Die COPD (= Chronic Obstructive Pulmonary Disease) ist eine chronische, in der Regel progrediente Atemwegs- und Lungenerkrankung, die durch eine Obstruktion der Atemwege charakterisiert ist ([1], vgl. [2]). Ursache sind meist inhalative Noxen, die zu einer Entzündung der kleinen Atemwege sowie Destruktion des Lungenparenchyms mit zunehmender Emphysembildung führen. Betroffen sind überwiegend langjährige Raucherinnen und Raucher. Die Diagnose wird anhand der typischen Symptomkonstellation (Dyspnoe, Husten, Auswurf) und dem spirometrischen Nachweis einer Bronchialobstruktion gestellt. Therapeutisch am wichtigsten ist der vollständige Verzicht auf das Rauchen, denn nur mit völliger Abstinenz kann eine relevante Besserung der COPD erreicht werden ([1]). Zur symptomatischen Behandlung werden in erster Linie inhalative Bronchodilatatoren angewendet: Beta2-Sympathikomimetika und Anticholinergika. Exazerbationen mit einer Zunahme der Symptome können eine vorübergehende Anwendung von Glukokortikosteroiden erfordern. Entwickelt sich im Verlauf der Erkrankung eine respiratorische Insuffizienz, kann eine dauerhafte Sauerstofftherapie nötig werden.
Die „Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease“ (= GOLD) wurde 1997 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und vom US-amerikanischen National Institute of Health (NIH) initiiert, um weltweit die Diagnose, Behandlung und Prävention der COPD zu verbessern ([3]). Die Gründung wurde von mehreren großen pharmazeutischen Unternehmen finanziell unterstützt ([4]). Noch immer geben ohne Ausnahme alle Mitglieder der verschiedenen Gremien teils erheblich relevante Interessenkonflikte in Form finanzieller Verbindungen mit pharmazeutischen Unternehmern an ([5]). Nun hat GOLD seine letzte umfassende Revision aus dem Jahr 2017 aktualisiert ([6]). Der GOLD-Report 2023 kann zusammen mit einem “Pocket Guide” und einem “Teaching Slide Set” kostenlos von ihrer Website heruntergeladen werden. Zu den wichtigsten Empfehlungen und Änderungen gehören:
- Um das Bewusstsein für Formen der COPD zu schärfen, die nicht durch das Rauchen bedingt sind, wurde eine neue Klassifikation eingeführt. Dabei wird der Anfangsbuchstabe der Ursache angehängt: COPD-G (= genetisch bedingt, z.B. alpha1-Antitrypsin-Mangel), COPD-D (= „development“, bei Fehlentwicklung der Lunge), COPD-C (= Zigarettenrauchen, auch passiv), COPD-P (=“Pollution“, Umweltverschmutzung), COPD-I (= Infektionen, z.B. Tuberkulose assoziiert), COPD-A (= Asthma), COPD-U (= unbekannte Ursache).
- Die Definition der COPD wurde überarbeitet und lautet nun folgendermaßen: „Die COPD ist eine heterogene Lungenerkrankung, die durch chronische respiratorische Symptome (Dyspnoe, Husten, Auswurf und/oder Exazerbationen) aufgrund von Veränderungen der Atemwege (Bronchitis, Bronchiolitis) und/oder der Alveolen (Emphysem) gekennzeichnet ist, die zu einer anhaltenden, oft fortschreitenden Atemwegsobstruktion führen“ (eigene Übersetzung). Angaben zu Epidemiologie, Ursachen, Risikofaktoren und Diagnosekriterien werden im Unterschied zu früheren Definitionen nicht mehr berücksichtigt, sondern gesondert behandelt.
- Auch die Exazerbation der COPD wurde neu definiert, und zwar als „ein Ereignis, das charakterisiert ist durch eine Zunahme von Dyspnoe und/oder Husten und Auswurf über < 14 Tage und von Tachypnoe und/oder Tachykardie begleitet sein kann, häufig verbunden mit einer lokalen und systemischen Entzündung, die durch Infektionen der Atemwege, Umweltverschmutzung oder andere Beeinträchtigungen der Lunge verursacht wird“. Diese Definition enthält als Kriterium nicht mehr die Intensivierung der Therapie wie vorherige Versionen.
- Die ABCD-Klassifikation einer COPD aus früheren Auflagen wurde modifiziert, um die klinische Bedeutung von Exazerbationen adäquat zu berücksichtigen: Die Gruppen C und D werden zu einer Gruppe E (= Exazerbationen) zusammengelegt, die durch mindestens zwei moderate Exazerbationen charakterisiert ist, von denen mindestens eine zu einer Hospitalisierung führt. Patientinnen und Patienten mit weniger Exazerbationen werden den Gruppen A und B zugeordnet, zwischen denen anhand der Schwere der Symptomatik unterschieden wird, erhoben mit standardisierten Fragebögen. Weiterhin findet sich im GOLD-Report 2023 auch die Einteilung in GOLD 1-4 nach den spirometrischen Werten der Einsekundenkapazität (“forced expiratory volume in 1 second“ = FEV1), die für die Therapieentscheidung aber nicht ausschlaggebend ist.
- Zur Therapie wird unter anderem folgendes empfohlen:
- Gruppe A: Langwirksamer Beta-Agonist (LABA) oder langwirksamer Muskarin-Antagonist (LAMA) (unverändert);
- Gruppe B: LABA + LAMA (früher: Monotherapie);
- Gruppe E: LABA + LAMA; bei ≥ 300 Eosinophilen/µl kann zusätzlich schon initial ein inhalatives Glukokortikosteroid (ICS) erwogen werden (Triple-Therapie). LABA + ICS ohne LAMA werden im GOLD-Report 2023 nicht mehr empfohlen, unabhängig von der Zahl der Eosinophilen. Es findet sich aber der Hinweis, dass diese Therapie fortgesetzt werden kann, wenn Patientinnen und Patienten darunter gut eingestellt sind;
- Bei Patienten mit anhaltenden Exazerbationen trotz LABA + LAMA + ICS oder bei Patienten mit < 100 Eosinophilen/µl kann der Phosphodiesterase-4 (PDE4)-Hemmer Roflumilast erwogen werden (insbesondere bei Patienten mit chronischer Bronchitis und FEV1 < 50%) oder ein Makrolid wie Azithromycin (insbesondere bei Nichtrauchern, vgl. [7]);
- Für die initiale Therapie von Exazerbationen werden kurzwirksame Bronchodilatatoren empfohlen, außerdem Prednison (40 mg/d über 5 Tage). Eine antibiotische Behandlung wird bei vermehrtem und eitrigem Sputum empfohlen, ebenso wie bei den meisten Patienten unter mechanischer Beatmung (vgl. [7]).
Die pharmazeutische Industrie heißt den GOLD-Report 2023 willkommen ([8], [9]). Das ist möglicherweise auch dadurch begründet, dass neben der Intensivierung der Therapie eine Ausweitung der Diagnose eingeführt wird: Beispielsweise durch die Kategorie „pre-COPD“ für Menschen mit Symptomen oder pulmonalen Veränderungen, bei denen sich eine Obstruktion der Atemwege allerdings gar nicht nachweisen lässt. Die Ausweitung eines Krankheitsbegriffs ist ein typisches Kennzeichen von „Disease mongering“ oder Krankheitserfindung ([10], vgl. auch [11]). Dagegen fehlt im GOLD-Report 2023 ein Hinweis auf Untersuchungen, die eine Überdiagnose und Übertherapie der COPD zeigen (vgl. [12]).