Affenpocken sind eine virale Zoonose, die selten auf den Menschen übertragen wird. Der Erreger gehört zur Familie der Pockenviren. Mit einer Größe von 200-400 nm und seiner quaderförmigen bis spheroiden Grundform gehört er zu den größten humanpathogenen Viren. Im Lichtmikroskop ist er bei starken Vergrößerungen noch zu erkennen, was bei anderen Viren nicht möglich ist. Affenpocken-Viren sind mit den humanen Pockenviren eng verwandt, aber deutlich weniger pathogen. Die humanen Pockenviren, auch als Blattern oder Variola bekannt, sind durch Impf-Programme weltweit zurückgedrängt worden; in Deutschland wurde der letzte Fall 1972 und weltweit 1977 in Somalia registriert. Die Impfung gegen Pocken mittels dem weniger pathogenen Erreger der Kuhpocken wurde durch Edward Jenner 1796 weltweit bekannt (Kuhpocken = Vacciniaviren = Vakzination). Seither werden Impfung und Vakzination weitgehend synonym verwendet (Übersicht bei [1]).
Seit 1970 werden in West- und Zentralafrika immer wieder sporadische Ausbrüche von Affenpocken registriert [2], typischerweise nach Kontakt mit Wildtieren [3]. Die Übertragung von Tieren auf den Menschen und von Mensch zu Mensch erfolgt meist durch engen Hautkontakt direkt mit den Effloreszenzen, aber auch durch kontaminierte Wäsche [4]. Die Erkrankung ist in der Regel selbstlimitierend und hat in Afrika eine Sterblichkeit von 1-10% [5]. Die Krankheit beginnt meist mit Fieber, gefolgt von papulösen, vesikulär-pustulösen und ulzerativen Hautläsionen, die meist an den Kontaktstellen auftreten, z.B. den Genitalien [5], [6]. Komplikationen sind: Pneumonitis, Enzephalitis, Keratitis und sekundäre bakterielle Infektionen [7].
In Deutschland wurden in diesem Jahr bis zum 1.8.2022 insgesamt 2.677 Erkrankungen an Affenpocken aus allen 16 Bundesländern an das Robert Koch-Institut gemeldet [7]. Phylogenetische Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Affenpocken aber schon länger unerkannt in Risikogruppen zirkulieren und wohl als andere sexuell übertragbare Erkrankungen fehldiagnostiziert wurden [4]. Die derzeit gültigen Falldefinitionen [8], [9] scheinen nicht auszureichen, um die Vielfalt der klinischen Manifestationen abzubilden. Im N. Engl. J. Med. wurden deshalb im Rahmen einer internationalen Kooperation von Klinikern die Infektionswege, die Erscheinungsformen und der klinische Verlauf bei PCR-bestätigten Infektionen mit Affenpocken beschrieben sowie die wenigen bisherigen therapeutischen Erfahrungen zusammengetragen [8].
Ergebnisse: Epidemiologische und klinische Daten: Es wird über 528 Infektionen, berichtet, die zwischen dem 27. April und 24. Juni 2022 in 43 Einrichtungen und 16 Ländern diagnostiziert wurden. Insgesamt waren 98% der infizierten Personen Männer, die sexuell aktiv mit Männern oder bisexuell waren. Das mediane Alter war 38 Jahre; 41% hatten eine HIV-Infektion, und bei 95% der Personen war die Übertragung im Rahmen sexueller Handlungen wahrscheinlich. In dieser Fallserie hatten 95% der Betroffenen Hautläsionen, 64% mehr als 10 Läsionen. Bei 73% der Patienten waren die Läsionen im Anogenitalbereich (54% hatten nur eine genitale Läsion), und bei 41% waren sie im Schleimhautbereich. Generelle Symptome der Infektion, die den Hautläsionen vorangingen, waren: Fieber (62%), Müdigkeit (41%), Muskelschmerzen (31%) und Kopfschmerzen (27%). Auch Lymphadenopathie fand sich bei 56%. Weitere sexuell übertragbare Infektionen wurden bei 109 von 377 Patienten nachgewiesen (29%). Bei 23 Personen konnte die Exposition klar zugeordnet werden; daraus ergab sich eine mediane Inkubationszeit von 7 Tagen (3-20 Tage). Keiner der Patienten starb infolge der Infektion.
Therapie: Von den 528 Erkrankten wurden 70 (13%) stationär aufgenommen, meist wegen starker anorektaler Schmerzen (n = 21). Bakterielle Weichteil-Superinfektionen waren bei weiteren 18 Patienten der Aufnahmegrund. Bei 5 Patienten führte eine Pharyngitis dazu, dass das Trinken behindert war und nicht genug Flüssigkeit aufgenommen werden konnte. Bei 2 Personen kam es zu Augenläsionen, bei 2 weiteren zu einer Myokarditis und bei 2 Patienten zu transienten Nierenschädigungen. Bei 13 Patienten ging es nur darum, den Verlauf der Infektion ärztlich zu überwachen. Nur bei stationären Patienten wurden antivirale Wirkstoffe (Cidofovir oder Tecovirimat) verabreicht; über den Wirkstoff Tecovirimat Wirkstoff haben wir kürzlich berichtet [10]. Warum 20 Patienten (davon 10 mit HIV-Infektion) mit einem dieser Wirkstoffe behandelt wurden, bleibt in der Publikation unklar, ebenso, ob einer der Wirkstoffe einen günstigen Einfluss auf den klinischen Verlauf hatte. Insgesamt scheint die Wirksamkeit der antiviralen Therapie bei Affenpocken begrenzt zu sein, soweit die bisher wenigen klinischen Daten eine Beurteilung zulassen. Weil die Validierung dieser Therapie drängt, sollte sie auf klinische Studien beschränkt bleiben, besonders auch deshalb, weil Tecovirimat nur für Pocken und allein auf der Basis von Tierversuchen in einem besonderen Verfahren von der US Food and Drug Administration (FDA) in den USA zugelassen wurde („animal rule“; [11]). Die US-amerikanischen National Institutes of Health (NIH) haben in der Demokratischen Republik Kongo noch vor dem weltweiten Ausbruch eine randomisierte kontrollierte Studie begonnen, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Tecovirimat zu eruieren, und außerdem – in Zusammenarbeit mit den „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) – auch in den USA wegen der unterschiedlichen klinischen Verläufe und anderer Varianten [12]. In den USA darf Tecovirimat nur unter bestimmten Auflagen eingesetzt werden [13].
Auch im BMJ wurde gerade eine Fallserie aus Großbritannien publiziert [14]. Diese Studie kam zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Von den 197 Patienten waren 196 Männer, die sexuell aktiv mit Männern oder bisexuell waren. Das mediane Alter war 38 Jahre. Alle hatten mukokutane Läsionen, überwiegend in Genitalbereich (56,3%). Von den systemischen Symptomen (bei 170 = 86,3%) war Fieber am häufigsten (62%), gefolgt von Lymphadenopathie (58%) und Muskelschmerzen (32%). Eine HIV-Infektion war bei 70 von 195 (36%) nachgewiesen, und wie bei der zuvor beschriebenen Studie, hatten viele gleichzeitig auch andere sexuell übertragbare Infektionen (32%). Von allen Patienten wurden 20 (10%) ins Krankenhaus aufgenommen, wobei anorektale Schmerzen der häufigste Grund war; ein weiterer war Penisödem als Folge der Läsionen sowie Superinfektionen.