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Lovastatin, cui bono?

Das C-reaktive Protein (CRP), ein überwiegend in der Leber gebildetes Akutphasen-Protein, wird bei entzündlichen Erkrankungen vermehrt synthetisiert. Eine Reihe von Studien zeigt, daß Patienten mit Atherosklerose oft ein erhöhtes C-reaktives Protein haben und daß diese Konzentrationserhöhung mit vermehrtem Auftreten von Herzinfarkt und Schlaganfall assoziiert ist (1-3). Statine senken nicht nur das Serum-Cholesterin, sondern auch die Konzentration des C-reaktiven Proteins. Beide Wirkungen sind unabhängig voneinander (4, 5).

In Texas wurde zwischen 1990 und 1998 eine randomisierte, plazebokontrollierte Studie zur primären Prävention der Koronaren Herzkrankheit mit Lovastatin an 6605 Patientinnen und Patienten durchgeführt (6). Die mediane Konzentration des LDL-Cholesterin war bei diesen Patienten 149,1 mg/dl und die mediane Konzentration des CRP 0,16 mg/dl. Nach etwa fünf Jahren wurde der Effekt von Lovastatin auf LDL-Cholesterin, CRP-Konzentration und das Auftreten von ersten Hinweisen auf eine Koronare Herzkrankheit untersucht. Es zeigte sich, daß Lovastatin in der Lage ist, die LDL-Konzentration und das Risiko des Auftretens einer Koronaren Herzkrankheit zu senken. Trotzdem hat sich diese primäre Prävention nicht durchsetzen können, weil der Effekt – außer bei Hochrisiko-Gruppen – zu gering ist. Nun hat dieselbe Arbeitsgruppe (7) die Daten von 5742 Teilnehmern der Studie nochmals aufgearbeitet, bei denen sowohl die Daten des Cholesterins als auch des CRP vollständig vorlagen. Es wurden insgesamt sechs Gruppen gebildet mit unterschiedlichen Konzentrationen von LDL-Cholesterin bzw. CRP (s. Tab. 1). Untersucht wurde in allen Gruppen – unter Lovastatin bzw. Plazebo – die Häufigkeit von Hinweisen auf eine Koronare Herzkrankheit. Während der Untersuchungsdauer – im Mittel etwa fünf Jahre – war die Inzidenz koronarer Ereignisse, wie bei einer Studie zur Primär-Prävention nicht anders zu erwarten, insgesamt niedrig: nämlich zwischen 2,2% und 5,5% und am höchsten bei den Patienten mit erhöhtem LDL plus erhöhtem CRP (5,5%). Der Effekt von Lovastatin wird als Relatives Risiko mit Konfidenzintervallen angegeben. Wenn das Konfidenzintervall die Zahl 1 nicht überschreitet, ist der Effekt signifikant. Es zeigte sich, daß ein präventiver Effekt nur bei Patienten mit hoher LDL-Konzentration nachzuweisen ist. Bei Patienten mit niedriger LDL-Konzentration war die Inzidenz der Ereignisse zwar höher bei gleichzeitig erhöhtem CRP aber auch bei dieser Gruppe konnte Lovastatin keine über alle Zweifel erhabene Wirkung erzielen. Andererseits war Lovastatin bei Patienten mit niedrigem LDL plus niedrigem CRP präventiv sicher wirkungslos.

Ein heute gebräuchliches Maß für die Wirksamkeit einer Prophylaxe ist die Angabe der Anzahl von Patienten, die behandelt werden müssen, um einem Patienten das jeweils untersuchte Ereignis zu ersparen (Number needed to treat). Auch bei dieser Betrachtungsweise zeigte sich, daß die Wirksamkeit im wesentlichen auf die Patienten mit erhöhter LDL-Konzentration beschränkt ist. Allerdings ist der Effekt bei den Patienten mit niedriger LDL-Konzentration plus hohem CRP fast ebenso groß wie bei den Patienten mit hoher LDL-Konzentration. Die Autoren fassen daher die Ergebnisse ihrer Untersuchung folgendermaßen zusammen: Die Statin-Therapie ist möglicherweise auch wirksam bei Patienten mit relativ niedriger LDL-, aber höherer CRP-Konzentration.

In der Fußnote der genannten Arbeit (7) sind neben den speziellen Patienten noch weitere potentielle Nutznießer genannt: ein Autor besitzt ein Patent auf ein Verfahren zur Bestimmung der CRP-Konzentration, und die Studie wurde unterstützt von der Herstellerfirma von Lovastatin.

Fazit: Lovastatin senkt die Ereignisrate im Rahmen der primären Prävention der Koronaren Herzkrankheit. Die Ereignisrate ist aber insgesamt so niedrig, daß sich hier die Frage erhebt, ob die statistische Signifikanz klinisch überhaupt relevant ist. Es ist auch fraglich, ob eine erhöhte CRP-Konzentration bei Patienten mit niedriger LDL-Konzentration eine Situation kennzeichnet, in der mit Lovastatin behandelt werden sollte. Es bleibt also dabei: Zurückhaltung in der primären Prävention! Nur dann, wenn mehrere Risikofaktoren zusammenkommen, vor allem Hypercholesterinämie, Hypertonie, Diabetes mellitus und Rauchen ist eine Senkung des Cholesterins sicher indiziert. Zurückhaltung in der Primär-Prophylaxe, die sich ja meist über einen sehr langen Zeitraum erstrecken müßte, ist im übrigen auch ein guter Schutz vor unerwünschten Arzneimittelwirkungen.

Literatur

1. Ridker, P.M., et al.: N. Engl. J. Med. 1997, 336, 973.
2. Ridker, P.M., et al.: N. Engl. J. Med. 2000, 342, 836.
3. Koenig, W., et al.: Circulation 1999, 99, 237.
4. Ridker, P.M., et al.: Circulation 1999, 100, 230.
5. Ridker, P.M., et al.: Circulation 2001, 103, 1191.
6. Downs, J.R., et al.: JAMA 1998, 279, 1615.
7. Ridker, P.M., et al. (AFCAPS/TexCAPS = Air Force/Texas Coronary Atherosclerosis Prevention Study): N. Engl. J. Med.2001, 344, 1959.

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