Methadon ist ein vollsynthetisch hergestelltes Opioid, das zur Behandlung von Schmerzen und zur Substitution bei Opiat-/Opioidabhängigkeit eingesetzt wird (vgl. 1). Methadon kommt als links und rechts drehendes Enantiomer vor: Levo- und Dextromethadon. Levomethadon ist die hauptsächliche pharmakologisch wirksame Komponente. In Deutschland sind Methadon (Racemat) als Fertigarzneimittel (z.B. Methaddict®) zur Substitutionsbehandlung bei Opioidabhängigkeit sowie Levomethadon (L-Polamidon®) zur Substitutions- und Schmerzbehandlung in unterschiedlichen Zubereitungen und Stärken zugelassen. In verschiedenen Medien wurde berichtet, dass Methadon außerdem die Wirksamkeit einer Chemotherapie bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen verstärke. Von pharmazeutischen Unternehmern würden jedoch notwendige weitere Untersuchungen nicht finanziert, vermutlich weil sich mit Methadon kein Geld verdienen lasse (2). Patienten berichteten vor laufender Kamera, dass sie von ihren Ärzten aufgegeben wurden, aber vermutlich wegen der Methadon-Therapie noch leben. Seitdem werden Onkologen mit Anfragen von Ärzten und Patienten überhäuft.
Die Berichte basieren u.a. auf Untersuchungen der Arbeitsgruppe um die Chemikerin Dr. Claudia Friesen vom Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Ulm. Sie zeigte in vitro an Leukämie- und Gliom-Zelllinien, dass Methadon (als Racemat) in Tumorzellen Apoptose induziert und sie empfindlicher gegenüber den zytotoxischen Effekten von Doxorubicin macht (3-5). Außerdem zeigte sie in tierexperimentellen Untersuchungen, dass die Behandlung mit Methadon zu einer Verlangsamung des Wachstums von Glioblastomzellen führt, die unter die Haut von Nacktmäusen transplantiert wurden (3).
Zur Behandlung mit Methadon von Patienten fortgeschrittenen Tumorerkrankungen liegt nur eine retrospektive Studie aus der Klinik für Neurochirurgie der Charité Berlin vor, in der die Sicherheit einer die Chemotherapie begleitenden Behandlung mit Methadon bei 27 an Gliom erkrankten Patienten untersucht wurde (6). Die aus der Substitutionsbehandlung bei Opiat-/Opiodabhängigen und Schmerzbehandlung bekannten Nebenwirkungen wurden auch bei Tumorpatienten beschrieben, vor allem Übelkeit (n = 13) und Obstipation (n = 3), außerdem in Einzelfällen Angst, Müdigkeit, Schwitzen und Juckreiz. Daten zur Wirksamkeit der Therapie mit Methadon wurden nur bei 12 Patienten mit primärem Glioblastom ausgewertet. Beim progressionsfreien Überleben ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten, die Methadon anwendeten, und historischen Kontrollen. Das mediane Gesamtüberleben war noch nicht erreicht.
Bereits 2015 publizierte die Neuroonkologische Arbeitsgemeinschaft in der Deutschen Krebsgesellschaft zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Neurologie eine Stellungnahme zur Gliomtherapie mit Methadon, in der sie darauf hinwiesen, dass die Wirkung beim Menschen völlig unklar ist (7). In 2017 haben auch die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin und die Deutsche Schmerzgesellschaft kritische Stellungnahmen veröffentlicht, die Zweifel an der Wirksamkeit und Sicherheit dieser Therapie formulieren und vom Einsatz von Methadon zur Tumortherapie abraten (8-10). Im August 2017 erschien im Deutschen Ärzteblatt ein ausführlicher Artikel zu Methadon in der Onkologie, in dem auch die durchweg positiven Patientenbeispiele aus den bisherigen Medienberichten relativiert werden (11).
Um die Wirksamkeit und Sicherheit von Methadon als Wirkverstärker in der Therapie von fortgeschrittenen Tumorerkrankungen zu beurteilen, sind prospektive, randomisierte kontrollierte Studien notwendig. Eine klinische Phase-I/IIb-Studie für Patienten mit Kolontumoren ist in Planung (12). Die deutsche Krebshilfe gab im Juli 2017 außerdem bekannt, dass zurzeit ein Antrag für eine Phase-I/II-Therapiestudie bei Patienten mit Glioblastom begutachtet wird (13).
Fazit:Medienberichte über Methadon als Wirkverstärker einer Chemotherapie bei der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen haben zu hohen Erwartungen bei Tumorpatienten und ihren Angehörigen geführt. Belastbare Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Methadon in der antitumorösen Therapie gibt es bisher jedoch nicht. Wenn Patienten auf die Verordnung drängen, sollte die Entscheidung über die Off-label-Anwendung von Methadon im Einzelfall getroffen werden. Wichtig ist, dass eine Tumortherapie mit belegter Wirksamkeit nicht abgebrochen wird und bei der Verordnung von Methadon mögliche Wechselwirkungen, z.B. bei bereits bestehender Opioidtherapie, beachtet werden, ebenso wie mögliche Nebenwirkungen, darunter Atemdepression und QT-Zeit-Verlängerung (vgl. 1).
Literatur
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AMB 2011, 45, 65 Link zur Quelle . AMB 2006, 40, 86a Link zur Quelle . AMB 2005, 39, 08a. Link zur Quelle
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z.B. Cichy, C.: Plusminus-Sendung vom 12.4.2017. Link zur Quelle
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Friesen, C., et al.: Cell Cycle 2014, 13, 1560. Link zur Quelle
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Friesen, C., et al.: Oncotarget 2013, 4, 677. Link zur Quelle
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Friesen, C., et al.: Cancer Res. 2008, 68, 6059. Link zur Quelle
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Onken, J., et al.: Anticancer Research 2017, 37, 1227. Link zur Quelle
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https://www.dgn.org/ presse/pressemitteilungen/ 3040-gliomtherapie-mit-methadon-bisher- nur-experimentell-getestet-wirkung-beim-menschen -voellig-unklar Link zur Quelle
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Hofbauer, H., et al.: Schmerz 2017, 31, 2. Link zur Quelle
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https://www.dgpalliativmedizin.de/images/ 20170705_DGP_Stellungnahme_Methadon.pdf Link zur Quelle
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Hübner, J., et al.: Dtsch. Arztebl. 2017, 114, A-1530. Link zur Quelle
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Güthle, M., et al.: Z. Gastroenterol. 2015, 53-KG214. Link zur Quelle
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https://www.krebshilfe.de/fileadmin/ Downloads/PDFs/Stellungnahmen/ Stellungnahme_Methadon_07_2017.pdf Link zur Quelle