Wir haben mehrfach über die ACCORD-Studie berichtet, in der die Behandlungsergebnisse von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und manifesten kardiovaskulären Erkrankungen oder mehr als zwei kardiovaskulären Risikofaktoren mitgeteilt wurden (1-4). Eine strengere glykämische Einstellung führte zu höherer Letalität (weswegen dieser Teil der Studie vorzeitig beendet wurde), während der primäre Endpunkt (erstes Auftreten eines nicht-tödlichen Myokardinfarkts, eines nicht-tödlichen Schlaganfalls oder kardiovaskulärer Tod) praktisch unbeeinflusst blieb. Auch die intensivere Therapie der arteriellen Hypertonie oder die kombinierte Therapie des Fettstoffwechsels zeigten keinen günstigen Effekt auf den genannten primären Endpunkt. Nun wurden zwei weitere Auswertungen veröffentlicht (5, 6).
Die ACCORD Eye Study (5) war offen für Teilnehmer, bei denen zuvor weder eine Fotokoagulation noch eine Vitrektomie wegen einer proliferativen diabetischen Retinopathie durchgeführt worden war (n = 2856). Die Interventionen entsprachen denen der Hauptstudie. Zu Studienbeginn und nach vier Jahren wurden umfassende Untersuchungen der Augen und der Sehkraft durchgeführt, inklusive Fundusfotografie. Primärer Endpunkt der Substudie war die Kombination von Progression der diabetischen Retinopathie (≥ 3 Stufen auf der ETDRS Severity Scale) oder Fotokoagulation oder Vitrektomie wegen proliferativer Retinopathie. Beim primären Endpunkt zeigte sich ein Vorteil bei strengerer glykämischer Einstellung und bei kombinierter (Statin plus Fenofibrat) Beeinflussung der Blutlipide (s. Tab. 1). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass insgesamt nur bei 253 Patienten der Endpunkt auftrat, davon bei 175 lediglich eine Progression des Fundusbefundes, die keiner Intervention bedurfte. Es ist fraglich, ob dies klinisch relevant ist. Beim zweiten Endpunkt („Moderate vision loss”) zeigten sich jedoch keine statistisch signifikanten Unterschiede.
Eine weitere Auswertung (6) bezieht sich auf zwei kombinierte mikrovaskuläre Endpunkte, die allesamt sekundäre Endpunkte der ACCORD-Studie sind. Der erste kombinierte Endpunkt war Nierenversagen oder Fotokoagulation oder Vitrektomie wegen diabetischer Retinopathie. Der zweite kombinierte Endpunkt entsprach dem ersten, erweitert um einen Neuropathie-Score (Michigan Neuropathy Screening Instrument). Die Behandlungseffekte wurden für zwei verschiedene Zeitpunkte angegeben, einmal zum Zeitpunkt des Abbruchs desjenigen Studienteils, der die strengere mit der herkömmlichen glykämischen Einstellung verglich (nach einer medianen Studiendauer von 3,7 Jahren) und außerdem zum geplanten Studienende nach einer Beobachtungsdauer von 5,0 Jahren. Zu beiden Zeitpunkten fand sich bei beiden Endpunkten keine statistisch signifikante Beeinflussung durch die verschiedenen Therapieformen (s. Tab. 2). Bei einzelnen weiteren Endpunkten zeigten sich Ergebnisse, die die festgelegte Signifikanzgrenze unterschritten. Wegen der Vielzahl der Endpunkte und der fehlenden Adjustierung für multiples Testen können diese Resultate allerdings nicht als verlässlich angesehen werden.
Fazit: Auch diese Ergebnisse der ACCORD-Studie sind ernüchternd, vor allem bei den mikrovaskulären Endpunkten. Auch wenn man die Progression der diabetischen Retinopathie ohne notwendige Intervention als klinisch relevant akzeptiert, so bleibt doch die Entscheidung zu einer strengeren glykämischen Einstellung – einerseits höhere Letalität, andererseits geringere Retinopathie-Progression – schwierig und kann nur gemeinsam mit einem gut informierten Patienten getroffen werden. Der günstige Effekt der Statin-Fenofibrat-Kombination auf die Progression der Retinopathie sollte weiter untersucht werden.
Literatur
- AMB 2008, 42, 27. Link zur Quelle
- AMB 2008, 42, 59. Link zur Quelle
- AMB 2010, 44, 13. Link zur Quelle
- AMB 2010, 44, 29a. Link zur Quelle
- Chew, E.Y., et al. (ACCORD Eye study = Action to Control CardiOvascular Risk in Diabetes Eye study): N. Engl. J. Med. 2010, 363, 233. Link zur Quelle
- Ismail-Beigi, F., et al. (ACCORD = Action to Control CardiOvascular Risk in Diabetes study): Lancet 2010, 376, 419. Link zur Quelle