In der Reihe „Less is More“ ist im Juni ein „Research Letter“ im JAMA Intern. Med. zum häufigen Thema einer angeblichen Penicillinallergie erschienen ([1]). Darin wird das sogenannte „PEN-FAST Clinical Decision-making Tool“ zur Überprüfung einer von Patienten angegebenen Penicillinallergie vorgestellt und evaluiert. Das „Instrument“ soll dabei helfen, unter diesen Patienten im klinischen Alltag ohne größeren Aufwand solche mit einer tatsächlichen Penicillinallergie herauszufiltern.
Hintergrund ist, dass nur bei < 10% der Patienten mit berichteter Penicillinunverträglichkeit die allergologische Austestung positiv ist ([2]), also bei > 90% gar keine Allergie vorliegt. Eine vermeintliche Penicillinallergie kann dazu führen, dass die Patienten mit anderen, weniger angemessenen Antibiotika oder auch verzögert behandelt werden. Außerdem gibt es Hinweise, dass eine solche Fehlinformation vermehrt mit Antibiotikaresistenzen und Nebenwirkungen einhergeht ([2]).
Eine formale Allergiediagnostik (Prick-Test, intradermale oder orale Exposition) ist aufwändig und zeitintensiv. Daher wäre ein einfaches und zuverlässiges Instrument zur Diskriminierung von echter und fälschlich angenommener Penicillinallergie hilfreich. PEN-FAST ist ein solches Instrument, welches in jeder Praxis und Notaufnahme rasch angewendet werden könnte. Es wurde 2020 vorgestellt und stammt aus Australien. In einer ersten, multizentrischen Validierung mittels Allergietests an 622 australischen Patienten konnte nur bei 58 (9,3%) die angegebene Penicillinallergie bestätigt werden, und bei nur 17 von 460 Patienten (3,7%) mit einem PEN-FAST-Score von ≤ 2 (s.u.) war der Allergietest positiv ([3]). Hieraus errechnete sich für dieses Instrument ein negativ prädiktiver Wert (NPV) von 96,3% (95%-Konfidenzintervall = CI: 94-97). PEN-FAST wurde dann 2021 erstmals außerhalb von Australien anhand retrospektiver Daten von 142 Personen aus der Region Straßburg evaluiert ([4]). Der NPV bei dieser Untersuchung betrug 93% (CI: 77-99).
PEN-FAST fragt drei Informationen ab, zwei „Major“-Kriterien und ein „Minor“-Kriterium (s. Abb. 1):
- Ist die Reaktion vor < 5 Jahren aufgetreten?
- Sind aufgetreten: eine anaphylaktische Reaktion oder ein Angioödem oder eine schwere Hautreaktion wie Stevens-Johnson Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse oder ein akutes generalisiertes pustulöses Exanthem oder eine Systemreaktion mit Eosinophilie?
- Erforderte die Reaktion auf Penicillin eine medizinische Behandlung?
Personen mit 4-5 Punkten (vgl. Abb. 1) haben ein hohes Risiko für eine echte Penicillinallergie (ca. 50%); mit 3 Punkten besteht ein moderates (ca. 20%), mit 1-2 Punkten ein geringes (ca. 5%) und mit 0 Punkten ein sehr geringes Risiko (< 1%).
Nun wurde PEN-FAST erneut in einer retrospektiven Kohortenstudie mit 120 Patienten an der „Yale School of Medicine“ in New Haven, Connecticut, getestet. Die Patienten stellten sich in den Jahren 2020-2022 mit der Angabe Penicillinallergie in der dortigen Allergieambulanz vor. Das Ergebnis der Allergieaustestung wurde mit dem aus den anamnestischen Angaben ermittelten PEN-FAST-Score verglichen. Ziel der Studie war erneut, die Sensitivität, Spezifität, den NPV sowie das positive Wahrscheinlichkeitsverhältnis zu ermitteln.
Ergebnisse: Das mittlere Alter der Kohorte betrug 54 Jahre; knapp 80% waren Frauen, 60% hatten eine Anamnese für Atopie (40% Heuschnupfen, 23% Asthma, 22% Nahrungsmittelallergien). 88 Personen hatten einen PEN-FAST-Score ≤ 2 und 32 Personen ≥ 3. Nur 4 Personen (3,4%) mit berichteter Penicillinallergie hatten einen positiven Allergietest: 2 einen positiven Hauttest (beide PEN-FAST-Score 3) und 2 einen negativen Hauttest, aber eine Reaktion nach oraler Exposition (PEN-FAST-Score 3 und 5). Keine der Personen mit einem PEN-FAST Score ≤ 2 hatte einen positiven Allergietest. Hieraus errechneten die Autoren für den „Cutoff-Score“ von ≤ 2 eine Sensitivität von 100% (CI: 39,8-100), eine Spezifität von 75,9% (CI: 67,0-83,3), einen NPV von 100% (CI: 95,9-100) sowie ein Wahrscheinlichkeitsverhältnis von 4,14 (CI: 3,00-5,72). Der letzte Wert gibt an, um welchen Faktor das Ergebnis unter Erkrankten häufiger vorkommt als unter Gesunden.
Diskussion: Die Autoren erachten das PEN-FAST-Instrument als ausreichend gut geprüft, um bei einem Score ≤ 2 eine orale Penicillinbehandlung durchzuführen bzw. die „Penicillinallergie“ aus der individuellen Diagnose zu streichen („delabeling“). Als wichtigste Einschränkung nennen sie das retrospektive Studiendesign und einen möglichen Selektionsbias („referral bias“). Eine prospektive Evaluierung bei allen Patienten, bei denen eine Therapie mit Penicillin in Hausarztpraxen, Notaufnahmen und Narkoseambulanzen erwogen wird, wäre wünschenswert, bevor das Instrument generell empfohlen werden kann.