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Antibiotische Prophylaxe einer Borreliose nach Zeckenbiß ist in der Regel nicht sinnvoll

Im Westchester County des Staates New York, USA, ist die Inzidenz der Lyme-Borreliose (Borrelia burgdorferi) mit einem Fall auf 1000 Einwohner/Jahr sehr hoch. In diesem County führten R.B. Nadelman et al. (N. Engl. J. Med. 2001, 345, 79) eine Prophylaxe-Studie durch. Von 1987 bis 1996 wurden insgesamt 482 Personen, bei denen innerhalb der letzten 72 Stunden eine Zecke des Typs Ixodes scapularis aus der Haut entfernt worden war, entweder mit einer einmaligen Dosis Doxycyclin (200 mg) oder mit Plazebo doppeltblind randomisiert behandelt. Erstes Auswertungskriterium war das Auftreten eines Erythema migrans an der Bißstelle; weitere Kriterien war ein Erythema migrans an einer anderen Stelle oder eine Serokonversion bei Personen, die am Tag des Einschlusses in die Studie seronegativ waren. Die entfernten Zecken wurden von einem Spezialisten inspiziert. Registriert wurde, ob es sich um Nymphen oder um erwachsene Tiere handelte und ob sie mehr oder weniger stark mit Blut vollgesogen waren.

Nur bei 8 von 247 Probanden (3,2%) der Plazebo-Gruppe trat ein Erythema migrans auf. In der behandelten Gruppe fand sich nur bei einer von 235 Personen dieses Symptom (0,4%). Ein Erythema migrans trat nur dann auf, wenn der Patient von einer Nymphe wenigstens 72 Stunden vorher gebissen worden war und wenn diese bereits mit etwas Blut gefüllt war. In anderen Fällen war die Inzidenz null. Bei keiner der gebissenen Personen – auch nicht bei den Patienten der Plazebo-Gruppe, die ein Erythema migrans entwickelt hatten und die dann allerdings antibiotisch behandelt wurden – traten darüber hinausgehende Zeichen einer Borreliose auf.

Der Unterschied der Inzidenz eines Erythema migrans in der Verum- versus der Plazebo-Gruppe ist mit p < 0,04 signifikant. Die Behandlungseffektivität wurde mit 87% berechnet. Hieraus ergibt sich aber noch keine automatische Indikation für die weltweite Durchführung einer solchen Prophylaxe, was aus einem Editorial im gleichen Heft des N. Engl. J. Med. (2001, 345, 133) von E.D. Shapiro aus New Haven, USA, hervorgeht. Shapiro verweist darauf, daß die Doxycyclin-Prophylaxe nur in Gegenden sinnvoll ist, in denen, wie im Westchester County des Staates New York, die Borreliose hyperendemisch ist. Das trifft nur für wenige Staaten der USA zu und für sehr wenige Gegenden außerhalb der USA. In Europa und Asien wird die Borreliose durch andere Bakterien verursacht (Borrelia afzelii und garinii), und die übertragenden Vektoren sind Ixodes ricinus bzw. persulcatus. Keineswegs steht, wie in der hier beschriebenen Studie, immer ein geschulter Insektenforscher für die Identifizierung der Zecken zur Verfügung. Häufig würden von weniger erfahrenen Ärzten alle möglichen Käfer, Wanzen, Läuse und Spinnen für Zecken gehalten. Sinnvoll sei der Versuch einer Prophylaxe lediglich, wenn zumindest eindeutig identifizierte Zecken im gering bis stark vollgesogenen Zustand von der Haut entfernt werden und wenn bekannt ist, daß die Durchseuchung der Zecken in der betreffenden Region mit infektiösen Borrelien signifikant ist. Ansonsten sei es sinnvoller, die Hautstelle, an welcher der Biß erfolgte, sorgfältig zu beobachten, bei Auftreten eines Erythema migrans oder einer anderen entzündlichen Reaktion einen immunologischen Test (ELISA) durchzuführen und anschließend gezielt antibiotisch zu behandeln. Diese antibiotische Behandlung ist hocheffektiv und verhindert eine chronische Borreliose mit hoher Wahrscheinlichkeit. In der Studie von Nadelman et. al. hatten im übrigen 30% der Probanden, die Doxycyclin eingenommen hatten, Übelkeit und Magenbeschwerden, vermutlich weil sie das Medikament auf nüchternen Magen genommen hatten. Doxycyclin sollte immer nach dem Essen eingenommen werden.

Fazit: Nur in hyperendemischen Regionen ist eine Antibiotika-Prophylaxe mit Doxycyclin nach Entfernung einer eindeutig identifizierten und zumindest mit etwas Blut gefüllten Zecke zur Borreliose-Prophylaxe sinnvoll. Für Deutschland dürfte dies nur sehr begrenzt zutreffen.