Randomisierte kontrollierte Studien (RCT) gelten als Goldstandard zum Nachweis der Wirksamkeit medizinischer Interventionen. Die selektive Publikation von Ergebnissen und die Veränderung von Endpunkten untergraben jedoch die Validität, Reproduzierbarkeit und den klinischen Nutzen von RCT (vgl. [1]). Eine Forschungsgruppe untersuchte nun, wie häufig Änderungen von primären Endpunkten in randomisierten Phase-III-Studien zu onkologischen Interventionen vorkommen und ob dies mit positiven Ergebnissen assoziiert ist.
Untersucht wurden alle abgeschlossenen Phase-III-Studien, die bis Februar 2020 in dem Studienregister „ClinicalTrials.gov“ registriert waren und zu denen eine Publikation identifizierbar war, entweder auf ClinicalTrials.gov oder durch eine Recherche in der Datenbank „PubMed“ mit der Studiennummer. Eine Studie wurde ausgeschlossen, wenn keine Ergebnisse zu primären Endpunkten mitgeteilt wurden oder der primäre Endpunkt bereits vor Beginn der Studie geändert wurde. Primärer Endpunkt dieser statistischen Nachuntersuchung war die Änderung des primären Endpunkts zwischen dem Beginn der klinischen Studie und dem letztlich berichteten Endpunkt. Dafür analysierten die Wissenschaftler alle bei ClinicalTrials.gov dokumentierten Änderungen des primären Endpunkts, die Angaben der Autoren hierzu in der Publikation sowie das Studienprotokoll, einschließlich aller verfügbaren Versionen und Dokumente dazu.
Von 1.877 bei ClinicalTrials.gov registrierten, abgeschlossenen Phase-III-Studien bei Krebs wurden 755 Studien zu onkologischen Interventionen eingeschlossen, bei denen Angaben zum primären Endpunkt dokumentiert waren und zu denen eine Publikation vorlag. Bei 145 der 755 Studien (19,2%) wurden Änderungen im primären Endpunkt festgestellt, die in einigen Fällen mehrere Arten der Änderung betrafen. Die häufigsten Arten der Änderung waren:
- Mindestens ein primärer Endpunkt wurde als sekundärer Endpunkt angegeben (33,8%);
- Die Definition des primären Endpunkts wurde geändert (32,4%);
- Ein sekundärer Endpunkt wurde zum primären Endpunkt (30,3%);
- Mindestens ein primärer Endpunkt wurde in der Veröffentlichung weggelassen (18,6%);
- In die Publikation wurde ein neuer primärer Endpunkt eingeführt (17,2%).
Von den 145 Studien mit Änderungen des primären Endpunkts wurde bei 102 (70,3%) nicht auf die Änderung in der zugehörigen Publikation hingewiesen. Am häufigsten waren Änderungen des primären Endpunkts identifizierbar, wenn verschiedene Versionen des Studienprotokolls zugänglich waren. Es gab keine Studien, bei denen die Änderung des primären Endpunkts ausschließlich durch das Lesen der Veröffentlichung entdeckt wurde. Bei 120 Studien war die Änderung des primären Endpunkts bei ClinicalTrials.gov dokumentiert; bei 63 der 120 Studien (52,5%) wurde die Änderung des primären Endpunkts nach dem Abschlussdatum der Studie vorgenommen. Studien mit Änderung des primären Endpunkts wurden häufiger nicht verblindet durchgeführt als Studien ohne Änderung des primären Endpunkts (85/145 = 58,6% vs. 309/610 = 50,7%; p = 0,052). Eine hinsichtlich multipler Variablen adjustierte Analyse zeigte, dass eine Änderung des primären Endpunkts mit einem positiven Ergebnis der Studie assoziiert war (Odds Ratio = OR: 1,86; 95%-Konfidenzintervall: 1,25-2,82; p = 0,003).
Die Autoren weisen auf verschiedene Einschränkungen ihrer Untersuchung hin. So basierten die Ergebnisse ausschließlich auf öffentlich zugänglichen Daten, und es sei nicht auszuschließen, dass einige Veränderungen des primären Endpunkts bei der initialen Registrierung bei ClinicalTrails.gov aus Versehen passierten. Außerdem betonen sie zu Recht, dass es verschiedene sinnvolle Gründe gibt, einen primären Endpunkt im Verlauf einer Studie zu verändern, beispielsweise weil es neue Sicherheitsinformationen zu einem Arzneistoff gibt oder neue Daten aus vergleichbaren Studien. Aus den öffentlich zugänglichen Daten war es den Autoren jedoch nicht möglich, die Gründe für die Änderungen nachzuvollziehen, und Nachfragen hierzu blieben unbeantwortet. Aus den Ergebnissen ergibt sich für die Autoren folgende Forderung: Medizinische Fachzeitschriften sollten verlangen, dass Änderungen des primären Endpunkts im Verlauf einer klinischen Studie in einer Publikation dokumentiert und Studienprotokolle in den verschiedenen Versionen zur Verfügung gestellt werden.