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Langzeitantibiose bei Lyme-Borreliose nutzlos und potenziell gefährlich

Patienten mit Lyme-Borreliose, die in Europa durch den Borrelia burgdorferi-Komplex (beinhaltet auch B. afzelii und B. garinii) verursacht werden, klagen trotz korrekter Behandlung nicht selten über persistierende Symptome (1). Häufig sind diese unspezifisch: Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Leistungsminderung und kognitive Störungen. Dieses Krankheitsbild wird als Post-Lyme-Syndrom bezeichnet (2-4). Frühere, meist US-amerikanische Studien haben nicht zeigen können, dass eine verlängerte antibiotische Therapie irgendeinen positiven Einfluss auf dieses Syndrom hat (5-7). Wir haben darüber mehrfach berichtet (vgl. 8, 9). Trotzdem ist die Diskussion über die Langzeitantibiose bei der Lyme-Borreliose nie abgerissen, und viele Vermutungen zum Wirkungsmechanismus wurden aufgestellt, z.B. Elimination persistierender Bakterienformen. Ganze Zweige nicht-wissenschaftlich orientierter Medizin haben sich – sowohl hinsichtlich der Diagnostik wie auch der Therapie – in Deutschland und anderswo etabliert. Bei der Internet-Eingabe „Chronische Lyme-Borreliose“ wird man von Links geradezu erschlagen. Auch werden unter der vermeintlichen Diagnose Lyme-Borreliose teilweise lebensbedrohliche andere Erkrankungen verschleiert, wie auch durch unnütze antibiotische Langzeittherapie wahrscheinlich schwerwiegende Nebenwirkungen erzeugt. Deshalb ist es sehr wichtig, dass sich eine niederländische Gruppe bemüht hat, in einer weiteren randomisierten Studie wichtige Fragen zur Dauer der antibiotischen Therapie zu klären (10).

In diese doppelblinde, randomisierte, plazebokontrollierte Studie wurden Patienten aus Europa mit persistierenden Beschwerden nach einer Lyme-Borreliose eingeschlossen. Die Diagnose musste durch den Nachweis von IgG- oder IgM-Antikörpern gegen B. burgdorferi im Westernblot bestätigt sein. Die Patienten wurden von Oktober 2010 bis Juni 2013 rekrutiert. Von 281 randomisierten Patienten wurden 280 in eine modifizierte „Intention to treat Analyse“ aufgenommen. Alle Patienten erhielten, auch wenn sie antibiotisch vorbehandelt waren, was auf die meistern zutraf, für zwei Wochen 2 g/d Ceftriaxon i.v. Danach wurden sie in drei Gruppen randomisiert: eine Gruppe erhielt für 12 Wochen Doxycyclin (Doxy-Gruppe; n = 86), eine andere Gruppe Clarithromycin plus Hydroxychloroquin (Clari+Hydro-Gruppe; n = 96) und die dritte Plazebo (Plazebo-Gruppe; n = 98). Die Beschwerden der Patienten wurden standardisiert mit einem Score zur Beurteilung der Lebensqualität erfasst (RAND SF-36; vgl. 11). Der Score reicht von 15 bis 61. Höhere Werte entsprechen besserer Lebensqualität. Der Score wurde am Anfang, während und am Ende der Studie (nach 14 Wochen) erfasst. Der primäre Endpunkt der Studie war der Score am Ende der Studie nach 14 Wochen.

Der RAND SF-36-Score war am Ende der Studie in den drei Gruppen nicht unterschiedlich. Der Median des Scores war 35,6 (95%-Konfidenzintervall = CI: 33,5-36,5) in der Doxy-Gruppe, 35,6 (CI: 34,2-37,1) in der Clari+Hydro-Gruppe und 34,8 (CI: 33,4-36,2) in der Plazebo-Gruppe (p = 0,69). Der Score war auch zu den verschiedenen anderen Zeitpunkten während der Studie nicht unterschiedlich zwischen den drei Gruppen (p = 0,35). In allen drei Gruppen stieg der Score vom Anfang der Studie bis zum Ende signifikant an (p < 0,001). Die Therapie musste wegen schwerer Nebenwirkungen bei 19 Patienten abgebrochen werden, davon waren die meisten in der Clari+Hydro-Gruppe (n = 7; aber nicht signifikant unterschiedlich im Vergleich zu den anderen Gruppen). Die meisten Nebenwirkungen (überwiegend Durchfall) traten während der initialen Behandlungsphase mit Ceftriaxon auf. Zu phototoxischen Reaktionen kam es bei 16 Patienten in der Doxy-Gruppe.

Fazit: Bei Lyme-Borreliose verbessert eine verlängerte antibiotische Therapie – 12 Wochen länger als der derzeitige Standard von zwei Wochen – nicht die Post-Lyme-Symptome, sondern vergrößert nur die Gefahr von Nebenwirkungen.

Literatur

  1. van den Wijngaard,C.C., et al.: Eur. J. PublicHealth 2015, 25, 1071. Link zur Quelle
  2. Cairns, V., und Godwin, J.: Int. J. Epidemiol.2005, 34, 1340. Link zur Quelle
  3. Shadick, N.A., et al.: Ann.Intern. Med. 1999, 131, 919. Link zur Quelle
  4. AMB 2005, 39,33. Link zur Quelle
  5. Krupp, L.B., et al. (STOP-LD = Studyand Treatment Of Post Lyme Disease):Neurology 2003, 60, 1923. Link zur Quelle
  6. Klempner, M.S., etal.: N. Engl. J. Med. 2001, 345, 85. Link zur Quelle
  7. Delong, A.K., et al.:Contemp. Clin. Trials 2012, 33, 1132. Link zur Quelle
  8. AMB 2007, 41,52b. Link zur Quelle
  9. AMB 2013, 47,08. Link zur Quelle
  10. Berende, A., et al.(PLEASE = Persistent Lyme Empiric Antibiotic Study Europe): N. Engl. J. Med. 2016, 374, 1209. Link zur Quelle
  11. Hays, R., und Morales, L.S.: Ann. Med. 2001, 33,350. Link zur Quelle