Nach der Zulassung des tetravalenten Dengue-Impfstoffs Dengvaxia (Sanofi Pasteur) gab es in Asien [1], [2], [3] vermehrt Krankenhausaufnahmen von geimpften Kindern im Alter von 2-5 Jahren mit schweren Verläufen von Dengue-Fieber [4], [5], [6]. Eine theoretische Erklärung für die schweren Verläufe ist die bekannte Beobachtung, dass durch spezielle Antikörper, die durch die Impfung gebildet wurden, eine erneute Infektion mit Dengue-Viren begünstigt werden kann [3], [4]. Infektionsverstärkende Antikörper binden an die Oberfläche der Viren, neutralisieren diese jedoch nicht, sondern begünstigen die Aufnahme des Virus in die Wirtszellen und somit die Ausbreitung und Vermehrung des Virus. Infektionsverstärkende Antikörper führen zu einer pathologischen Immunreaktion und sind ein besonderes Problem bei der Entwicklung von Impfstoffen. Das Phänomen wird als Antikörper-abhängige Verstärkung bezeichnet („Antibody-Dependent Enhancement“ = ADE). Es ist besonders von den schweren Verläufen bei einer zweiten Infektion mit einer anderen Serovariante des Dengue-Fiebers bekannt [7], [8], [9]. Ein ähnlicher Pathomechanismus wurde auch bei einem schweren Zwischenfall nach Infusion von anti-COVID-Antikörpern vermutet [10]. Bei den asiatischen Kindern (s.o.), die vor der Impfung noch keine Dengue-Fieber-Infektion durchgemacht hatten, vermutete man, dass sie durch die Impfung ADE-Antikörper gebildet hatten, wodurch die folgende Dengue-Infektion verschlimmert wurde. Ein solcher Zusammenhang wurde in der hier im Folgenden beschriebenen Studie zu klären versucht [11]. Dieser gefährliche, krankheitsverstärkende Mechanismus wurde vom Hersteller bei der Planung der Impfstudie nicht berücksichtigt. Erst erhebliche Proteste der Eltern von geimpften Kindern, die in Asien an Dengue-Fieber gestorben waren, haben den Hersteller bewogen, im Nachhinein diese Vorfälle zu untersuchen. In den Zulassungsstudien wurde der serologische Status vor der Impfung nicht immer korrekt erfasst, so dass dann nach der dritten Impfung retrospektiv mit einem ELISA nach Antikörpern gegen das Nicht-Strukturprotein S1 (NS1) im Blut der Kinder gesucht wurde, das nicht durch die Impfung, sondern nur durch eine vorangegangene Infektion induziert worden sein konnte [11].
Inzwischen wurde auf den Philippinen das Impfprogramm gegen Dengue-Fieber von der dortigen Regierung gestoppt [12], und die WHO hat ihre Empfehlung nach der hier besprochenen Studie geändert [13].
Methodik: In dieser Fall-Kontroll-Studie [11] wurden die Daten von drei Impfstudien genutzt. Im Prinzip wurde der Serostatus hinsichtlich Dengue-Fieber vor der Impfung erfasst. Bei den Personen, bei denen er zuvor tatsächlich gemessen worden war, wurden diese Ergebnisse verwendet, bei den anderen wurde er im Nachhinein über den NS1-Serumstatus erfasst. Ein positiver Dengue-Serostatus vor der Impfung wurde als Hinweis auf eine vor der Impfung schon einmal durchgemachte Dengue-Infektion angenommen und mit der nach der Impfung aufgetretenen Infektion korreliert und zwar stratifiziert nach Altersgruppen und Schweregrad, d.h. Krankenhausaufnahme wegen nachgewiesener schwerer Dengue-Fieber-Infektion. Die Studie wurde vom Hersteller des Impfstoffs durchgeführt, nachdem über geimpfte Kinder berichtet wurde, die an Dengue-Fieber gestorben waren.
Ergebnisse: Die Studie schloss insgesamt 3.578 Teilnehmer ein. Davon waren 2.384 in der Impf- und 1.194 in der Kontroll-Gruppe. Außerdem wurden alle Teilnehmer der Zulassungsstudie eingeschlossen, die eine symptomatische Dengue-Fieber-Infektion (n = 1.258) hatten, sowie alle, die wegen Dengue-Fieber ins Krankenhaus kamen (n = 644) oder eine schwere Infektion entwickelten (n = 142). Von den Teilnehmern wurden 24,5% als seronegativ eingestuft.
Bei den vor der Impfung Dengue-seronegativen Kindern zwischen 2 und 16 Jahren betrug die kumulative Inzidenz innerhalb von 5 Jahren für eine Krankenhausaufnahme wegen Dengue-Fieber bei geimpften Kindern 3,06% bzw. 1,87% bei nichtgeimpften Kindern. Bei den ursprünglich seronegativen Kindern zwischen 9 und 16 Jahren betrug die kumulative Inzidenz für eine Krankenhausaufnahme wegen Dengue-Fieber bei geimpften Kindern 1,57% bzw. 1,09% bei nichtgeimpften Kindern. Ein ähnlicher Trend fand sich auch bei den schweren Verläufen.
Bei den ursprünglich Dengue-seropositiven Kindern zwischen 2 und 16 Jahren war die kumulative Inzidenz innerhalb von 5 Jahren nach der Impfung für eine Krankenhausaufnahme wegen Dengue-Fieber bei geimpften Kindern 0,75% bzw. 2,47% bei den nichtgeimpften Kindern. Das Risiko für einen schweren Verlauf war ebenfalls geringer bei den geimpften Kindern.
Eine weitere Analyse ergab, dass die Impfung in der Gruppe der 2-8-jährigen seronegativen Kinder das Risiko für einen schweren Verlauf der Dengue-Infektion signifikant erhöhte. In dieser Studie starb zwar kein Kind an Dengue; allerdings sind Todesfälle durch Dengue-Fieber bei geimpften Kindern dokumentiert [14]. Eine besondere Schwierigkeit bei der Beurteilung des Nutzens der Impfung besteht darin, dass es bisher keinen Test gibt, der mit annähernd 100%iger Sicherheit eine vorangegangene Dengue-Fieber-Infektion nachweisen kann [13].
Im Dezember 2022 wurde mit Qdenga (Takeda) ein weiterer tetravalenter, attenuierter Lebendimpfstoff durch die Europäische Kommission zugelassen. Der Impfstoff ist seit März 2023 auf dem Markt und kann ab dem Alter von 4 Jahren eingesetzt werden. Weitere Impfstoffe befinden sich in der Entwicklung. Wir geben derzeit die Empfehlung, bei Kindern, die bisher keine Dengue-Fieber-Infektion durchgemacht haben sowie auch bei Erwachsenen, besonders aus Nicht-Endemiegebieten, wo eine vorausgegangene Dengue-Infektion unwahrscheinlich ist, die Impfstoffe nicht einzusetzen, unabhängig davon, zu welchem Schluss die Impfkommission am Robert Koch-Institut nach ihrer laufenden Prüfung kommen wird [15]. Insbesondere auch deshalb, da Erstinfektionen mit Dengue selbstlimitierend und meist milde verlaufen.