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Intestinales Mikrobiom als Prädiktor für die Mortalität nach allogener Stammzelltransplantation

Die Transplantation allogener hämatopoetischer Stammzellen ist ein kurativer Therapieansatz für verschiedene hämatologische und auch für bestimmte Autoimmunerkrankungen. Die Therapie beginnt mit einer myeloablativen Konditionierungstherapie mit anschließender Tranfusion hämatopoetischer Stamm-/Vorläuferzellen eines im Major Histocompatibility Complex (MHC) passenden Spenders (1, 2). Komplikationen, wie die „Graft versus host Disease“ (GvHD) und schwere Infektionen, tragen dazu bei, dass die Letalität bei dieser Therapie hoch ist, und sie limitieren eine breitere Anwendung.

Das intestinale Mikrobiom spielt eine wichtige Rolle bei verschiedenen physiologischen Vorgängen (3). Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass das Mikrobiom bei der Vorbereitung auf die Stammzelltransplantation erheblich verändert wird. Die Diversität des intestinalen Mikrobioms wird deutlich verringert und potenziell pathogene Bakterien werden vermehrt (4-7). Günstige Wirkungen bei großer Diversität des Mikrobioms wurden in Studien zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bestätigt (8). In anderen Studien wurde die Diversität des Mikrobioms mit dem Ansprechen auf die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren bei Patienten mit Melanom in Verbindung gebracht (9).

Die wichtigsten Komplikationen bei allogener Stammzelltransplantation sind: GvHD, Rezidiv der Grunderkrankung, schwer verlaufende Infektionen und toxische Organschäden. Jede einzelne dieser Komplikationen, wie auch kürzeres Gesamtüberleben, wurde mit der verminderten Diversität des intestinalen Mikrobioms in Zusammenhang gebracht (4-6, 10). Zum Beispiel erhöht die Verarmung des intestinalen Mikrobioms mit Überwiegen einer speziellen Bakterienspezies das Risiko, dass hierdurch eine Sepsis verursacht wird (5). Die Exposition gegenüber Breitspektrum-Antibiotika nach allogener Knochenmarktransplantation ist mit einer erhöhten Letalität assoziiert (11-12). Diese Untersuchungen mit kleinen Patientenzahlen waren auf einzelne Zentren beschränkt und auch geographisch begrenzt. Nun wurde hierzu eine größere Studie in vier Zentren aus drei Kontinenten durchgeführt (13).

Methodik: Die Studie wurde an vier Zentren durchgeführt: dem Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSK) in New York, USA, dem Duke University Medical Center in Durham, Nord-Carolina, USA, der Hämatologie an der Universitätsklinik Regensburg, Deutschland und dem Hokkaido University Hospital in Sapporo, Japan. Das Studienzentrum MSK wurde als Kohorte 1 und die anderen Zentren als Kohorte 2 definiert. Diese Studie wurde hauptsächlich durch das „National Cancer Institute“ finanziert.

Die Stuhlproben wurden prospektiv in jedem Zentrum gesammelt und nach gleichen Protokollen aufgearbeitet. Die Zusammensetzung des Mikrobioms wurde mittels 16s-ribosomaler RNS-Sequenzierung charakterisiert. Alle Proben mussten nach dem 30. Tag vor einer allogenen Stammzelltransplantation gesammelt werden. Proben wurden wöchentlich gesammelt, so dass im Median von einem Patienten 4 Stuhlproben vorlagen; Das Minimum war eine auswertbare Probe.

Ein Index („hematopoetic-cell transplantation comorbidity index“ = HCT-CI) wurde erfasst, um das Risiko für den Tod im Rahmen der allogenen Stammzelltransplantation einzuschätzen (14). Es wurde die Assoziation zwischen der Diversität des Mikrobioms und der Mortalität mittels „Cox proportional-hazard“-Analyse untersucht. Die Kohorten wurden in Gruppen höherer und niedrigerer Diversität stratifiziert. Der mediane Diversitäts-Index wurde in der New Yorker-Gruppe (Kohorte 1) ermittelt. Die anderen Kohorten wurden auch unabhängig ausgewertet. In der Kohorte 1 wurden zusätzlich weitere Subgruppen und die Transplantation-assoziierte Mortalität analysiert. Um die Assoziation von der Diversität des intestinalen Mikrobioms mit dem Gesamtüberleben zu ermitteln, wurden Patienten berücksichtigt, von denen eine Stuhlprobe zwischen Tag 7 und Tag 21 nach der Stammzelltransplantation vorlag und die bis Tag 21 überlebten. Lagen in diesem Zeitraum mehrere Stuhlproben vor, wurde ein Median gebildet.

Ergebnisse: In dieser Studie wurden 8.767 Stuhlproben von 1.362 Patienten analysiert, die eine allogene Stammzelltransplantation erhielten. Akute Leukämien waren die häufigste Indikation für die Stammzelltransplantation. Das mediane Alter der Patienten lag bei knapp 53 Jahren. Im Rahmen der Vorbereitung zur Stammzelltransplantation (myeloablative Chemotherapie, Breitspektrum-Antibiotika zur Darmdekontamination) wurde eine Reduktion des Mikrobioms mit Überwiegen einzelner Bakterienspezies festgestellt (p < 0,001 für jedes Zentrum). Eine größere Diversität des intestinalen Mikrobioms war mit einem niedrigeren Risiko für Tod in den Kohorten assoziiert: Kohorte 1: 104 Todesfälle bei 354 Patienten in der Gruppe mit der größeren Diversität vs. 136 Todesfälle bei 350 Patienten in der Gruppe mit der geringeren Diversität (angepasste Hazard Ratio: 0,71; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,55-0,92).

In der Kohorte 2 gab es 18 Todesfälle bei 87 Patienten in der Gruppe mit der größeren Diversität vs. 35 Todesfälle bei 92 Patienten in der Gruppe mit der geringeren Diversität (angepasste Hazard Ratio: 0,49; CI: 0,27-0,90). Die Subgruppenanalyse zeigte auch eine Assoziation von geringer Diversität des intestinalen Mikrobioms mit höherem Risiko der Transplantation-assoziierten Mortalität und auch Tod durch GvHD. Eine geringe Diversität des intestinalen Mikrobioms vor der Transplantation war mit einem schlechteren Überleben assoziiert. Diese Assoziationen blieben auch nach multivariater Anpassung hinsichtlich des Alters, der Intensität der Konditionierung und des Risikofaktors (HCT-CI) bestehen. Eine therapiebedingte Reduktion der Diversität des intestinalen Mikrobioms mit Überwiegen von Enterokokken fand sich in allen Zentren. Die Therapie mit Piperacillin-Tazobactam bzw. Meropenem wurde als Ursache für die starke Abnahme der Diversität des intestinalen Mikrobioms identifiziert.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung haben unserer Ansicht nach auch eine Bedeutung über die allogene Stammzelltransplantation hinaus. Das Mikrobiom in seiner physiologischen Diversität hat offensichtlich immunregulatorische Funktionen, die auch bei der Abwehr von Infektionen wichtig sind. Wahrscheinlich hat die Behandlung mit breit wirkenden Antibiotika (Piperacillin-Tazobactam, Meropenem) auch bei anderen Patienten, beispielsweise auf Intensivstationen, erhebliche Nachteile. Die Autoren diskutieren auch die Möglichkeit, die Diversität des Mikrobioms durch Stuhltransplantation wiederherzustellen.

Fazit: In allen Zentren dieser Studie wurde eine Abnahme der Diversität des intestinalen Mikrobioms vor und während einer allogenen Stammzelltransplantation gefunden. Eine größere Diversität des Mikrobioms in der Zeit der Regeneration der neutrophilen Granulozyten nach myeloablativer Therapie war mit einer geringeren Mortalität nach allogener Stammzelltransplantation assoziiert.

Literatur

  1. Zeiser, R., und Blazar, B.R.: N. Engl. J. Med. 2017, 377, 2167. Link zur Quelle
  2. Henes, J.C., und Kötter, I.: Z. Rheumatol. 2016, 75, 760. Link zur Quelle
  3. Belkaid, Y., und Hand, T.W.: Cell 2014, 157, 121. Link zur Quelle
  4. Holler, E., et al.: Biol. Blood Marrow Transplant. 2014, 20, 640. Link zur Quelle
  5. Taur, Y., et al.: Clin. Infect. Dis. 2012, 55, 905. Link zur Quelle
  6. Golob, J.L., et al.: Clin. Infect. Dis. 2017, 65, 1984. Link zur Quelle
  7. Stoma, I., et al.: Clin. Infect. Dis. 2020 January 24 (Epub ahead of print). Link zur Quelle
  8. Gevers, D., et al.: Cell Host. Microbe 2014, 15, 382. Link zur Quelle
  9. Gopalakrishnan, V., et al.: Science 2018, 359, 97. Link zur Quelle
  10. Taur, Y., et al.: Blood 2014, 124, 1174. Link zur Quelle
  11. Shono, Y., et al.: Sci. Transl. Med. 2016, 8, 339ra71. Link zur Quelle
  12. Weber, D., et al.: Biol. Blood Marrow Transplant. 2017, 23, 845. Link zur Quelle
  13. Peled, J.U., et al.: N. Engl. J. Med. 2020, 382, 822. Link zur Quelle
  14. Sorror, M.L., et al.: Blood 2005, 106, 2912. Link zur Quelle