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Dauertherapie mit Protonenpumpeninhibitoren: strenge Indikation bei Diabetikern und Nicht-Diabetikern trotz anderslautender Metaanalyse

p > Den US-amerikanischen und taiwanesischen Autoren einer aktuell im J. Clin. Endocrinol. Metab. publizierten Metaanalyse zufolge wirkt sich die Einnahme von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) positiv auf die glykämische Kontrolle bei Diabetes mellitus Typ 2 (DMT2) aus (1). Die Studie fand weltweit viel Resonanz in verschiedenen medizinischen Medien (2).

In die Analyse wurden zum einen Studien eingeschlossen, die die Surrogat-Endpunkte HbA1c und Nüchternblutzucker (NBZ) bei Diabetikern mit versus ohne PPI-Therapie zusätzlich zur DMT2-Standardtherapie untersuchten. Die Autoren fanden 7 Studien, davon 6 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) und eine nicht randomisierte kontrollierte Studie mit insgesamt 342 Patienten (14 bis 89 pro Studie). Die Metaanalyse ergab, dass es unter PPI-Therapie zusätzlich zur DMT2-Standardtherapie zu einer signifikant stärkeren Senkung von HbA1c und dem NBZ kam als unter alleiniger Standardtherapie: HbA1c: mittlere Differenz -0,36%; 95%-Konfidenzintervall = CI: -0,68 bis -0,05; p = 0,025; NBZ: mittlere Differenz -10,0 mg/dl; CI: -19,4 bis -0,6; p = 0,037). Die Nachbeobachtungszeit betrug in den meisten Studien 12 Wochen, in je einer Studie 45 Tage bzw. 24 Wochen. In Subgruppenanalysen ergaben sich (nicht statistisch signifikante) Hinweise, dass folgende Faktoren mit einer signifikanten Senkung von HbA1c und NBZ assoziiert waren: höhere als standardmäßige PPI-Dosierungen, PPI-Einnahme > 12 Wochen, Ausgangs-HbA1c > 7,0%, Patientenalter < 60 Jahre, asiatische Ethnie, bestimmte PPI (Pantoprazol, Omeprazol).

Außerdem wurden in der Arbeit auch 5 Studien (drei prospektive Kohortenstudien, eine retrospektive Kohortenstudie, ein RCT) mit insgesamt 244.439 Teilnehmern zur Diabetesinzidenz bei Personen unter PPI-Langzeittherapie analysiert. Ein Einfluss einer PPI-Langzeittherapie auf die Diabetesinzidenz wurde dabei nicht gefunden (Relatives Risiko: 1,10; CI: 0,89-1,34; p = 0,385).

Als potenzielle Mechanismen einer möglicherweise besseren glykämischen Kontrolle durch PPI diskutieren die Autoren – neben einer durch PPI verzögerten Magenentleerung – eine vermehrte Freisetzung von Gastrin, die über eine Inkretin-ähnliche Wirkung zu einer Stimulation der Insulinproduktion in den Betazellen führt, wie aus Tiermodellen bekannt sei. Sie schließen daraus, dass diese Effekte „in Erwägung gezogen werden sollten, wenn Antazida an Diabetiker verschrieben werden“.

Die Metaanalyse hat gravierende Einschränkungen hinsichtlich ihrer Aussagekraft: Die 7 Studien zur glykämischen Kontrolle sind sehr klein, sie kommen überwiegend aus asiatischen Ländern (zwei aus Indien, sowie aus Japan, Pakistan, Türkei, Mexiko und Dänemark), und die Nachbeobachtungszeiten sind sehr kurz. Statistische Marker weisen auf große Heterogenität und geringe Sensitivität hin. Begleitende Variable, wie Änderungen der antidiabetischen Therapie oder des Lebensstils während der Beobachtungszeiträume, wurden in keiner der analysierten Studien erfasst. Interne und externe Validität und Übertragbarkeit der Ergebnisse sind daher äußerst störanfällig.

Wir haben wiederholt darauf hingewiesen, dass es – neben den unmittelbaren Nebenwirkungen, wie Bauchscherzen, Durchfall – Bedenken hinsichtlich negativer Effekte einer PPI-Dauermedikation gibt, z.B. hinsichtlich osteoporotischer Frakturen (3), Demenz, Niereninsuffizienz (3, 4) und sogar Letalität (5). Außerdem gibt es ein gewisses, wenn auch klinisch eher selten relevantes Interaktionspotenzial, z.B. mit Clopidogrel (6). Die PPI-Dauermedikation zählt daher zu den Therapiekonzepten, bei denen regelmäßig die Indikation überprüft bzw. an ein „Deprescribing“ gedacht werden sollte. Dies sollte bei Diabetikern nicht anders gehandhabt werden als bei Nicht-Diabetikern.

Fazit: Eine viel zitierte aktuelle Metaanalyse einiger randomisierter, aber sehr kleiner und heterogener Studien mit kurzer Nachbeobachtung beschreibt einen positiven Effekt einer PPI-Medikation hinsichtlich der glykämischen Kontrolle bei Typ-2-Diabetikern. Die Validität der Ergebnisse ist aber aufgrund gravierender Mängel und fehlender Daten als völlig unzureichend einzustufen und darf nicht zu einer Änderung einer rationalen Verordnungspraxis führen. Eine in derselben Arbeit publizierte Metaanalyse von Beobachtungsstudien zur PPI-Dauermedikation fand keinen Hinweis auf eine veränderte Diabetesinzidenz. Sowohl bei Diabetikern als auch bei Nicht-Diabetikern sollte die Indikation für eine PPI-Dauermedikation weiterhin zurückhaltend gestellt und permanent kritisch überprüft werden.

Literatur

  1. Peng, C.C.-H., et al.: J. Clin. Endocrinology & Metabolism 2021; June 30. Link zur Quelle
  2. Beispiel: Link zur Quelle
  3. AMB 2012, 46, 30. Link zur Quelle
  4. AMB 2016, 50, 41. Link zur Quelle
  5. AMB 2017, 51, 63a. Link zur Quelle
  6. AMB 2009, 43, 73. Link zur Quelle