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Stellenwert der radikalen Nephrektomie bei metastasiertem Nierenzellkarzinom

Zum Zeitpunkt der Diagnose liegt bei etwa 20% der Patienten mit Nierenzellkarzinom bereits eine Disseminierung mit z.B. Lungen- und Skelettmetastasen vor. Der Wert der radikalen Nephrektomie vor einer palliativen Immuntherapie mit Zytokinen ist unbekannt, da bisher zu dieser Frage Ergebnisse prospektiver, kontrollierter Studien nicht vorlagen. Theoretische Vorteile der Nephrektomie vor Immuntherapie umfassen u.a. die Entfernung einer großen und potenziell immunsuppressiven Tumormasse sowie die Verbesserung der „Lebensqualität“ durch Beseitigung tumorbedingter Symptome wie Hämaturie, Schmerzen und systemischer Manifestationen. Als mögliche Nachteile der Nephrektomie werden häufig eine Verzögerung der Immuntherapie mit raschem Wachstum der Metastasen in der postoperativen Phase und die mit der Operation verbundene Morbidität bzw. Letalität genannt. Im vergangenen Jahr sind zwei multizentrische Studien der European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) und der Southwest Oncology Group (SWOG) publiziert worden, deren Ergebnisse auf Grund des ähnlichen Studiendesigns zusammen interpretiert werden können (1, 2). In die europäische Studie wurden 83 Patienten aufgenommen und nach Randomisation in der Studiengruppe (n = 42) mit radikaler Nephrektomie plus Interferon alfa-2b (IFN-α2b; IntronA) und in der Kontrollgruppe (n = 43) nur mit IFN-α2b behandelt. In der amerikanischen Studie wurden 120 Patienten in den Arm Nephrektomie plus IFN-α2b und 121 Patienten in den Arm nur Immuntherapie mit IFN-α2b randomisiert. Die geplante Dosis von IFN-α2b betrug in beiden Studien 5,0 Mio. IU/m2 3 mal wöchentlich; die Immuntherapie sollte 52 Wochen (EORTC-Studie) oder bis zum Auftreten von Krankheitsprogreß oder inakzeptabler unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) fortgesetzt werden. Dosismodifikationen des IFN-α2b waren in beiden Studien erlaubt und wegen nicht-hämatologischer UAW auch häufig notwendig. Die Auswertung berücksichtigte alle randomisierten Patienten und erfolgte entsprechend der „Intention-to-treat-Analyse“. Primäre Endpunkte waren Überleben und Zeit bis zum Progreß der Erkrankung (EORTC-Studie) bzw. Überleben (SWOG-Studie). Sekundärer Endpunkt war das Ansprechen auf die Behandlung. Beide Studien zeigten einen signifikanten Vorteil im Überleben für Patienten der Studiengruppe (radikale Nephrektomie plus IFN-α2b): 17 Monate versus 7 Monate in der EORTC-Studie (p = 0,03) und 11,1 versus 8,1 Monate in der SWOG-Studie (p = 0,05). Der Überlebensvorteil nach Nephrektomie war auch in den Untergruppen (Allgemeinzustand: normale Aktivität versus eingeschränkt, meßbare Erkrankung: ja versus nein, Art der Metastasen: nur Lunge versus andere) erkennbar, die für die Stratifikation benutzt wurden. In der europäischen Studie fand sich für die Studiengruppe auch ein signifikanter Vorteil in der Zeit bis zum Progreß der Erkrankung, nicht jedoch in der Ansprechrate.

Fazit: Auf Grund der Ergebnisse zweier prospektiver, randomisierter Studien der EORTC bzw. SWOG kann die Tumornephrektomie vor Immuntherapie heute als Standardvorgehen bei geeigneten Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom empfohlen werden. Die optimale Immuntherapie (z.B. IFN und/oder Interleukin-2) ist weiterhin unklar (s.a. 3). Eine Chemoimmuntherapie (Kombination von Interleukin-2, IFN und 5-Fluorouracil) sollte bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom nicht verabreicht werden (s.a. 4).

Literatur

  1. Mikisch, G.H.J., et al.: Lancet 2001, 358, 966.
  2. Flanigan, R.C., et al.: N. Engl. J. Med. 2001, 345, 1655.
  3. AMB 1998, 32, 45b.
  4. AMB 2001, 35, 28b.