Wir haben mehrfach über Ergebnisse der United Kingdom Prospective Diabetes Study Group (UKPDS) berichtet. Im AMB 1998, 32, 81 wurden die UKPDS-Publikationen 33 und 34 referiert, die zeigten, daß eine Blutzucker- und HbA1C-Senkung mittels Insulin, Sulfonylharnstoffen oder Metformin zu einer deutlichen Abnahme der Komplikationsraten bei Typ-2-Diabetikern führt, die mit Diät allein nicht befriedigend eingestellt werden können. Ähnliche Erfolge lassen sich nach den Ergebnissen von UKPDS 38 durch eine strikte Blutdruckkontrolle erreichen (AMB 1998, 32, 76a). In UKPDS 38 wurde in zwei verschiedenen Gruppen die Unterschreitung eines bestimmten Blutdruck-Grenzwerts angestrebt. Es zeigte sich, daß trotz der nur relativ geringen Unterschiede zwischen den erreichten mittleren Blutdruckwerten in den Zielgruppen (154/87 mm Hg vs. 144/82 mm Hg) bedeutende Unterschiede in Hinblick auf die Häufigkeit von Schlaganfällen, mikrovaskulären Komplikationen und Todesfällen insgesamt infolge des Diabetes resultierten.
Die Frage, ob es für die Risikoreduktion durch bessere Einstellung des Blutzuckers und des HbA1C bzw. des Blutdrucks irgendwelche Grenzwerte gibt, unterhalb derer sich ein Therapieversuch vielleicht gar nicht mehr lohnt, publizierte die UKPDS-Gruppe jetzt erneut zwei wichtige Studienergebnisse. Die UKPDS 35 (Stratton, I.M., et al.: Brit. Med. J. 2000, 321, 405) untersuchte die Abhängigkeit verschiedener Komplikationen des Diabetes mellitus vom mittleren HbA1C-Wert über durchschnittlich 10 Jahre bei 3642 Patienten mit vollständiger Dokumentation der Blutzuckerkontrolle und der Folgekrankheiten des Diabetes. Für die Kriterien Tod infolge des Diabetes, Myokardinfarkt, Retinopathie und alle diabetischen Komplikationen zusammengenommen, gab es eine kontinuierliche Steigerung des Risikos für Patienten mit mittleren HbA1C-Werten zwischen 5,5% und 10,5%. Umgekehrt ausgedrückt führte die Senkung des mittleren HbA1C-Wertes um einen Prozentpunkt während des Therapiezeitraums zu einer Risikoreduktion, wie sie in Tab. 1 aufgeführt ist. Hierbei wurde nicht auf besondere Maßnahmen zur HbA1C-Senkung (Diät, Tabletten oder Insulin) abgehoben. Die UKPDS 36 (Adler, A.I., et al.: Brit. Med. J. 2000, 321, 412) stellt die Ergebnisse der Komplikationsraten in Abhängigkeit vom mittleren systolischen Blutdruck während 10 Jahren bzw. den Effekt einer Blutdrucksenkung in diesem Zeitraum vor. Auch hier findet sich eine kontinuierliche Zunahme von Komplikationen (ohne erkennbaren Schwellenwert) mit steigenden systolischen Blutdruckwerten. Tab. 1 gibt die prozentuale Reduktion verschiedener Risiken wieder für jede Stufe der Senkung des systolischen Blutdrucks um 10 mm Hg.
Vergleicht man die Effektivität der Senkung des HbA1C-Wertes mit der des systolischen Blutdrucks so kann man schließen, daß – in Hinblick auf die Verminderung von Myokardinfarkt und Todesfällen insgesamt – eine Senkung des systolischen Blutdrucks um ca. 15 mm Hg einer Senkung des HbA1C-Wertes um einen Prozentpunkt äquivalent sein dürfte. Hingegen scheint für die Verhinderung der diabetischen Retinopathie die Senkung des HbA1C-Wertes effektiver zu sein als die Kontrolle des Blutdrucks.
In einem im gleichen Heft des Brit. Med. J. (2000, 321, 394) erschienenen Editorial von J. Tuomilehto aus Helsinki werden die wichtigen Ergebnisse dieser beiden Publikationen diskutiert und gewürdigt sowie weitere Publikationen zum Thema der Risikoreduktion durch verbesserte Blutzucker- und Blutdruckeinstellung bei Typ-2-Diabetikern referiert.
Fazit: Bei der Reduktion des Risikos diabetischer Komplikationen durch verbesserte Blutzucker- und Blutdruck-Einstellung gibt es keine Schwellenwerte. Jede Senkung des HbA1C-Werts bzw. des systolischen Blutdrucks von erhöhten Werten auf niedrigere Werte bis in den Normbereich ist mit einer proportionalen Reduktion diabetischer Folgeerkrankungen und Todesfälle assoziiert, wobei die mikrovaskulären Komplikationen (hier diabetische Retinopathie) besonders günstig durch eine striktere Kontrolle von Blutzucker und HbA1C beeinflußt werden.