Die tuberkulöse Meningitis ist eine gefährliche Erkrankung. Besonders HIV-positive Patienten mit niedrigen Zellzahlen der CD4-positiven T-Lymphozyten haben oft einen schweren Verlauf; die Letalität beträgt trotz adäquater antituberkulöser Therapie > 50% ([1], [2], [3], [4]). Tödliche Verläufe sind mit einer intrazerebralen Entzündung assoziiert ([5]). Seit einer Studie aus dem Jahre 1952 wird versucht, diese Entzündung mit adjuvanter Glukokortikosteroid-Therapie zu kontrollieren ([6]). Eine größere Studie aus Vietnam aus dem Jahr 2004 mit > 500 nicht-HIV-positiven Patienten mit tuberkulöser Meningitis ergab, dass durch die adjuvante Therapie mit Dexamethason die Letalität gesenkt werden konnte ([3]). Für HIV-positive Patienten mit tuberkulöser Meningitis ist die Studienlage hinsichtlich dieser adjuvanten Therapie unklar ([7]). Nun wurde zur Klärung dieser Frage eine Studie publiziert ([8]).
Methodik: Diese randomisierte, plazebokontrollierte, doppelblinde Studie wurde von der Universität Oxford geplant und mit Geldern des Wellcome Trusts in Indonesien und Vietnam durchgeführt. Es wurden HIV-positive Patienten im Alter von ≥ 18 Jahren mit tuberkulöser Meningitis eingeschlossen. Eine Gruppe erhielt ein „Tapering“-Schema mit Dexamethason, ein Schema, in dem die Dosierung sukzessive reduziert wurde, die andere Plazebo. Die Dexamethason-Therapie wurde analog zu den Empfehlungen durchgeführt (3): 0,4 mg/kg KG pro Tag i.v. in der 1. Woche, 0,3 mg/kg pro Tag i.v. in der 2. Woche, 0,2 mg/kg pro Tag per os in der 3. Woche und 0,1 mg/kg pro Tag per os in der 4. Woche. Alle Patienten erhielten für 12 Monate eine antituberkulöse Standard-Therapie. Patienten, die bei Einschluss noch keine anti-HIV-Therapie hatten, erhielten diese ab Woche 6-8 nach Beginn der antituberkulösen Therapie. Der primäre Endpunkt war Tod aus allen Ursachen innerhalb von 12 Monaten nach Randomisierung.
Ergebnisse: Von Mai 2017 bis April 2021 wurden 520 Patienten eingeschlossen. Von ihnen konnten 11 (2,1%) nicht bis zu Ende verfolgt werden. Weitere 33 Patienten wurden wegen Fehlern hinsichtlich der Adhärenz zum Protokoll von der Auswertung ausgeschlossen. Die Charakteristika waren in den beiden Gruppen sehr ähnlich. Das mediane Alter betrug 36 Jahre („interquartile range“ 30-41 Jahre). Bei 186 (35,8%) Patienten wurde die HIV-Infektion neu diagnostiziert, und 255 (49%) hatten vor der Studie noch keine antiretrovirale Therapie (ART) erhalten. Über die Hälfte der Patienten (51,9%) hatte eine CD4-T-Zellzahl < 50/µl. Bei 16 Patienten wurde eine Resistenz der Erreger gegen mehrere Tuberkulostatika gefunden, sodass die Therapie nach den gängigen Empfehlungen modifiziert wurde ([9]).
Es starben (primärer Endpunkt) 116 von 263 Teilnehmern (44,1%) in der Dexamethason- und 126 von 257 (49%) in der Plazebo-Gruppe („Hazard Ratio“: 0,85; 95%-Konfidenzintervall: 0,66-1,10; p = 0,22). Auch in den zuvor definierten Subgruppen ergaben sich keine statistischen Unterschiede. Die neurologischen Defizite unterschieden sich in beiden Gruppen ebenfalls nicht. Ein neurologisches inflammatorisches Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS) wurde in den ersten 6 Monaten bei 20 Patienten diagnostiziert, ohne Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Die Nebenwirkungen der Therapie waren in beiden Gruppen nicht wesentlich verschieden.
In einem Editorial zu dieser Studie wird diskutiert, ob die Immunmodulation mit Dexamethason eine falsche Strategie bei diesen Patienten sein könnte ([10]). Die Patienten hatten zu Beginn sehr niedrige CD4-T-Zellzahlen (> 50% sogar unter 50/µl). Es ist daher kaum nachvollziehbar, dass bei nur 20 (< 4%) ein IRIS diagnostiziert wurde (Anm. d. Redaktion). Aufgrund des hohen Anteils an unbehandelten HIV-Patienten im fortgeschrittenen Stadium (ca. 85%) ist diese Studie nicht auf HIV-infizierte Patienten in Industrieländern zu übertragen. Die Autoren des Editorials diskutieren, ob eine gezieltere Immunmodulation, z.B. mit anti-TNF- oder anti-IL1-Wirkstoffen, besser wirksam wäre ([10]). Anti-TNF-Wirkstoffe erscheinen uns bei Tuberkulose keine gute Idee, weil Primärherde aktiviert werden können. Eine weitere Studie mit hochdosierter Acetylsalicylsäure ist auf dem Weg; die Ergebnisse stehen noch aus. Die Autoren des Editorials halten es trotz der Ergebnisse dieser Studie für besser, derzeit an Dexamethason festzuhalten, da ein geringer positiver Effekt nicht ausgeschlossen werden kann und schwere Nebenwirkungen nicht aufgetreten sind ([10]). Eine frühere Diagnose und Behandlung der HIV-Infektion in diesen asiatischen Ländern würden die Inzidenz und Letalität dieser Erkrankung deutlich reduzieren.