Beim Asthma bronchiale besteht eine chronische Entzündung der Atemwege mit Giemen, anfallsweiser Kurzatmigkeit/Luftnot, Engegefühl in der Brust und Husten. Die Symptome wechseln in ihrer Intensität und können sich anfallsartig verstärken. Die Ursachen und Verlaufsformen sind vielfältig und die Abgrenzung von allergischem und nicht-allergischem Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) ist nicht immer einfach. Für die Diagnose Asthma wird in den Leitlinien neben den klinischen Symptomen eine Einschränkung des exspiratorischen Atemflusses bei der Spirometrie gefordert (1, 2). Es gibt jedoch Hinweise aus Studien, dass Asthma bei Adipösen (wegen der bei ihnen oft bestehenden Kurzatmigkeit), aber auch Nicht-Adipösen zu häufig diagnostiziert wird (3).
Für die Akutphase des Asthmas wird in den Leitlinien neben Inhalationen mit einem Beta-Sympathikomimetikum die systemische Gabe (oral oder i.v.) eines Glukokortikosteroids empfohlen. Antibiotika werden oft routinemäßig eingesetzt, sind aber bei vielen Patienten entbehrlich (4). Nach Besserung sollte auf eine inhalative Erhaltungstherapie mit einem Glukokortikosteroid und einem Beta-Sympathikomimetikum übergegangen werden. Eine dauerhafte orale (systemische) Behandlung mit einem Glukokortikosteroid ist eher nachteilig, denn hierdurch können Atemwegsinfektionen begünstigt und die Symptome verstärkt werden. Die meisten Leitlinien empfehlen eine deeskalierende Therapie, wenn die Symptome über drei Monate gut unter Kontrolle sind (1-2). Die wichtige Frage, ob Asthma bei Erwachsenen spontan ausheilen kann, d.h. ob und wie eine einmal gestellte Diagnose korrigiert und möglicherweise eine Dauertherapie abgesetzt werden kann, ist unzureichend untersucht. Eine Klärung hätte aber persönliche Bedeutung für die Patienten, auch im Hinblick auf potenzielle Nebenwirkungen und Kosten der Therapie.
Dieser Frage wurde nun in Kanada prospektiv und praxisrelevant nachgegangen (5). Die Studie wurde in 10 Zentren im Umfeld der zehn größten Städte in Kanada von Januar 2012 bis Februar 2016 durchgeführt. Die Teilnehmer wurden durch Zufallstelefonbefragung rekrutiert (random digit dialing). Es wurden Erwachsene berücksichtigt, bei denen in den letzten 5 Jahren die Diagnose Asthma gestellt worden war. Ausgeschlossen wurden Patienten, die schon langfristig Glukokortikosteroide einnahmen oder nicht in der Lage waren, an Lungenfunktionstests teilzunehmen.
Von den behandelnden Ärzten wurden Informationen darüber eingeholt, wie die Diagnose gestellt worden war. Von 1.026 potenziellen Studienteilnehmern willigten 701 (68,3%) ein. Nach einem komplizierten Studienalgorithmus – mit insgesamt vier Visiten, jeweils mit umfangreichen spirometrischen Untersuchungen, u.a. mit Auswertung von eigenen Peak-flow-Messungen zu Hause und gestuften Veränderungen des forcierten exspiratorischen Volumens (FEV1) nach Provokation mit Methacholin – wurden die Diagnose und die Notwendigkeit einer Therapie überprüft. Wurde die Diagnose Asthma nach diesen Studienkriterien nicht bestätigt, wurde versucht, die bestehende Medikation abzusetzen. Diese Patienten wurden ein Jahr klinisch und spirometrisch nachverfolgt.
Der primäre Endpunkt war der Anteil von Patienten, bei denen die Diagnose Asthma mit Hilfe des verwendeten diagnostischen Algorithmus aktuell ausgeschlossen werden konnte. Bei diesen Patienten durften sich nach Absetzen der Therapie (79,3% hatten vor Eintritt in die Studie eine Dauermedikation) keine typischen Asthma-Symptome zeigen, die Lungenfunktionstests mussten sich normalisieren oder normal sein und ein Pneumologe der Studie musste zu einer anderen Diagnose kommen. Sekundäre Endpunkte waren das Auftreten von Asthmasymptomen nach 12 Monaten und der Anteil der Patienten, die bei der ursprünglichen Diagnosestellung die in Leitlinien empfohlenen Untersuchungen erhalten hatten.
Von den ursprünglich 701 Teilnehmern (medianes Alter 51 Jahre, 67% Frauen) beendeten 613 die Studie mit kompletter Auswertung. Bei 203 Teilnehmer(inne)n konnte eine bestehende Asthmasymptomatik mit dem verwendeten Algorithmus ausgeschlossen werden (33,1%; 95%-Konfidenzintervall = KI: 29,4-36,8%). Zwölf Teilnehmer (2%) hatten schwerwiegende kardiopulmonale Erkrankungen, die als Asthma fehlgedeutet worden waren. Nach 12 Monaten hatten 181 (29,5%; KI: 25,9%-33,1%) Teilnehmer weiterhin keinerlei respiratorische Auffälligkeiten. Bei den Teilnehmern, bei denen Asthma aktuell ausgeschlossen wurde, waren bei der ursprünglichen Diagnosestellung seltener die empfohlenen Lungenfunktionsanalysen durchgeführt worden (43,8% versus 55,6%; absolute Differenz: 11,8%; KI: 2,1-21,5%). Bei 11,8% der Patienten mit Asthmaausschluss waren die für die Diagnose geforderten Lungenfunktionstests ursprünglich positiv. Somit scheint es möglich, dass Asthma bei Erwachsenen tatsächlich spontan ausheilen kann. 22 von 203 Patienten, bei denen Asthma ausgeschlossen wurde, entwickelten im Verlauf eines Jahres doch wieder entsprechende Symptome. Das zeigt einerseits, dass manche Patienten auch längere Intervalle ohne Symptome haben können, in denen sie keine Therapie benötigen.
Fazit: Bei Erwachsenen sollte die einmal gestellte Diagnose Asthma später noch einmal sorgfältig überprüft werden. In dieser Studie ergaben sich Hinweise, dass die Erkrankung bei manchen Patienten ausheilen kann oder dass die ursprüngliche Diagnose nicht korrekt war. Daneben hatte ein Teil der Patienten längere symptomfreie Intervalle, in denen keine Therapie benötigt wurde. Bei ca. einem Drittel der Asthma-Patienten konnte die Diagnose nicht bestätigt und die Asthma-Therapie deshalb abgesetzt werden. Allerdings kam es bei ca. 10% innerhalb eines Jahres doch wieder zu Symptomen. Angesichts der diagnostischen Unsicherheiten, der unterschiedlichen klinischen Verläufe sowie der potenziellen Nebenwirkungen der Therapie ist eine fundierte Überprüfung der Diagnose Asthma bronchiale sinnvoll, bevor sie lebenslang bestehen bleibt.
Literatur
- Reddell, H.K., et al.: Eur. Respir. J. 2015, 46, 622. Link zur Quelle
- Lougheed, M.D., et al.: Can. Respir. J. 2012, 19, 127. Link zur Quelle
- Aaron, S.D., et al.: CMAJ 2008, 179, 1121. Link zur Quelle
- AMB 2017, 51, 02. Link zur Quelle
- Aaron, S.D., et al.: JAMA 2017, 317, 269. Link zur Quelle