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Langzeiteffekte einer Eradikation von Helicobacter pylori und Supplementierung von Vitaminen und Knoblauch auf Inzidenz und Letalität am Magenkarzinom: Studienergebnisse aus China

Ungefähr die Hälfte aller Todesfälle durch Magenkarzinom, dem dritthäufigsten Krebs weltweit, wird in China registriert (1). In Linqu, einer ländlichen Region in der Shandong-Provinz im Nordosten Chinas, ist die Inzidenz des Magenkarzinoms besonders hoch. Dort starben zwischen 1980 und 1982 insgesamt 55 von 100.000 Männern und 19 von 100.000 Frauen an Magenkarzinomen (2). Wahrscheinlich spielt die spezielle Ernährung in dieser Region ursächlich eine Rolle, denn eine Art fermentierter saurer Pfannkuchen ist dort ein Grundnahrungsmittel. Menschen mit dieser Ernährung sind häufiger mit Helicobacter pylori (H.p.) besiedelt. Epidemiologische Studien aus verschiedenen Ländern zeigen eine Assoziation zwischen einer H.p.-Besiedelung und der Entstehung von Magenkrebs. Außerdem fanden epidemiologische Studien, dass eine Umstellung der Ernährung auf eine Diät mit viel Vitaminen und Knoblauch Menschen mit hohem Risiko für Magenkrebs und einer zuvor vitaminarmen Ernährung vor Magenkrebs schützen kann (3, 4).

Bisher gibt es aber keine prospektive Studie mit verschiedenen Vergleichsgruppen aus derselben Region, die eine Reduktion der Letalität am Magenkarzinom durch irgendeine Intervention nachgewiesen hätte. Im Jahr 1995 wurde in China die randomisierte, plazebokontrollierte Shandong-Interventionsstudie in der Region Linqu gestartet. Sie beinhaltete eine Behandlung gegen H.p. für 2 Wochen und eine Supplementierung der Nahrung mit Vitaminen und Knoblauch für 7 Jahre (5-7). Nach 15 Jahren (1995-2010) zeigte sich eine Abnahme der Inzidenz von Magenkrebs in der Gruppe mit H.p.-Eradikation, jedoch war der Rückgang der Letalität an Magenkrebs zu diesem Zeitpunkt nicht signifikant (7). Jetzt wurden die Gruppen nach > 22 Jahren erneut ausgewertet (8).

Methodik: Ein Jahr vor Beginn der Studie wurde eine Analyse der Bevölkerung in 13 zufällig ausgesuchten Dörfern dieses Bezirks durchgeführt. Am Ende waren 3.599 Menschen zwischen 35 und 39 Jahren bereit, an der Studie teilzunehmen. Alle wurden gastroskopiert, um Magenbiopsien zu gewinnen, und bei allen wurde Blut auf Antikörper gegen H.p. untersucht. Insgesamt 2.258 Teilnehmer waren H.p.-Antikörper-positiv; diese wurden in vier Gruppen randomisiert: Behandlung mit Amoxicillin plus Omeprazol für 2 Wochen und/oder Knoblauch-Supplementierung für 7,3 Jahre und/oder Vitamin-Supplementierung für 7,3 Jahre oder Plazebo in einem 2 x 2 x 2-Design. Insgesamt 1.107 H.p.-negative Teilnehmer wurden für Vitamin- und Knoblauch-Supplementierung randomisiert (2 x 2 Design).

Ab dem 15. September bis 29. November 1996 erhielten die H.p.-positiven Teilnehmer entweder eine Kapsel mit 1 g Amoxicillin plus 20 mg Omeprazol zweimal täglich für 14 Tage (n = 1.130) oder eine gleich aussehende Kapsel mit Plazebo (n = 1.128). Um die Verblindung aufrecht zu halten, erhielten auch die H.p.-negativen Teilnehmer zweimal täglich für 14 Tage eine Plazebo-Kapsel. Ein 13C-Harnstoff-Atemtest, der von Januar bis März 1996 bei allen behandelten Patienten durchgeführt wurde, ergab bei 382 Teilnehmern auch nach der Eradikationsbehandlung noch einen positiven Befund. Diese Teilnehmer wurden ein zweites Mal über 14 Tage behandelt. Um die Verblindung aufrecht zu halten, erhielt auch eine gleiche Zahl von Teilnehmern in der Plazebo-Gruppe zur gleichen Zeit erneut zusätzlich Plazebo.

Teilnehmer der Vitamin-Supplementierung erhielten zweimal eine Kapsel pro Tag mit je 250 mg Vitamin C plus 100 I.U. Vitamin E plus 37,5 μg Selen (n = 1.677) bzw. zweimal eine Plazebo-Kapsel pro Tag (n = 1.677) für 7,3 Jahre (30. November 1995 bis 31. März 2003). Die Knoblauch-Gruppe erhielt zweimal eine Kapsel mit 200 mg Knoblauchextrakt (n = 1.678) oder zweimal Plazebo (n = 1.687) für 7,3 Jahre; dieses Plazebo enthielt auch etwas Knoblauch, damit es am Geruch nicht vom Verum unterschieden werden konnte. Die Teilnehmer wurden hinsichtlich der Einhaltung der o.g. Diät überwacht und regelmäßig gastroskopiert (1999, 2003, 2007 und 2017), bei Entdeckung von Dysplasien alle 6-12 Monate. Die initiale Nachverfolgung endete am 1. Mai 2003, die letzte Nachverfolgung im Dezember 2017. Primäre Endpunkte der Studie waren das Auftreten von Magenkarzinomen sowie Tod durch Magenkarzinom. Weitere Endpunkte waren Tod durch andere Erkrankungen, Auftreten anderer Karzinome sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Ergebnisse: Im Zeitraum von 1995-2017 wurden bei 151 Teilnehmern der gesamten Kohorte ein Magenkarzinom entdeckt, und 94 Teilnehmer starben daran. Besonders häufig waren diese Ereignisse bei initial H.p.-positiven Teilnehmern: 119 (79%) Magenkarzinome und 76 Todesfälle durch Magenkarzinome (81%). Die meisten dieser Karzinome waren nicht im Kardiabereich. Eine Behandlung gegen H.p. war signifikant und invers mit der Inzidenz des Magenkarzinoms korreliert, auch nach multivariater Anpassung. Der protektive Effekt der H.p.-Behandlung hielt über den gesamten Beobachtungszeitraum von 22 Jahren an. Die Inzidenz von Magenkarzinomen nahm auch in der Gruppe mit Vitamin-Supplementierung ab, nicht jedoch in der mit Knoblauchextrakt. Allerdings trat der Effekt später und weniger ausgeprägt auf im Vergleich zur H.p.-Behandlung.

Alle drei Interventionen zeigten auch eine signifikante Abnahme der Letalität am Magenkarzinom. Die angepassten Hazard-Ratios waren 0,62 (CI: 0,39-0,99) für die H.p.-Behandlung, 0,48 (0,31-0,75) für die Vitamin-Supplementierung und 0,66 (0,43-1,00) für Knoblauch. Der Effekt von Knoblauch war erst nach 14,7 Jahren nachweisbar, persistierte aber bis ans Ende der Studie. Da Todesfälle mit der Dauer der Nachverfolgung zunahmen, war der protektive Effekt der Interventionen nach 22,3 Jahren auch statistisch signifikant, wobei er in der H.p.-behandelten Gruppe schon nach ca. 8 Jahren in der Kaplan-Meier-Kurve sichtbar war. Die Interventionen führten zu keinen schwerwiegenden Nebenwirkungen.

Durch die Eradikation von H.p. können offenbar nicht alle Magenkarzinome verhindert werden. Das könnte auf Resistenzbildung zurückgehen, aber auch andere Ursachen sind möglich. Daher sind auch andere als die in dieser Studie untersuchten Präventionsstrategien wichtig. Es wurde kein Zusammenhang zwischen den oben genannten Präventionsstrategien und anderen Karzinomen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen gesehen.

Fazit: In dieser großen Langzeitstudie aus China in einer Region mit hoher Inzidenz des Magenkarzinoms war eine Behandlung gegen die nachgewiesene Besiedelung mit Helicobacter pylori lang anhaltend mit einer Abnahme der Inzidenz von Magenkarzinomen und der Letalität am Magenkarzinom assoziiert. Die anderen in dieser Studie ebenfalls wirksamen Interventionen, wie eine langfristige Supplementierung mit den Vitaminen C und E, Selen bzw. Knoblauch, sind vor dem Hintergrund einer zuvor vitaminarmen und sehr speziellen Ernährung dieser Bevölkerungsgruppe zu interpretieren und deshalb nicht auf andere Bevölkerungsgruppen übertragbar.

Literatur

  1. Bray, F., et al. (GLOBOCAN): CA Cancer J. Clin. 2018, 68, 394. Link zur Quelle
  2. You, W.C., et al.: Cancer Res. 1988, 48, 3518. Link zur Quelle
  3. You, W.C., et al.: J. Natl. Cancer Inst. 2000, 92, 1607. Link zur Quelle
  4. Zhang, L., et al.: Cancer Epidemiol. Biomarkers Prev. 1996, 5, 627. Link zur Quelle
  5. Gail, M.H., et al.: Control. Clin. Trials1998, 19, 352. Link zur Quelle
  6. You, W.C., et al.: J. Natl. Cancer Inst. 2006, 98, 974. Link zur Quelle
  7. Ma, J.L., et al.: J. Natl. Cancer Inst. 2012, 104, 488. Link zur Quelle
  8. Li, W.Q., et al.: BMJ 2019, 366, I5016. Link zur Quelle