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Hypothermie nach Reanimation?

Schon seit Jahrzehnten wird in Physiologischen Instituten und Kliniken die Frage untersucht, ob das Gehirn einen traumatischen oder hypoxischen Schaden besser übersteht, wenn es gekühlt wird. Zum Einfluß der Hypothermie auf die Erholung nach einem zerbralen Trauma gab es z.B. im N. Engl. J. Med. 1997 und 2001 zwei Untersuchungen, die zu gegensätzlichen Ergebnissen kamen. Die eine sah einen Nutzen (1), die andere nicht (2). Nun gibt es im N. Engl. J. Med. wieder zwei Arbeiten zu diesem Thema, die beide zum selben Ergebnis kommen: Hypothermie nach einer Reanimation wegen Kammerflimmerns, das außerhalb eines Krankenhauses aufgetreten ist und erfolgreich behandelt werden konnte, soll die Ergebnisse verbessern (3, 4).

Die erste Studie wurde unter der Leitung einer Wiener Arbeitsgruppe in mehreren europäischen Zentren für Notfallmedizin durchgeführt (3). Eingeschlossen wurden insgesamt 137 Patienten zwischen 18 und 75 Jahren, die außerhalb eines Krankenhauses wegen Kammerflimmerns auf dem Boden einer Herzerkrankung reanimiert worden waren und bei denen der Kreislauf in weniger als einer Stunde wiederhergestellt worden war. Sie mußten ohne Katecholamine kreislaufstabil sein, durften an keiner anderen ernsten Grund- oder Begleitkrankheit leiden oder in eine andere Studie eingeschlossen sein. Sie wurden randomisiert und zusätzlich zu den üblichen intensivmedizinischen Maßnahmen und Beatmung entweder mit einer Kühlmatratze auf 32-34°C gekühlt oder nicht. Die Begleitmedikation bestand aus Sedativa und Muskelrelaxanzien, um das Muskelzittern zu unterdrücken. Die demographischen und klinischen Daten in beiden Gruppen waren praktisch identisch. 41% der mit Hypothermie behandelten Patienten starben, 55% der Normothermen. 55% bzw. 39% konnten ohne wesentliche neurologische Ausfallerscheinungen zur Rehabilitation entlassen werden. Die Ärzte, die die Entlassungsfähigkeit feststellten, waren nicht darüber informiert, welcher Behandlungsgruppe die Patienten angehört hatten.

Die zweite Studie stammt aus Australien (4). Hier wurden mit etwa ähnlichen Einschlußkriterien 77 Patienten in der Aufnahmestation oder einer Intensivstation (wenn dort ein Bett vorhanden war!) randomisiert behandelt. Die Kühlung wurde ggfls bereits am Einsatzort mit Eispackungen begonnen. Die Zieltemperatur war eine ähnliche, auch die Begleitmedikation (Sedation und Relaxation). Hier konnten in der Hpothermie-Gruppe 49% ohne wesentliches neurologisches Defizit entlassen werden, ohne diese Behandlung nur 26%.

Ein Editorial in derselben Ausgabe des N. Engl. J. Med. von P.J. Safar (5) hebt die Bedeutung der in beiden Studien gleichlautend dargestellten Ergebnisse positiv hervor. Safar ist ein Anästhesist und Intensivmediziner, der schon vor Jahren in eigenen Untersuchungen die protektive Wirkung der Hypothermie auch in Tierversuchen nachgewiesen hat und sich jetzt über den neuerlichen Nachweis der praktischen Bedeutung des Verfahrens freuen kann.

Hoffentlich freut er sich nicht zu sehr: Immerhin waren die Patientenzahlen in beiden Gruppen relativ klein. Es wurde auch nur eine kleine Untergruppe der Reanimierten untersucht, und eine Verblindung der Ärzte, die schließlich den Erfolg bescheinigt haben, zur Gruppenzugehörigkeit der Patienten, wird natürlich nur unzureichend erreichbar gewesen sein.

Fazit: Auf endgültig überzeugende Beweise für die Überlegenheit der Hypothermie-Behandlung nach Reanimation müssen wir weiter warten. Die Körpertemperatur reanimierter Patienten steigt nicht selten im Verlauf der ersten Stunden und Tage oft erheblich an. Bei aller Skepsis können wir nun nach diesen Studien in der Meinung bestärkt sein, daß zumindest dieser Temperaturanstieg nicht hingenommen werden sollte, um die Erholung des Gehirns nicht zu gefährden.

Literatur

  1. Marion, D.D., et al.: N. Engl. J. Med. 1997, 336, 540.
  2. Clifton, G.L., et al.: N. Engl. J. Med. 2001, 344, 556.
  3. The Hypothermia after Cardiac Arrest Study Group: N. Engl. J. Med. 2002, 346, 549.
  4. Bernard, S.A., et al.: N. Engl. J. Med. 2002, 346, 557.
  5. Safar, P.J., und Kochanek, P.M.: N. Engl. J. Med. 2002, 346, 612.

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