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Auftreten der Heparin-induzierten Thrombozytopenie Typ II in Abhängigkeit von einer vorausgegangenen Behandlung mit Heparin

Wir haben in den vergangenen Jahren wiederholt über die pathophysiologischen Grundlagen der immunologisch vermittelten Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) Typ II (Bildung von IgG-Antikörpern gegen multimolekulare Komplexe bestehend aus Plättchenfaktor 4 und Heparin), über deren Diagnostik und über neue Behandlungsmethoden berichtet (vgl. AMB 1996, 30, 39; 85; 1997, 31, 16; 1998, 32, 25). In einer kürzlich publizierten, interessanten klinischen Studie (Warkentin, T.E., und Kelton, J.G.: N. Engl. J. Med. 2001, 344, 1286) wurde der zeitliche Zusammenhang zwischen Heparin-Therapie und Auftreten der HIT Typ II bei ingesamt 243 Patienten mit serologisch gesicherter HIT (Nachweismethoden: 14C-Serotonin-Freisetzungstest, Enzymimmunoassay zum Nachweis Heparin-abhängiger Antikörper) untersucht. Bei 170 dieser Patienten wurde ein typischer Verlauf der HIT mit Abfall der Thrombozyten ³ 4 Tage, meistens zwischen Tag 5 und 10, nach Beginn der Heparin-Therapie beobachtet. 47 dieser Patienten waren definitiv zuvor und 49 möglicherweise mit Heparin behandelt worden. Bei 73 Patienten trat die HIT sehr rasch nach Beginn der Heparin-Therapie auf (Median: 10,5 Stunden). Alle diese Patienten, jedoch nur 16 der 47 Patienten mit typischem Auftreten der HIT, hatten während der vorausgegangenen 100 Tage bereits Heparin erhalten. Thrombotische Komplikationen traten während der Heparin-Gabe oder nach Absetzen des Heparins bei 120 Patienten (71%) mit zeitlich typischem Auftreten der HIT und bei 50 Patienten (68%) mit raschem Thrombozytenabfall auf. Von 8 der Patienten mit raschem Auftreten der HIT waren Blutproben vor Beginn der Heparin-Therapie verfügbar, die in allen Fällen Heparin-abhängige Antikörper enthielten. Auswertungen bei insgesamt 7 Patienten mit serologisch gesicherter HIT in der Anamnese, die anschließend erneut mit Heparin behandelt wurden, ergaben, daß keiner dieser Patienten bei der zweiten Therapie mit Heparin eine HIT entwickelte und Heparin-abhängige Antikörper im Serum nur bei einem von 6 diesbezüglich untersuchten Patienten nachgewiesen werden konnten.

Fazit: Ein rasches Auftreten der HIT Typ II ist praktisch immer auf eine zuvor (innerhalb von 100 Tagen) erfolgte Heparin-Therapie zurückzuführen. Bei Patienten mit HIT Typ II in der Anamnese sollten vor erneuter Heparin-Gabe Heparin-abhängige Antikörper im Serum ausgeschlossen und das Vorliegen einer zwingenden Indikation für Heparin (z.B. kardiovaskuläre operative Eingriffe) überprüft werden. Die Autoren dieser klinischen Studie empfehlen darüber hinaus, in dieser Situation Heparin nur während der operativen Phase zu verabreichen und durch alternative Antikoagulanzien (z.B. Hirudin, Danaparoid) postoperativ zu ersetzen.