Hitzewellen treten seit der Jahrtausendwende ungewöhnlich häufig auf. Sie führen regelmäßig zu einer erhöhten Mortalität, besonders bei älteren Menschen (1). Im Sommer 2018 war es über eine besonders lange Zeit heiß. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts betrug die hitzebedingte Mortalität des Sommers 2018 in Berlin und Hessen insgesamt ca. 12/100.000 Einwohner, in der Altersgruppe der 75- bis 84-Jährigen ca. 60/100.000 und bei den über 84-Jährigen ca. 300/100.000 Einwohner. Sie war im Vergleich zu 2017 signifikant höher (1). Auch in diesem Jahr wurden erneut ungewöhnlich hohe Temperaturen gemessen: Der Juni 2019 war in Deutschland mit Temperaturen bis 39,6°C der heißeste seit 1901 (2).
Die Kerntemperatur des Körpers wird bei gesunden Personen durch den Hypothalamus auf ca. 37°C reguliert. Der Körper kann Wärme verlieren durch Konduktion (direkten Kontakt eines kühleren Objekts mit der Haut), Konvektion (durch Zirkulation von kühlerer Luft oder Wasser auf der Haut), Wärmestrahlung (Infrarotstrahlung, die zwischen unterschiedlich temperierten Körpern und Gegenständen ausgetauscht wird) und Verdunstung (von Schweiß). Ist die Temperatur der Haut höher als die Lufttemperatur, kann der Körper durch Wärmestrahlung, Konduktion und Konvektion Wärme abgeben. Ein gesunder Mensch kann über diese Mechanismen bis zu einer Lufttemperatur von ca. 35°C Wärme verlieren. Wenn die Luft jedoch heißer ist als die Haut, kann der Körper nur durch Verdunstung von Schweiß Wärme abgeben. Dies ist allerdings nur möglich, wenn der Partialdruck des Wasserdampfs der Haut höher ist als der der umgebenden Luft. Bei hoher Luftfeuchtigkeit kann der Schweiß weniger gut verdampfen, so dass diese Form der Wärmeabgabe wenig effektiv ist. Zu den physiologischen Reaktionen des Körpers auf Wärme gehört die periphere Vasodilatation, die das Herzzeitvolumen erhöht. Menschen mit chronischen Erkrankungen, die die Fähigkeit zur peripheren Vasodilatation beeinträchtigen oder die ihr Herzzeitvolumen nicht adäquat steigern können, sind bei Hitzewellen am meisten gefährdet (3).
Bestimmte Arzneimittel können das Risiko für hitzebedingte Erkrankungen erhöhen, beispielsweise indem sie die Wärmeregulierung des Körpers beeinträchtigen. So können Neuroleptika zu vermindertem Schwitzen und Hypotonie führen sowie darüber hinaus die Thermoregulation des Hypothalamus negativ beeinflussen (3). Verschiedene Gesundheitsorganisationen haben Hinweise zu Arzneimitteln veröffentlicht, die bei Hitzewellen potenziell problematisch sein können, aktuell die Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (3-6). Die Hinweise beruhen hauptsächlich auf meinungsbasierten Empfehlungen, denn es ist nur wenig Evidenz dazu veröffentlicht (3).
Zu den Arzneimitteln und Zuständen, die bei einer Hitzewelle Probleme bereiten können, gehören:
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durch verringertes Schwitzen z.B. Anticholinergika, Betablocker, Antihistaminika, Phenothiazine, Vasokonstriktoren;
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durch Hemmung der zentralen Thermoregulation z.B. Neuroleptika, selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, Stimulanzien (Amphetamine);
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durch verringertes Durstgefühl, z.B. Butyrophenone wie Haloperidol und Droperidol, Angiotensin-Converting-Enzym-Hemmer (ACE-Hemmer), AT-II-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB), Neuroleptika, Carbamazepin, Anti-Parkinson-Mittel;
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durch Dehydratation und Elektrolytstörungen z.B. Diuretika, ACE-Hemmer, AT-II-RB sowie alle Arzneimittel, die Erbrechen und Durchfall verursachen können, wie Zytostatika und Antibiotika;
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bei Dehydratation durch Konzentrationserhöhungen und Toxizität von Arzneimitteln mit engem therapeutischem Fenster, z.B. Digoxin, Lithium, Vitamin-K-Antagonisten, Antiepileptika, Biguanide (Metformin);
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durch verringertes Herzzeitvolumen z.B. Betablocker;
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durch erniedrigten Blutdruck z.B. infolge von Antihypertensiva, Vasodilatatoren und einigen trizyklischen Antidepressiva;
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durch Beeinträchtigung der Nierenfunktion z.B. nichtsteroidale Antirheumatika, Sulfonamide, Indinavir, Ciclosporin;
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durch Sedierung z.B. Benzodiazepine und Schlafmittel;
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durch verstärkte Resorption von Wirkstoffen aus transdermalen Systemen bei einer Erhöhung der Hauttemperatur z.B. Fentanyl-Pflaster.
Während einer Hitzewelle ist auch bei der Lagerung von Arzneimitteln Umsicht geboten. Sie sollten niemals großer Hitze ausgesetzt werden (7) und beispielsweise wegen der dort im Sommer sehr hohen Temperaturen nicht im Auto liegen gelassen werden. Zu den Arzneimitteln, die im Kühlschrank gelagert werden müssen zählen beispielsweise bestimmte Impfstoffe, Insuline, einige Asthma-Sprays und Augentropfen. Entsprechende Lagerungshinweise finden sich in den Fachinformationen. Diese Arzneimittel benötigen in der Regel eine Temperatur von 2-8°C, so dass während einer Hitzewelle die Temperatur des Kühlschranks ggf. adjustiert werden muss. Arzneimittel, die im Kühlschrank gelagert werden müssen, dürfen nicht eingefroren werden.
Fazit: Bestimmte Arzneimittel sind bei Hitzewellen potenziell gefährlich, indem sie auf unterschiedliche Weise die physiologische Temperaturregulierung des Körpers beeinträchtigen. Zu diesem Problem haben mehrere Gesundheitsorganisationen Informationen veröffentlicht. Gefährdete Patienten sollten überwacht und ihre Medikation ggf. kritisch überprüft und angepasst werden.
Literatur
- https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/ EpidBull/Archiv/2019/Ausgaben/ 23_19.pdf?__blob=publicationFile Link zur Quelle
- https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/ klimaueberwachung/deutschland/ brdmap_ubr_text_aktl_zz.html?nn=480164 Link zur Quelle
- https://www.health.nsw.gov.au/environment/ beattheheat/Pages/information-for -health-professionals.aspx Link zur Quelle
- https://www.sps.nhs.uk/articles/ which-medicines-could-cause-problems -for-patients-during-a-heatwave/ Link zur Quelle
- https://www.klimawandel-gesundheit.de/ wp-content/uploads/2019/06/ Hintergrund-HITZE.pdf Link zur Quelle
- https://www.klimawandel-gesundheit.de/ Link zur Quelle
- https://www.bundesgesundheitsministerium.de/arzneimittelentsorgung -und-aufbewahrung.html Link zur Quelle