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Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö: Brauchen wir wirklich Fidaxomicin?

Wir haben die therapeutischen Probleme bei Clostridium-difficile-assoziierter Diarrhö (CDAD) mehrfach dargestellt (1). Initial spricht die CDAD auf Metronidazol oder Vancomycin fast immer gut an, doch erleiden ca. 15-30% der Patienten Rezidive (2, 3). Neue Wirkstoffe oder Strategien, die die Rezidivrate senken, sind also dringend erwünscht. Über Fidaxomicin haben wir berichtet (4). Die betreffende klinische Studie und die Autoren wurden vom Hersteller Optimer Pharmaceuticals finanziert; einige Autoren haben darüber hinaus erhebliche Interessenkonflikte als Patentanwärter für Fidaxomicin (5). Kürzlich bescheinigte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Fidaxomicin beim Vergleich mit Vancomycin einen „beträchtlichen Zusatznutzen bei Patienten mit schweren und/oder rekurrenten Krankheitsverläufen von Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhöen“, bewertet also Fidaxomicin generell als Mittel der Wahl bei schwerer CDAD (6). Wie kommt es zu einer solchen Einschätzung, mit der nun die Referenten des pharmazeutischen Unternehmens in die Kliniken ausschwärmen, um Ein- und Umsatz des bisher nur sporadisch verwendeten sehr teuren Mittels zu steigern?

Zur Erinnerung: Eine 10-tägige Therapie mit Fidaxomicin (Tagesdosis = TD: 400 mg) kostet 2189,85 € und mit Vancomycin (TD: 750-2000 mg) 376,83-1130,49 €. Die Therapie mit Metronidazol (TD: 750-1000 mg) – vom G-BA als Vergleichstherapie bei weniger schweren Verläufen gewählt – kostet dagegen nur 17,52-29,90 € (6). Wie wir von Lesern erfahren, ist es üblich – vor allem in Krankenhäusern – Vancomycin-Lösungen aus Trockensubstanz noch kostengünstiger selbst herzustellen.

Fidaxomicin ist ein makrozyklisches Antibiotikum mit guter Wirksamkeit in vitro gegen klinische C.-difficile-Isolate (7). Ein Vorteil des Wirkstoffs – ähnlich wie bei Vancomycin – ist neben der geringen intestinalen Absorption die geringe Wirksamkeit gegen Bakterien der natürlichen Darmflora (8).

In die von uns besprochene multizentrische Studie aus den USA (5) wurden Patienten aufgenommen, die eine behandlungsbedürftige CDAD mit Diarrhö und Nachweis von Zytotoxin im Stuhl hatten. Es wurden also nicht nur besonders schwer Erkrankte eingeschlossen. Eine Gruppe wurde mit Fidaxomicin (200 mg zweimal täglich oral), die Vergleichsgruppe mit Vancomycin (125 mg viermal täglich oral) zehn Tage lang behandelt. Die niedrige Dosierung von Vancomycin ist bei nicht allzu schwerem Verlauf der CDAD vertretbar. Der primäre Endpunkt war das klinische Ansprechen, der sekundäre Endpunkt das Auftreten eines Rezidivs innerhalb von vier Wochen nach Ende der Therapie. Die Ansprechraten waren in beiden Gruppen gleich (88,2% vs. 85,8%). Es fand sich also kein Unterschied in der Wirksamkeit. Jedoch traten in der Fidaxomicin-Gruppe weniger Rezidive auf (13,3% vs. 24%; p = 0,004), allerdings nicht, wenn die CDAD durch einen besonders virulenten Stamm von C. difficile ausgelöst war (4, 5, 9). Ob das Ergebnis des sekundären Endpunkts dieser Studie auch in der Praxis von Bedeutung ist, ist nicht klar, insbesondere, wenn – wie bei schweren Verläufen und bei Rezidiven empfohlen – Vancomycin mit viermal 500 mg täglich höher dosiert wird (10, 11).

Eine Kosten-Nutzen-Analyse aus den USA kam zu dem Schluss, dass die Wirksamkeit von Fidaxomicin seine Mehrkosten nicht rechtfertigt (12). Mikrobiologische in-vitro-Studien haben ergeben, dass die Wirksamkeit von Fidaxomicin nach mehreren Passagen abnimmt (13). Es ist also auch bei Fidaxomicin eine Resistenzentwicklung zu erwarten.

Nun errechnet der Hersteller durch eine fragwürdige Post-hoc-Analyse der ursprünglichen Studie (4, 5) zusammen mit einer weiteren Zulassungsstudie (14) einen Überlebensvorteil in der Fidaxomicin-Gruppe (15). Ein Überlebensvorteil konnte aber in keiner der beiden Einzelstudien nachgewiesen werden (5, 14). Von den 1164 aus beiden Studien gepoolten Patienten sind 7 (1,2%) in der Fidaxomicin-Gruppe und 17 (2,9%) in der Vancomycin-Gruppe innerhalb der ersten zwölf Tage nach Beginn der Therapie gestorben (15). Es gab jedoch Unterschiede in den Patientencharakteristika, und die Vancomycin-Dosis wurde bei schweren Verläufen der CDAD offensichtlich nicht erhöht, was ethisch schwer zu vertreten ist.

Eine weitere Post-hoc-Analyse, auch von Autoren mit engen Verbindungen zum Hersteller, suggeriert für Patienten mit Karzinomen und CDAD bessere Heilungschancen der CDAD bei Einsatz von Fidaxomicin (16). In dieser Studie wurden die Patienten mit bösartigen Erkrankungen aus den gepoolten Daten der beiden Zulassungsstudien herausgegriffen und sowohl untereinander als auch mit Patienten ohne bösartige Erkrankung verglichen. Insgesamt wurden 183 Patienten mit bösartigen Erkrankungen identifiziert, von denen 87 mit Fidaxomicin und 96 mit Vancomycin behandelt worden waren. Nach vier Wochen waren Rezidive bei den mit Fidaxomicin Behandelten seltener. Die Letalität war in der Fidaxomicin-Gruppe jedoch nicht geringer.

Bei der Behandlung mit Fidaxomicin sind Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu beachten, die starke Hemmer von P-gp sind, wie z.B. Ciclosporin, Makrolide, Verapamil und Amiodaron (17). Fidaxomicin ist ein Substrat von P-gp, einem als Transportprotein fungierenden P-Glykoprotein.

Fazit: Bei der Abwägung von Nutzen und Kosten sehen wir derzeit keinen zwingenden Grund, Patienten mit Clostridium-difficile-assoziierter Diarrhö mit Fidaxomicin zu behandeln.

Literatur

  1. AMB 2006, 41,68a Link zur Quelle . AMB 2007, 41, 63a Link zur Quelle . AMB2007, 41, 87b Link zur Quelle . AMB 2010, 44, 12a. Link zur Quelle
  2. Bartlett, J.G.: Ann.Intern. Med.2006, 145, 758. Link zur Quelle
  3. Cloud, J.,und Kelly, C.P.: Curr. Opin. Gastroenterol. 2007, 23, 4. Link zur Quelle
  4. AMB 2011, 45,30a. Link zur Quelle
  5. Louie, T.J.,et al.: N. Engl. J. Med. 2011, 364, 422. Link zur Quelle
  6. http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1763/ Link zur Quelle . AMB 2013, 47,63b. Link zur Quelle
  7. Credito, K.L.,und Appelbaum, P.C.: Antimicrob. Agents Chemother. 2004, 48, 4430. Link zur Quelle
  8. Louie, T.J., et.al.: Antimicrob. Agents Chemother 2009, 53, 261. Link zur Quelle
  9. DuPont, H.L.:N. Engl. J. Med. 2011, 364, 473. Link zur Quelle
  10. Schneider, T., et.al.: Dtsch. Arztebl.2007, 104, A-1588. Link zur Quelle
  11. http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/ EpidBull/Merkblaetter/ Ratgeber_Clostridium.html Link zur Quelle
  12. Bartsch,S.M., et. al.: Clin. Infect. Dis. 2013, 57, 555. Link zur Quelle
  13. Leeds,J.A., et. al.: J. Antimicrob. Chemother. 2013, Jul 25. [Epub ahead of print]. Link zur Quelle
  14. Cornely,O.A., et al.: Lancet Infect. Dis. 2012, 12, 281. Link zur Quelle
  15. Crook, D.W.,et al.: Clin. Infect.Dis. 2012, 55 Suppl. 2, S93. Link zur Quelle
  16. Cornely,O.A., et al.: J. Clin. Oncol. 31, 2493. Link zur Quelle
  17. www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/NA/Archiv/201304-Dificlir.pdf Schlagwörter: , , , , , , , , , ,