Eine Hyperurikämie ist mit einem erhöhten Risiko für eine Einschränkung der Nierenfunktion bzw. Progression einer vorbestehenden Niereninsuffizienz (NI) verbunden (1, 2). Beobachtungsstudien haben sogar eine lineare Beziehung gezeigt zwischen erhöhten Harnsäure(HS)-Spiegeln im Blut und Verschlechterung der Nierenfunktion, häufigeren kardiovaskulären Ereignissen und Tod (3-5). Mit fortschreitender NI wird HS vermindert renal ausgeschieden (6, 7). Unklar ist, ob die Hyperurikämie selbst die Nierenfunktion verschlechtert oder ob sie nur Folge der verringerten glomerulären Filtrationsrate (GFR) oder beides ist. Über kurze Beobachtungszeiträume von 6-12 Monaten ergab sich in kleineren Studien ein günstiger Einfluss von Allopurinol und Febuxostat auf die Progression der NI (8-10). In einer Metaanalyse aus acht randomisierten kontrollierten Studien mit insgesamt 476 Teilnehmern (11) fand sich unter Allopurinol über im Mittel 11 Monate eine geringere Abnahme der errechneten glomerulären Filtrationsrate (eGFR), verglichen mit den Kontrollen: mittlere Abnahme-Differenz 3,1 ml/min/1,73 m2 Körperoberfläche. Allerdings waren die einzelnen Kollektive relativ klein, und nur zwei Studien waren plazebokontrolliert. Zu dieser Thematik wurde jetzt eine industrieunabhängige australisch-neuseeländische Studie mit dem Akronym CKD-FIX veröffentlicht (12). Sie war finanziert mit öffentlichen Mitteln des National Health and Medical Research Council of Australia und des Health Research Council of New Zealand.
Studiendesign: In die randomisierte, plazebokontrollierte, doppelblinde Studie an 31 Zentren wurden Patienten mit chronischer NI Stadium 3 oder 4 (eGFR: 15-59 ml/min/1,73 m2) eingeschlossen, die sich in den 12 Monaten zuvor verschlechtert hatte: Abnahme um ≥ 3 ml/min/1,73 m2 oder eine Albumin:Kreatinin Ratio ≥ 265 (Albumin in mg, Kreatinin in g) bzw. ≥ 30 (Albumin in mg, Kreatinin in mmol). Die Abnahme der eGFR wurde aus drei Messungen im Abstand von mindestens 4 Wochen ermittelt. Ausschlusskriterien waren Gichterkrankung, Unverträglichkeit von Allopurinol oder eine zwingende Indikation für Allopurinol sowie ein akutes Nierenversagen in den 3 Monaten zuvor. Die Teilnehmer wurden 1:1 randomisiert in Plazebo oder Allopurinol 100 mg/d mit einer Steigerung der Dosis im Verlauf von 12 Wochen auf bis zu 300 mg/d als Zieldosis. Eine Änderung der Dosis auf Grund von Serum-HS-Werten war während der Studie nicht erlaubt. Alle 16 Wochen wurden die Patienten im Studienzentrum untersucht. Die Notwendigkeit einer Hämodialysebehandlung über > 30 Tage oder eine Nierentransplantation führte zum vorzeitigen Studienende.
Primärer Studienendpunkt war die Veränderung der eGFR nach 104 Wochen im Vergleich zum Ausgangswert, basierend auf der Formel nach der Chronic Kidney Disease Epidemiology (CKD-EPI; 13). Sekundäre kombinierte Endpunkte umfassten eine 30- bzw. 40%-ige Abnahme der eGFR, die Notwendigkeit einer Hämodialysebehandlung länger als 30 Tage, Nierentransplantation sowie Tod jeder Ursache. Berücksichtigt wurden auch klinische Parameter und HS-Spiegel, stationäre Aufnahme jeder Ursache und Scores zur Lebensqualität.
Ergebnisse: Von März 2014 bis Dezember 2016 wurden insgesamt 369 von 620 geplanten Patienten eingeschlossen (60%). Wegen extrem schleppender Rekrutierung wurde die Studie ohne Zwischenanalyse vorzeitig abgebrochen. Drei Patienten in jedem Kollektiv hatten jeweils unmittelbar nach Einschluss ihre Einwilligung zurückgezogen. Es verblieben 182 Patienten in der Allopurinol- und 181 in der Plazebo-Gruppe. Es hatten 126 Patienten (69%) die Zieldosis von 300 mg Allopurinol/d erreicht, 17 (9%) 200 mg/d und 9 Patienten (5%) 100 mg/d. In der Plazebo-Gruppe war die Verteilung ähnlich: 70%, 15%, 6%. In der Verum-Gruppe hatten sich 30% nicht an das Protokoll gehalten, in der Plazebo-Gruppe waren es 25%. Ausgewertet wurden schließlich 132 Patienten mit Allopurinol und 144 mit Plazebo. Relevante klinische und demografische Daten waren in beiden Gruppen gleich; eine diabetische Nephropathie war allerdings in der Plazebo-Gruppe häufiger (50% vs. 41%). Die mittlere eGFR betrug 31,7 ± 12,0 ml/min/1,73 m2; die HS im Serum war zu Beginn mit 8,2 mg/dl ± 1,8 im Mittel deutlich erhöht. Am Ende des Beobachtungszeitraums unterschied sich die Abnahme der eGFR in beiden Kollektiven nicht: -3,33 ml/min/1,73 m2 pro Jahr im Allopurinol-Kollektiv (95%-Konfidenzintervall = CI: -4,11 bis -2,55) und -3,23 ml/min/1,73 m2 pro Jahr für Plazebo (CI: -3,98 bis -2,47). Der mittlere Unterschied war mit -0,10 ml/min/1,73 m2 pro Jahr so gering (CI: -1,18 bis 0,97; p = 0,85), dass sich selbst in einem deutlich größeren Kollektiv als den geplanten 620 Patienten kein signifikanter Unterschied von mindestens -0,6 ml/min/1,73 m2 pro Jahr als klinisch bedeutsam hätte herausstellen können. Auch in diversen Subgruppen fand sich kein Unterschied.
Den sekundären kombinierten Endpunkt (40%-ige Abnahme der eGFR, Hämodialyse länger als 30 Tage, Nierentransplantation sowie Tod jeder Ursache) erreichten in der Verum-Gruppe 35% und unter Plazebo 28% der Patienten (Risk Ratio = RR: 1,23; CI: 0,90-1,67; Hazard Ratio = HR: 1,34; CI: 0,92-1,93). Für die Kombination mit einer Abnahme der eGFR von 30% ergaben sich noch geringere Werte (RR: 1,13; HR: 1,23). Die HS-Spiegel sanken nach 12 Wochen im Mittel auf 5,1 mg/dl und blieben bis zum Studienende stabil um 5,3 mg/dl. In der Plazebo-Gruppe blieb die HS-Konzentration im Vergleich zum Ausgangswert über den gesamten Verlauf konstant bei 8,2 mg/dl. Auch bei der Lebensqualität und den Albumin/Kreatinin-Quotienten ergab sich kein signifikanter Unterschied. Unerwünschte Ereignisse traten bei 84 von 182 Patienten (46%) in der Allopurinol-Gruppe und bei 79 von 181 Patienten (44%) in der Plazebo-Gruppe auf. Unter Allopurinol starben 11 Patienten (6%), unter Plazebo 6 (3%).
Die Studienergebnisse stützen die These, dass erhöhte HS-Spiegel keinen kausalen Zusammenhang haben mit einer Verschlechterung der Nierenfunktion (14, 15). Die Autoren erwägen allerdings die Möglichkeit, dass – anders als in bisherigen epidemiologischen Studien (1, 2) – die NI bei diesen Patienten möglicherweise schon zu weit fortgeschritten war, dass Allopurinol ein weiteres Fortschreiten nicht mehr verlangsamen konnte. Es gab auch keinen definierten Mindest-HS-Wert als Einschlusskriterium, so dass einige Patienten zu Beginn der Studie sogar normale Werte hatten. Außerdem nahmen 76% der Patienten auch einen Hemmer des Renin-Angiotensin-Systems ein, der möglicherweise einen günstigen Einfluss von Allopurinol maskiert haben könnte.
Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch zwei andere Studien, eine mit Allopurinol (16), die andere mit Febuxostat (17). Die aus öffentlichen Mitteln finanzierte PERL-Studie (16) untersuchte den Einfluss von Allopurinol auf die Nierenfunktion bei Patienten mit langjährigem Diabetes mellitus Typ 1 und leichter bis moderater Niereninsuffizienz (eGFR 40-99 ml/min/1,73 m2, im Mittel ca. 68 ml/min/1,73 m2) sowie HS-Spiegeln ≥ 4,5 mg/dl. Die Teilnehmer waren im Mittel 51,1 Jahre alt und hatten eine Krankheitsdauer von durchschnittlich 34,6 Jahren. Es nahmen 267 Patienten Allopurinol ein und 263 Plazebo. Über einen Beobachtungszeitraum von 3 Jahren fiel der mittlere HS-Spiegel von 6,1 auf 3,9 mg/dl unter Allopurinol; unter Plazebo blieb der Wert bei 6,1 mg/dl konstant. Die eGFR nahm unter Allopurinol um 3,0 ml/min/1,73 m2 pro Jahr ab und unter Plazebo um 2,5 ml/min/1,73 m2 pro Jahr. In der Differenz der GFR-Abnahme unterschieden sich die beiden Kollektive nur um -0,6 ml/min/1,73 m2 pro Jahr. Somit konnte auch bei diabetischen Patienten mit besonders hohem Risiko für eine Verschlechterung der Nierenfunktion ein protektiver Effekt von Allopurinol nicht nachgewiesen werden.
In der zweiten Studie (randomisiert, plazebokontrolliert; Dauer 108 Wochen) aus Japan wurde die Verschlechterung der eGFR unter Febuxostat (n = 219; Auftitrierung der Dosis von zunächst 10 mg/d bis auf 40 mg/d ab Woche 8 bis Woche 108) bzw. Plazebo (n = 222) bei Patienten mit Niereninsuffizienz Stadium 3 und asymptomatischer Hyperurikämie untersucht (17). Auch hier ergab sich insgesamt kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der Progression der Niereninsuffizienz: unter Febuxostat Abnahme der eGFR von 0,23 ± 5,26 ml/min/1,73 m2 pro Jahr und unter Plazebo 0,47 ± 4,48 ml/min/ pro Jahr; Differenz: 0,7; CI = -0,21 bis 1,62; p = 0,1). In Subgruppen von Patienten ohne Proteinurie und Kreatininwerten unterhalb des Medians des Gesamtkollektivs ergaben sich allerdings Vorteile für Febuxostat. Auch Gichtanfälle waren insgesamt seltener in der Febuxostat-Gruppe: 0,91% versus 5,86%; p = 0,009.
Fazit: In einer kleineren, unabhängigen plazebokontrollierten Studie konnte eine Therapie mit Allopurinol bei Patienten mit Hyperurikämie und fortgeschrittener Niereninsuffizienz im Stadium 3 und 4 die Progression der Niereninsuffizienz im Verlauf von zwei Jahren nicht verlangsamen, wenngleich die Serum-Harnsäurespiegel unter Allopurinol um etwa 35% sanken. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine andere Studie bei Patienten mit langjährigem Diabetes mellitus Typ 1 und moderat eingeschränkter Nierenfunktion und auch eine weitere mit Febuxostat bei Patienten mit Niereninsuffizienz Stadium 3 und asymptomatischer Hyperurikämie.
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