandelten Patienten 0,93, 1,08 bzw. 1,73 und bei den mit DMARD vorbehandelten 0,93, 1,48 bzw. 2,07.

Die Autoren ziehen den Schluss, dass diese Ergebnisse die Risiken von Biologika erstmals in konkrete Zahlen fassen und für Ärzte eine bessere Basis bilden für die Aufklärung über potenzielle Nebenwirkungen.

Fazit: Verglichen mit einem klassischen DMARD (z.B. Methotrexat) erhöht die Basistherapie bei Rheumatoider Arthritis mit einem Biologikum dosisabhängig das Risiko für schwerwiegende Infektionen. Dies ist bei der gemeinsamen Therapieentscheidung zu berücksichtigen, und die Patienten sind hierüber entsprechend aufzuklären.

Literatur

  1. AMB 2012, 46, 21. Link zur Quelle
  2. AMB 2012, 46, 41. Link zur Quelle
  3. Singh,J.A., et al.: Lancet 2015, 386, 258. Link zur Quelle
  4. Langer, H.E.:Rheuma Online. Link zur Quelle (Zugriff am 4.9.2015)

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