Zusammenfassung: In den letzten drei Jahren haben mehrere neue Arzneimittel zur Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mNZK) die Zulassung erreicht. Die Entwicklung dieser Substanzen beruht auf einem genaueren Verständnis der molekularen Pathogenese des NZK. Die meisten sind so genannte (Multi-)Kinase-Inhibitoren (Sunitinib, Sorafenib, Temsirolimus). Daneben wurde auch die Kombination Bevacizumab/Interferon alfa-2a zugelassen. In den zur Zulassung führenden Phase-III-Studien fand sich für die neuen Wirkstoffe ein Vorteil gegenüber der Standardtherapie bezüglich des progressionsfreien Überlebens. Subgruppenanalysen sprachen dafür, dass das Cross-over-Design der Studien den Effekt auf das Gesamtüberleben abgeschwächt hat. Nur für Temsirolimus, das bei Patienten mit ungünstigen Risikofaktoren untersucht wurde, ergab sich auch ein Vorteil im Gesamtüberleben. Die neuen Arzneimittel haben Wirkstoff-typische unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und sind sehr teuer. Offene Fragen zu den neuen Wirkstoffen wie z.B. Dosis-Wirkungs-Beziehung und optimale Therapiesequenz müssen unter Berücksichtigung von Nutzen, aber auch von gesundheitsökonomischen Aspekten in zukünftigen prospektiven, randomisierten kontrollierten Studien geklärt werden.
Das NZK hat eine Inzidenz von 15-22/100 000/Jahr, und ca. 5000 Menschen sterben jährlich in Deutschland daran. Die drei häufigsten histologischen Subtypen sind das klarzellige (60-80%), das papilläre (10-15%) und das chromophobe (5-10%) NZK. Die Langzeitprognose ist im metastasierten Stadium mit einem 5-Jahresüberleben < 10% ungünstig. Beim mNZK hat sich unter den verschiedenen klinischen Risikoscores zur Prognoseeinschätzung der Memorial Sloan Kettering Cancer Center (MSKCC)-Risikoscore international durchgesetzt (1). Die therapeutischen Optionen beim mNZK haben sich während der letzten Jahre wesentlich erweitert. Grundlage dieser Entwicklung war ein genaueres Verständnis der molekularen Pathogenese des klarzelligen NZK seit den 1990er Jahren. Ausgangspunkt war die Entdeckung, dass das von-Hippel-Lindau(VHL)-Tumor-Suppressorgen auf Chromosom 3p bei etwa 60-70% der Patienten mit klarzelligem NZK inaktiviert ist (2). Dieses Gen spielt eine zentrale Rolle bei der Degradation von Hypoxie-induzierbarem Faktor-alfa (HIF-alfa), einem Transkriptionsfaktor, der physiologischerweise unter hypoxischen Bedingungen die Expression verschiedener Wachstumsfaktoren induziert. Zu diesen das Zellwachstum und die Neoangiogenese fördernden Wachstumsfaktoren gehören Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), Platelet-Derived Growth Factor (PDGF) und Transforming Growth Factor-alfa (TGF-alfa). Die Inaktivierung des VHL-Tumor-Suppressorgens führt zur Überexpression von HIF-alfa und konsekutiv auch zur Überexpression dieser Wachstumsfaktoren. Die Rezeptoren für VEGF, PDGF und TGF-alfa werden sowohl auf Tumorzellen als auch auf (tumorversorgenden) Gefäßen exprimiert. Eine Ligand-Rezeptor-Interaktion führt zur Rezeptor-Autophosphorylierung und konsekutiv zur Aktivierung verschiedener intrazellulärer Signalwege wie Ras/Raf/Mek/Erk und PI3K/Akt/mTOR (mTOR= mammalian Target of Rapamycin). Die Aktivierung dieser Signalwege in Tumorzellen und Gefäßzellen führt schließlich zu gesteigerter Proliferation, verminderter Apoptose und Neoangiogenese im meist stark vaskularisierten NZK. Therapeutisch können diese Signalwege auf verschiedene Weise inhibiert werden (s. Abb. 1 und Tab. 1): 1. Inhibition der Interaktion des Wachstumsfaktors mit dem entsprechenden Rezeptor, z.B. durch den gegen VEGF gerichteten monoklonalen Antikörper Bevacizumab; 2. Inhibition der Rezeptor-Autophosphorylierung durch Kinaseinhibitoren wie Sunitinib und Sorafenib und 3. Inhibition von nachfolgenden Signaltransduktoren wie z.B. Raf (Sorafenib) und mTOR (Temsirolimus, Everolimus). Das bessere Verständnis der molekularen Pathogenese des NZK führte zur Entwicklung dieser neuen Wirkstoffe. Allerdings täuscht der häufig verwendete Begriff „Targeted therapy” darüber hinweg, dass die Kinaseinhibition keineswegs selektiv ist. Häufig werden nicht nur mehrere Kinasen („Multikinase-Inhibitoren”) gehemmt, sondern neben verschiedenen malignen Zielzellen auch Signalwege in normalen Zellen beeinflusst (Abb. 1). Das Nutzen-Risiko-Profil der in der letzten Zeit zugelassenen neuen Wirkstoffe, der Stellenwert der aktuellen Zytokin-basierten Therapien sowie sich daraus ergebende Therapieoptionen für die Erst- und Zweitlinientherapie sollen im Weiteren dargestellt werden.
Bevacizumab/Interferon alfa-2a (IFN alfa-2a): Bevacizumab (Avastinâ, Roche) ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der das VEGF-Protein bindet, neutralisiert und damit die VEGF-Wirkung am Rezeptor blockiert (s. Abb. 1 und Tab. 1). Bevacizumab wurde zunächst bei 116 Patienten mit mNZK in einer randomisierten Phase-II-Studie (3 mg/kg und 10 mg/kg alle zwei Wochen) mit Plazebo verglichen (3). Die Studie wurde vorzeitig beendet, nachdem sich unter Bevacizumab in der höheren Dosierung ein längeres Intervall bis zur Progression gezeigt hatte. Ein Unterschied im Gesamtüberleben fand sich in dieser Studie mit Cross-over-Design nicht. In einer nachfolgenden randomisierten Phase-III-Studie (AVOREN-Studie; 4) erhielten dann 649 Patienten mit klarzelligem NZK randomisiert Bevacizumab (10 mg/kg alle zwei Wochen) plus IFN alfa-2a (Roferon®; 9 Mio. U dreimal pro Woche) oder IFN alfa-2a (9 Mio. U dreimal pro Woche) als Erstlinientherapie. Die Patienten hatten einen Eastern Cooperative Oncology Group (ECOG)-Performance-Status von 0-2. 83% der Patienten gehörten zur niedrigen/intermediären Risikogruppe nach MSKCC, und alle waren nephrektomiert. Die Studie ergab eine höhere Ansprechrate für Bevacizumab/IFN alfa-2a im Vergleich zu IFN alfa-2a alleine (Gesamtansprechrate = ORR: 31% vs. 13%, komplette Remission = CR: 1% vs. 2%) sowie ein längeres progressionsfreies Überleben (PFS) von 10,2 vs. 5,4 Monaten. Im Gesamtüberleben (OS) ergab sich zum Zeitpunkt der Publikation kein signifikanter Unterschied, jedoch war das mediane OS der Bevacizumab/IFN-alfa-Gruppe noch nicht erreicht. Eine retrospektive, deshalb mit Vorsicht zu interpretierende Subgruppenanalyse dieser Studie ergab, dass ähnliche Ergebnisse auch mit einer reduzierten IFN-alfa-Dosierung (6 Mio. bzw. 3 Mio. U dreimal pro Woche) zu erzielen sind (5). Die Ergebnisse der AVOREN-Studie (4) wurden durch eine auf dem ASCO 2008 präsentierte randomisierte Phase-III-Studie der CALGB bestätigt (6). Diese Studie mit 732 Patienten hatte ein ähnliches Design. Zwar war die Nephrektomie kein Eingangskriterium, jedoch waren 85% der Patienten nephrektomiert. Die Ansprechrate war 25,5% im Kombinationsarm und 13,1% im IFN-alfa-Arm (CR 3,4% vs. 1,3%). Das PFS betrug 8,5 Monate im Kombinationsarm und 5,2 Monate im IFN-alfa-Arm. Bei einer Subgruppenanalyse schienen in dieser Studie nur Patienten mit einem niedrigen oder intermediären MSKCC-Score von der kombinierten Behandlung zu profitieren. Im Kombinationsarm fand sich zudem eine höhere Toxizität. Neben den von Zytokinen bekannten Grippe-artigen Symptomen wurden unter Bevacizumab in der AVOREN-Studie gehäuft Hypertonie (26% vs. 9%), Proteinurie (18% vs. 3%) und Blutungen (33% vs. 9%) beobachtet. Bevacizumab ist seit 2008 in Kombination mit IFN alfa-2a zur Erstlinienbehandlung von Patienten mit mNZK zugelassen. Die Kosten der kombinierten Therapie mit Bevacizumab und IFN alfa-2a betragen etwa 6.000 €/Monat. Damit ist diese Therapie die derzeit kostenintensivste beim mNZK. Die Zulassung von Bevacizumab für diese Indikation erfolgte 2008.
Sunitinib: Sunitinib (SU11248, Sutentâ, Pfizer) ist ein oral verfügbarer Inhibitor verschiedener Rezeptor-Tyrosinkinasen (RTK) wie VEGFR, PDGFR-alfa und -beta, Kit und Flt3 (7). Nach ermutigenden Ergebnissen in Phase-I/II-Studien wurde in der Erstlinientherapie eine prospektive randomisierte Phase-III-Studie gegen IFN alfa bei 750 Patienten mit metastasiertem klarzelligem NZK durchgeführt (8). 94% der Patienten gehörten zur niedrigen/intermediären Risikogruppe nach MSKCC und hatten einen ECOG-Performance-Status von 0 oder 1. 91% waren nephrektomiert. Die Patienten wurden randomisiert zwischen einer Therapie mit 50 mg/d Sunitinib (vier Wochen Therapie, zwei Wochen Pause) und IFN alfa-2a (9 Mio. U dreimal pro Woche). Wichtige Ergebnisse einer Zwischenanalyse dieser Studie mit Cross-over-Design waren beim Vergleich Sunitinib vs. IFN alfa eine verbesserte Ansprechrate (ORR: 31% vs. 6%; CR: 0% vs. 0%) sowie ein längeres PFS (11 vs. 5 Monate). Der Unterschied im OS war, möglicherweise aufgrund des Cross-over-Designs statistisch nicht signifikant. Eine aktuelle Auswertung der Studie beim Meeting der American Society of Oncology (ASCO) 2008 (9) ergab weiterhin einen nicht signifikanten Vorteil im OS unter Sunitinib (26,4 vs. 21,8 Monate; p = 0,051). In einer initial allerdings nicht geplanten Subgruppenanalyse von Patienten, die nur die primäre Studienmedikation erhalten hatten, fand sich hingegen ein hochsignifikanter Vorteil unter Sunitinib (28,1 vs. 14,1 Monate; p = 0,0033). Die Diskrepanz von PFS und OS ist ein generelles Problem, nicht nur von Studien mit Cross-over-Design, sondern auch von Studien in der Erstlinientherapie mit mehreren nachfolgenden therapeutischen Optionen (Zweit-/Drittlinientherapie). Beim Vergleich der Toxizitäten von Sunitinib mit IFN alfa-2a ist zu bedenken, dass bei Gabe von „Multikinase-Inhibitoren” häufig neue Wirkstoff-spezifische UAW beobachtet werden: Beim Vergleich Sunitinib vs. IFN alfa-2a werden UAW wie Fatigue (Grad 3/4: 7% vs. 12%), Asthenie (Grad 3/4: 4% vs. 4%) und Übelkeit (Grad 3/4: 3% vs. 1%) in ähnlicher Häufigkeit beobachtet, während andere deutlich häufiger unter Sunitinib auftreten. Zu letzteren gehören Diarrhö (Grad 3/4: 5% vs. 0%), Hypertonie (Grad 3/4: 8% vs. 1%), Stomatitis (Grad 3/4: 1% vs. 1%), Exanthem (Grad 3/4: 1% vs. 1%), Hand-Fuß-Syndrom (Grad 3/4: 5% vs. 0%), Haarverfärbung (alle Grade: 14% vs. 1%), Erbrechen (Grad 3/4: 4% vs. 1%), Nasenbluten (Grad 3/4: 1% vs. 0%), Neutropenie (Grad 3/4: 12% vs. 7%) und Thrombopenie (Grad 3/4: 8% vs. 0%). Häufiger als zunächst angenommen kommt es zu einer schweren Hypothyreose (10). Deshalb muss das TSH vor und während der Therapie kontrolliert werden. Seltener wurde eine kardiale Toxizität beobachtet (Grad 3/4: 2% vs. 1%). Ein Unterschied zugunsten von Sunitinib ergab sich für Fieber, Schüttelfrost, Myalgien und Grippe-artige Symptome. Eine Analyse der Lebensqualität (QOL) ergab im Vergleich mit IFN alfa einen signifikanten Vorteil für Sunitinib. Sunitinib ist in Deutschland für die Behandlung des mNZK zugelassen. Die Dosierung beträgt 50 mg/d p.o. (vier Wochen Therapie, zwei Wochen Pause). Die Therapie wird bis zum Progress oder intolerablen UAW fortgesetzt. Im Handel erhältlich sind Kapseln zu 12,5 mg, 25 mg und 50 mg. Bei relevanten UAW wird eine Dosisreduktion empfohlen. Die Kosten der Therapie mit Sunitinib betragen ca. 4.400 €/Monat.
Sorafenib: Sorafenib (BAY-43-9006, Nexavarâ, Bayer) ist ein weiterer, oral zu verabreichender „Multikinase-Inhibitor”, welcher ursprünglich als Hemmstoff der Serin/Threonin-Kinase Raf-1 entwickelt wurde. Sorafenib blockiert neben Raf-1 auch VEGFR, PDGFR, Kit und Flt3. In einer Phase-III-Studie mit 903 Patienten mit metastasiertem klarzelligem NZK wurde nach Versagen der vorwiegend Zytokin-basierten Standardtherapie 400 mg Sorafenib zweimal täglich mit Plazebo verglichen (TARGET-Studie; 11). Die Patienten mit niedriger/intermediärer MSKCC-Risikogruppe hatten einen ECOG-Performance-Status von 0 oder 1 und 90% waren nephrektomiert. Die ORR war in dieser Studie mit Cross-over-Design im Vergleich Sorafenib vs. Plazebo 10% vs. 2%. Im Sorafenib-Arm hatten mehr Patienten eine stabile Erkrankung (SD): 74% vs. 53%. Das PFS betrug 5,5 Monate im Sorafenib-Arm und 2,8 Monate mit Plazebo. Aufgrund einer ersten Zwischenanalyse, die im OS einen Vorteil im Sorafenib-Arm (HR = 0,72; p = 0,018) zeigte, wurde ein Cross-over von Plazebo zu Sorafenib erlaubt. In der Analyse, die anlässlich des ASCO Meetings 2007 präsentiert wurde, war das OS mit 17,8 vs. 15,2 Monaten nicht signifikant unterschiedlich. Bemerkenswert ist die Verlängerung des PFS durch Sorafenib trotz insgesamt sehr niedriger Ansprechrate. Als geeigneter klinischer Parameter für die Wirksamkeit von Sorafenib beim mNZK wird deshalb weniger das objektive Ansprechen als die Stabilisierung der Tumorerkrankung angesehen (11).
Unter Therapie mit Sorafenib traten folgende UAW häufiger auf: Diarrhö (Grad 3/4: 2% vs. 1%), Fatigue (Grad 3/4: 5% vs. 4%), Exanthem/Schuppung der Haut (Grad 3/4: 1% vs. < 1%), Hand-Fuß-Syndrom (Grad 3/4: 7% vs. 0%) und Hypertonie (Grad 3/4: 2% vs. <1%). Seltener wurde Kardiotoxizität beobachtet (3% vs. < 1%). Sorafenib ist in Deutschland für die Behandlung des mNZK zugelassen (nach Versagen einer Zytokintherapie oder bei Kontraindikationen für diese). Die Dosierung beträgt zweimal 400 mg/d p.o. Die Therapie wird bis zum Progress oder Auftreten intolerabler UAW fortgesetzt. Im Handel erhältlich sind Kapseln zu 200 mg. Bei relevanten UAW wird eine Dosisreduktion empfohlen. Die Kosten einer Therapie mit Sorafenib betragen ca. 4.400 €/Monat.
Temsirolimus: Temsirolimus (CCI-779, Toriselâ, Wyeth) ist ein i.v. zu verabreichender kompetitiver Inhibitor von mTOR. Temsirolimus wird zu Sirolimus, einem Makrolidantibiotikum mit immunsuppressiven Eigenschaften, auch bekannt als Rapamycin, metabolisiert. mTOR ist Teil des PI3K/Akt-Signalwegs, der eine wesentliche Rolle für Tumorzellüberleben und Neoangiogenese spielt (7). mTOR stabilisiert HIF-alfa und induziert somit ebenfalls eine Überexpression von VEGF, PDGF und TGF-alfa, die ihrerseits das Tumorwachstum fördern. Temsirolimus wurde in einer prospektiven randomisierten Phase-III-Studie bei 626 Patienten mit mNZK, ECOG-Performance-Status von 0-2 und ungünstigem Risikoscore als Monotherapie oder in Kombination mit IFN alfa eingesetzt. Als Vergleichsarm diente eine IFN-alfa-Monotherapie. Die Definition der Risikofaktoren war in dieser Studie nicht identisch mit dem MSKCC-Risikoscore. Nach MSKCC-Definition hatten im Temsirolimus-Arm ca. 70% der Patienten einen ungünstigen und 30% einen intermediären Risikoscore. In diese Studie wurden auch Patienten mit nicht-klarzelligem NZK (18%-19% je Arm) eingeschlossen. Die Patienten im Temsirolimus-Arm erhielten 25 mg/Woche als Infusion, die Patienten im Kombinationsarm 15 mg/Woche zusammen mit dreimal 6 Mio. U IFN alfa s.c. Im Standardarm wurde mit dreimal 18 Mio. U IFN alfa s.c. behandelt. Beim Vergleich Temsirolimus vs. Temsirolimus plus IFN alfa vs. IFN alfa fand sich wie bei Sorafenib nur eine sehr geringe Rate objektiver Remissionen (8,6% vs. 8,1% vs. 4,8%), jedoch war die Monotherapie mit Temsirolimus der IFN-alfa-Behandlung bezüglich PFS (5,5 vs. 3,1 Monate) und interessanterweise auch OS (10,9 vs. 7,3 Monate) signifikant überlegen. Der Kombinationsarm Temsirolimus plus IFN alfa erbrachte keinen Vorteil im Vergleich zu IFN alfa. Eine mögliche Erklärung könnte die niedrigere Temsirolimus-Dosierung sein. Damit ist Temsirolimus die einzige Substanz, die bisher einen geringen, aber signifikanten OS-Vorteil im Vergleich zur Standardtherapie in der Gruppe der Patienten mit ungünstigem Risikoscore gezeigt hat (12). Die wesentlichen UAW von Temsirolimus im Vergleich zu IFN alfa waren in dieser Studie Hautausschlag (Grad 3/4: 4% vs. 0%), Ödeme (Grad 3/4: 2% vs. 0%), Hyperglykämie (Grad 3/4: 11% vs. 2%), Hyperlipidämie (Grad 3/4: 3% vs. 1%), Infektionen (Grad 3/4: 5% vs. 4%) und Husten (Grad 3/4: 1% vs. 0%). Temsirolimus ist in Deutschland für die Erstlinienbehandlung des mNZK mit ungünstigem Risikoscore zugelassen. Die Therapie kostet ebenso wie für Sunitinib und Sorafenib ca. 4.400 €/Monat.
Zytokine: Auch wenn durch die Entwicklung der „Multikinase-Inhibitoren” während der letzten Jahre die Zytokin-basierten Therapien in den Hintergrund geraten sind, ist zu bedenken, dass lang anhaltende CR beim mNZK bislang nur unter diesen beobachtet wurden. Allerdings traten diese Langzeitremissionen nahezu ausschließlich in einer kleinen, anhand klinischer Parameter unzureichend definierten Subgruppe von Patienten mit günstigem Risikoscore auf. Der Nutzen in großen Patientenkollektiven mit mNZK ist deshalb äußerst begrenzt, dies insbesondere unter Berücksichtigung der bekannten UAW von Zytokinen (13). Unter einer Therapie mit Interleukin-2 (IL-2) in hoher Dosierung (600 000-720 000 U/kg alle acht Std. fünf Tage lang) wurden Langzeitremissionen mit einer Dauer von über 10 Jahren bei jüngeren Patienten mit gutem Risikoscore beschrieben (14, 15). In einer randomisierten Studie zeigte sich, dass eine hoch dosierte IL-2-Therapie im Vergleich zu niedrig dosiertem und s.c. appliziertem IL-2 zwar die Ansprechraten steigert (21% vs. 11% vs. 10%), nicht jedoch das OS im Gesamtkollektiv verlängert (16). Für eine Therapie mit IFN alfa ergab sich in zwei prospektiven randomisierten Studien ein geringer, jedoch signifikanter Vorteil im OS (17, 18). Eine Kombinationstherapie IL-2 plus IFN alfa vs. IL-2 vs. IFN alfa führte zu höheren Ansprechraten im Kombinationsarm (ORR: 19% vs. 7% vs. 8%), nicht jedoch zu einem Vorteil im OS (19). Eine auf dem ASCO Meeting 2008 vorgestellte große randomisierte Phase-III-Studie mit mehr als 1000 Patienten verglich eine Kombinationstherapie von IL-2 plus IFN alfa plus 5-FU vs. IFN alfa alleine. Es fand sich ebenfalls eine höhere Ansprechrate im Kombinationsarm (24% vs. 16%), nicht jedoch eine Verbesserung von PFS und OS (20). Darüber hinaus zeigte die PERCY-quattro-Studie (21), dass Patienten mit einem intermediären Risikoscore nicht von einer Zytokintherapie profitieren. Zusammenfassend sind Zytokintherapien weiterhin eine Option für Patienten mit mNZK und günstigem Risikoscore. Die Datenlage rechtfertigt in erster Linie eine Monotherapie, wobei sich in Europa IFN alfa durchgesetzt hat, während in den USA noch häufiger IL-2, z.T. auch in höherer Dosierung, angewendet wird.
Therapeutisches Vorgehen 2009. Welche Substanz? Welche Sequenz? Das bessere Verständnis der molekularen Pathogenese des NZK in den letzten Jahren hat zu mehreren neuen therapeutischen Optionen geführt, und dies bei einer Tumorerkrankung, bei der jahrzehntelang kaum therapeutische Fortschritte erzielt wurden. Gleichzeitig hat die Verfügbarkeit neuer molekularer Therapien aber auch zahlreiche Fragen aufgeworfen, die unbedingt in zukünftigen randomisierten kontrollierten Studien unter Berücksichtigung von „Lebensqualität” und gesundheitsökonomischen Aspekten (Kosten-Nutzen-Bewertung) noch beantwortet werden müssen (3, 8, 11, 12, 22). Hier sind unter anderen der Zeitpunkt des Beginns einer systemischen Therapie, die geeignete Dosierung der oben genannten Wirkstoffe, die Wahl der unter Nutzen-Risiko-Aspekten besten Therapieoption in der Erst- und Zweitlinienbehandlung sowie die optimale Therapiesequenz zu nennen. Ferner ist zu bedenken, dass die vorhandenen Daten zu den neuen Wirkstoffen meist aus Studien mit klarzelligem NZK und nach Tumornephrektomie gewonnen wurden. Obwohl es Daten aus Zytokin-basierten Therapiestudien gibt (23), die eine Tumornephrektomie vor Therapiebeginn stützen, ist ihr Stellenwert im Zeitalter der Kinaseinhibitoren noch nicht abschließend geklärt. Ein allgemein anerkannter Therapiealgorithmus für den Einsatz molekularer Therapien beim mNZK existiert bisher nicht (22). Aufgrund der vorhandenen Daten aus klinischen Studien und unter Berücksichtigung von MSKCC-Risikoscore und Zulassungssituation in Deutschland wird derzeit folgendes Vorgehen empfohlen (24, 25; s. Tab. 2): In der Erstlinientherapie gibt es mehrere Optionen. In der günstigen und intermediären Risikogruppe (nach MSKCC) können sowohl Sunitinib als auch Bevacizumab/IFN alfa eingesetzt werden. In der ungünstigen MSKCC-Risikogruppe sollte Temsirolimus der Vorzug gegeben werden, da ein Vorteil im OS gegenüber IFN alfa gezeigt werden konnte. In der Gruppe von Patienten mit günstigem Risikoscore nach MSKCC und sehr gutem Allgemeinzustand kann durchaus auch eine Zytokintherapie (IFN alfa oder IL-2, ggf. auch hoch dosiert IL-2 bei ausgewählten Patienten) diskutiert werden, da in dieser Gruppe ein kleiner Teil der Patienten eine lang andauernde CR erreichen kann. In der Zweitlinientherapie kann nach Vorbehandlung mit Zytokinen aufgrund der Datenlage eine Therapie mit Sorafenib empfohlen werden. Das Vorgehen in allen anderen Situationen ist durch Ergebnisse klinischer Studien weniger gut belegt. Speziell die Wirksamkeit von Kinaseinhibitoren nach anderen Kinaseinhibitoren (mit Ausnahme des noch nicht zugelassenen Everolimus, für das erste Daten aus einer Phase-III-Studie vorliegen) oder nach antiangiogenetischer Therapie muss durch prospektive randomisierte kontrollierte Studien noch gezeigt werden. Das bisher nur teilweise bekannte, breite Spektrum an UAW der antiangiogenetischen Wirkstoffe bzw. „Multikinase-Inhibitoren” ist besonders zu beachten, da eine rechtzeitige Erkennung, entsprechende Supportivtherapie typischer UAW (z.B. Hand-Fuß-Syndrom, Diarrhö, arterielle Hypertonie, Hypothyreose) und gegebenenfalls Dosisreduktion bzw. Therapiepause eine große Bedeutung für die Lebensqualität hat (26). Im Einzelfall sollte nach sorgfältiger individueller Abwägung auch „best supportive care” als Therapieoption diskutiert werden, insbesondere bei Patienten mit schlechtem ECOG-Performance-Status. In dieser Situation muss natürlich auch der Patient in die Therapieentscheidung einbezogen werden. Weiterhin muss bei Diagnose von Metastasen eines NZK vor Beginn einer systemischen Therapie die Möglichkeit der Metastasenchirurgie bedacht werden, da hierdurch, insbesondere bei solitären Metastasen und R0-Resektion, noch Heilungen zu erzielen sind (27). Bei ossärer Metastasierung haben auch Bisphosphonate einen Stellenwert.
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Metastasiertes Nierenzellkarzinom: Erratum und Ergänzung
In unserem Hauptartikel zur Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms wurde in Tab. 1, Spalte „Einfluss auf PFS/OS” für Sorafenib (NexavarÒ) versehentlich eine Verlängerung des Gesamtüberlebens angegeben (1). Richtig ist jedoch, dass weder für Sorafenib noch für Sunitinib (SutentÒ) in den prospektiven randomisierten Phase-III-Studien bisher eine statistisch signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens im Vergleich zu Interferon alfa bzw. Plazebo gezeigt werden konnte. Die von den Herstellern immer wieder behauptete Verlängerung der Überlebenszeit (z.B. 2) bezieht sich auf Subgruppen- bzw. Zwischenanalysen.
Inzwischen wurde in einem Rote-Hand-Brief des Herstellers von Temsirolimus (ToriselÒ) über z.T. lebensbedrohliche Überempfindlichkeits-/Infusionsreaktionen bei Anwendung von Temsirolimus berichtet, die meistens während der ersten Infusion aufgetreten waren. Die Fachinformation wurde geändert und wird nach Freigabe durch die Europäische Kommission neue Hinweise zu empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen enthalten (3).
Literatur
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- Berliner Ärzteblatt (Rotes Blatt) 2009, 59, 23.
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