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Rifaximin zur Prophylaxe von Reisediarrhö in Mexiko

Reisediarrhö in subtropischen Ländern wird zu einem Teil (ca. 20%) durch Enterotoxin-produzierende Escherichia-coli-Stämme verursacht. Die Reisediarrhö ist eine selbst-limitierende, meist harmlose Erkrankung (s.a. 1). Sehr häufig wird zur Behandlung von Reisediarrhö der Opioid-Agonist Loperamid angewendet, der die Darmmotorik und die intestinale Flüssigkeitssekretion hemmt. Bei bakterieller Enteritis mit Fieber und eventuell blutiger Diarrhö ist Loperamid jedoch kontraindiziert (2). Manifeste Reisediarrhö ist effektiv mit Antibiotika, wie Levofloxacin oder Azithromycin, behandelbar, jedoch sollte diese systemische Antibiotikatherapie sparsam eingesetzt werden, um Resistenzentwicklung zu vermeiden. Rifaximin ist zur Behandlung aber nicht zur Prophylaxe der Reisediarrhö zugelassen. Zurzeit wird eine antibiotische Prophylaxe der Reisediarrhö nur für Risikopatienten (Patienten mit schweren Grunderkrankungen), die einen Aufenthalt in diesen Gebieten nicht vermeiden können, empfohlen.

H.L. DuPont et al. aus Houston, Texas, untersuchten auf Ersuchen der herstellenden Firma an 210 Studenten aus den USA, die sich im Sommer 2003 für einige Wochen in einer Summer school in Guadalajara, Mexiko, aufhielten, die prophylaktische Wirkung hinsichtlich Diarrhö des Antibiotikums Rifaximin (R), das nur zu < 0,4% resorbiert wird und das mit Rifampicin verwandt ist (3). R hemmt die bakterielle RNA-Synthese, ist wirksam gegen Reisediarrhö in Mexiko, Jamaika, Guatemala und Kenia (3) und wurde kürzlich in den USA für die Behandlung der Reisediarrhö zugelassen. Die Studenten wurden in den Familien, bei denen sie wohnten, und in Restaurants verpflegt. Zunächst wurden ihnen allgemeine Empfehlungen zur Vermeidung von Diarrhö gegeben, und sie wurden innerhalb von drei Tagen nach Ankunft einer der folgenden Prophylaxe-Gruppen per Randomisierung und doppeltblind zugeteilt: Gruppe 1: Eine Tabl. R zu 200 mg zu einer Mahlzeit; Gruppe 2: Zwei Tabl. R zu zwei Mahlzeiten; Gruppe 3: drei Tabl. R zu drei Mahlzeiten; Gruppe 4: Drei Tabl. Plazebo zu drei Mahlzeiten. Gruppe 1 und 2 erhielten zu den Mahlzeiten ohne Einnahme von R ein Plazebo. Die Interventionsdauer betrug zwei Wochen. Primärer Endpunkt war das Auftreten von Diarrhö mit mindestens drei Entleerungen/d plus eins oder mehrere der folgenden Symptome: Bauchkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen, Fieber > 37,8 ºC, Tenesmen und Blut im Stuhl. Leichtere Diarrhö wurde als sekundärer Endpunkt erfasst und Stuhlkulturen untersucht. Patienten der R-Gruppen oder der Plazebo-Gruppe, die eine stärkere Diarrhö entwickelten, wurden mit Levofloxacin oder Azithromycin behandelt, wahrscheinlich mit Einzeldosen, entsprechend einer früheren Publikation der Autoren (4).

In den gepoolten R-Gruppen 1 bis 3 bekamen 14,7% der Probanden eine Reisediarrhö im Sinne des primären Endpunkts, ohne signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. In der Plazebo-Gruppe waren es 53,7%. Auch leichte Diarrhö, die der Definition des primären Endpunkts nicht genügte, war in den R-Gruppen signifikant seltener als unter Plazebo. Enterotoxin-produzierende E.-coli-Spezies wurden am 7. und/oder 14. Behandlungstag in den Stuhlkulturen von 7% der R-Gruppen und von 40% der Plazebo-Gruppe nachgewiesen. Die physiologische E.-coli-Flora war angeblich durch Behandlung mit R nicht wesentlich reduziert worden. Interessant ist, dass in der dritten Aufenthaltswoche, nach Absetzen der Intervention, die Diarrhö-Rate in Gruppe 1 (kleinste Dosis R) deutlich zunahm, nicht aber in den Gruppen 2 und 3. Systematisch erfasste unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) waren in den vier Behandlungsgruppen sehr selten und nicht unterschiedlich.

Die Autoren, die vom Hersteller des Medikaments finanziert wurden, propagieren Rifaximin als ein ideales und nebenwirkungsarmes Prophylaktikum der Reisediarrhö. Die Wirksamkeit von Rifaximin gegen Shigellen, Salmonellen und Campylobacter als ebenso wichtige Erreger der Reisediarrhö ist nicht untersucht. Die Auswirkungen eines Masseneinsatzes von Rifaximin bei Reisenden auf die Resistenzentwicklung, wie z.B. gegen das nah verwandte Rifampicin, einem der wichtigsten Medikamente zur Behandlung der Tuberkulose gerade auch in tropischen und subtropischen Ländern, ist zurzeit völlig unklar.

Fazit: Wir halten eine penible Nahrungsmittelhygiene (Cook it, boil it, peel it or forget it) immer noch für die beste Prophylaxe der Reisediarrhö. Für bestimmte Risikopatienten, die an schweren Grunderkrankungen leiden oder mit Protonenpumpen-Antagonisten behandelt werden müssen, kann eine antibiotische Prophylaxe sinnvoll sein. Ob in diesen Fällen Rifaximin geeignet ist, müssen weitere Studien zeigen. Ein genereller Einsatz von Antibiotika zur Prophylaxe der Reisediarrhö ist nicht gerechtfertigt, da die Risiken eventueller Resistenzentwicklung und Verschiebungen der Darmflora zurzeit nicht abzuschätzen sind.

Literatur

  1. AMB 1995, 29, 41.
  2. Messner, J., und Holtermüller, H.: Magen-Darm-Mittel und Laxantien. In Schwabe, U., und Paffrath, D. (Hrsgb.): Arzneiverordnungs-Report 2004. Springer, Berlin, Heidelberg, New York. S. 674.
  3. DuPont, H.L., et al.: Ann. Intern. Med. 2005, 142, 805.
  4. Adachi, J.A., et al.: Clin. Infect. Dis. 2003, 37, 1165.