Methodische Probleme der UKPDS-Folgestudie zum Diabetes mellitus Typ 2
Dr. A.L. aus Korbach und Dr. G.E. aus Bremen schreiben: >> Ihr Artikel zu den Ergebnissen der UKPDS-Folgestudie (1) hebt sich wohltuend von der tendenziösen Berichterstattung in der übrigen Fachpresse zu diesem Thema ab. Allerdings bleiben ein paar Ungereimtheiten, auf die wir im Folgenden eingehen wollen:
1. Grundsätzlich sind solche Follow-up-Studien sehr schwierig zu interpretieren. Die ursprünglichen Randomisierungsbedingungen gelten nicht mehr weiter. Es bleibt damit völlig unklar, welche Störgrößen (Confounder) in einer solchen Studie – nunmehr nur noch als Kohortenstudie mit einem Evidenzlevel von 2 geltend – eine Rolle spielten, die das Ergebnis verzerren könnten.
2. So gibt es beispielsweise während der Nachbeobachtungsphase folgenden Verzerrungseffekt (bias): Die unbehandelte Kontroll-Gruppe wird bei einer Freigabe der Behandlung während der Nachbeobachtungsphase und der Vorgabe „to lower levels of blood glucose… as much as possible” mit hoher Wahrscheinlichkeit eher alternative blutzuckersenkende Therapien erhalten als die Gruppe, die mit Sulfonylharnstoff, Insulin oder Metformin behandelt wurde/wird. Möglicherweise schadet dies mehr, als es nützt; aktuelle Untersuchungen unterstützen diese Annahme. Infolgedessen wird in der Folgestudie der Nutzen der Therapie in der Interventionsgruppe systematisch überschätzt.
3. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von 25-65 Jahren. Für alle Patienten über 65 Jahre, bei denen mit einer Diabetestherapie begonnen wird, sind die Aussagen nicht ohne weiteres zu übertragen. Diese Altersgruppe stellt aber einen beträchtlichen Teil der primär zu versorgenden Patienten dar. Vor dem Hintergrund möglicher Nachteile einer Therapie (siehe Punkt 6) erscheint ein fehlender Hinweis auf diese Einschränkung fahrlässig.
4. Unwahrheiten werden auch durch ständiges Wiederholen bzw. durch Verallgemeinern nicht wahr. Die angebliche Senkung der „mikrovaskulären Diabetesfolgen” in UKPDS 33 beruht in Wahrheit a) auf einem nachträglich eingeführten Endpunkt (methodisch nicht korrekt) und b) überwiegend auf einer Reduktion von retinalen Laserkoagulationen.
5. Die vom Autor der Studie erwähnten Einschränkungen (u.a. Nicht-Erfassen relevanter Endpunkte) sollten bei einer Studien-Interpretation nicht unerwähnt bleiben.
6. Schließlich muss darauf hingewiesen werden, dass in der ursprünglichen, randomisierten Studie UKPDS 33 unerwünschte Wirkungen in Form schwerer Hypoglykämien (Hilfe Dritter erforderlich) mit 5% unter Sulfonylharnstoffen und mit 22% unter Insulin deutlich häufiger vorgekommen waren. <<
Antwort: >> Die Kollegen aus Korbach und Bremen haben mit den kritischen Aussagen zu den Follow-up-Auswertungen der UKPD-Studien in mancher Hinsicht recht. Sowohl die Studien selbst wie auch die Nachbeobachtungsdaten sind umfangreich und kompliziert, und wir konnten sie nicht in allen Einzelheiten diskutieren. Immerhin ergab sich hinsichtlich des „Legacy-Effekts“ ein überzeugender Unterschied zwischen den Studienarmen Blutzuckersenkung und Blutdrucksenkung. Nach initial deutlicher Blutzuckersenkung blieb der Gruppenunterschied zu Gunsten der intensiv behandelten Patienten in der Nachbeobachtungsphase erhalten, bei den Hypertonikern nicht. Die Ursache für diesen Effekt bleibt unklar. Präzise Analysen der Behandlung in der Nachbeobachtungsphase fehlen. Die Empfehlungen für das praktische therapeutische Vorgehen müssen sich nach den Ergebnissen dieser UKPDS-Veröffentlichung nicht ändern. <<
Literatur