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Vitamin-C-Therapie bei Sepsis mit ARDS

Das „Acute Respiratory Distress Syndrome“ (ARDS; Syn.: Akutes Atemnotsyndrom, Akutes Lungenversagen) ist eine häufige Komplikation bei Sepsis und trägt zur Letalität bei (1-4). Die Letalität der Patienten mit ARDS im Rahmen der Sepsis wird mit 34% bis 45% angegeben (5). Obwohl ein Teil der entzündlichen Pathomechanismen bei Sepsis aufgeklärt ist (6), haben verschiedene therapeutische Ansätze den klinischen Verlauf bisher nicht verbessern können (7-12). Frühere Untersuchungen deuteten darauf hin, dass Vitamin C die systemische Entzündung abschwächen und die Schädigung der Blutgefäße vermindern könnte (13-15). Wir haben über vorläufige positive Ergebnisse einer Arbeitsgruppe im Rahmen einer Leserbrief-Beantwortung bereits berichtet (16). Nun wurde zu dieser Frage eine randomisierte kontrollierte Studie bei Patienten mit ARDS bei Sepsis publiziert (17).

Methodik: Die multizentrische, randomisierte, plazebokontrollierte, doppelblinde CITRIS-ALI-Studie wurde in 7 Intensivstationen in den USA vom September 2014 bis November 2017 durchgeführt und die Nachbeobachtung im Januar 2018 beendet. Es wurden 167 Patienten mit Sepsis und ARDS aufgenommen. Patienten, die wegen einer Sepsis auf die Intensivstation kamen, wurden hinsichtlich der Entwicklung eines ARDS beobachtet. Das ARDS durfte nicht länger als 24 Stunden bestehen. Alle Patienten wurden nach den US-amerikanischen Leitlinien behandelt. Sie wurden in die Studie eingeschlossen, wenn sie über einen endotrachealen Tubus beatmet werden mussten. Unter anderem mussten weitere Kriterien innerhalb einer Phase von 24 Stunden erfüllt sein: bilaterale Verschattungen im Rö-Thorax als Zeichen eines ARDS; hochgradiger Verdacht oder nachgewiesene Infektion sowie 2 von 4 SIRS-Kriterien (vgl. 18); Fieber ≥ 38,0°C oder Hypothermie ≤ 36,0°C; Tachykardie ≥ 90/min; Tachypnoe ≥ 20/min oder Hyperventilation; Leukozytose ≥ 12.000/mm3 oder Leukopenie ≤ 4.000/mm3 oder > 10% unreife Neutrophile im Differenzialblutbild. Patienten mit bekannter Vitamin-C-Allergie wurden ausgeschlossen. Die eine Gruppe (n = 84) erhielt hoch dosiert Vitamin C intravenös (50 mg/kg), die andere (n = 83) Plazebo alle 6 Stunden über 96 Stunden.

Der primäre Endpunkt war eine Veränderung im Organversagen vom Beginn der Intervention bis zu 96 Stunden danach. Die Veränderungen wurden anhand eines Scores zur Risikoeinschätzung im klinischen Alltag, den mSOFA-Kriterien (Sequential Organ Failure Assessment), ermittelt, deren Skala von 0-20 reicht (je größer die Zahl, umso höher ist das Risiko; vgl. 19, 20). Dieser Score identifiziert früh und schnell stationäre (und ambulante) Patienten, die ein erhöhtes Risiko für Organversagen haben. Außerdem wurden CRP als Zeichen der Entzündung und Thrombomodulin als Zeichen der Gefäßschädigung zu den Stunden 0, 48, 96 und 168 im Blut gemessen.

Ergebnisse: Von den 167 randomisierten Patienten im medianen Alter von 55 Jahren (54% Männer) erreichten 103 (62%) das Ende der Studie am Tag 60. Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich des Organversagens (mSOFA-Kriterien) zwischen Stunde 0 und 96 Stunden: von 9,8 bis 6,8 in der Vitamin-C-Gruppe (= 3 Punkte) und von 10,3 bis 6,8 in der Plazebogruppe (3,5 Punkte; Differenz: -0,10; 95%-Konfidenzintervall = CI: −1,23 bis 1,03; p = 0,86). Der Entzündungsparameter CRP unterschied sich ebenfalls nicht nach 168 Stunden: 54,1 μg/ml vs. 46,1 μg/ml; Differenz, 7,94 μg/ml; CI: -8,2 bis 24,11; p = 0,33. Auch die Thrombomodulin-Werte waren nicht unterschiedlich: 14,5 ng/ml vs. 13,8 ng/ml; Differenz: 0,69 ng/ml; CI: -2,8 bis 4,2; p = 0,70.

Unter den anderen 46 sekundären Endpunkten fand sich bei 43 statistisch kein Unterschied. Allerdings gab es in der Vitamin-C-Gruppe nach 28 Tagen deutlich weniger Todesfälle als in der Plazebogruppe: 25 von 84 (29,8%) vs. 38 von 82 (46,3%; p = 0,03). Dieser Unterschied ist nach Ansicht der Autoren dennoch nicht zurückzuführen auf die Intervention, da die Todesfälle in der Plazebogruppe schon sehr früh auftraten, d.h. bevor die Verumgruppe Vitamin C erhalten hatte. Danach verlaufen die Kaplan-Meier-Kurven der Letalität parallel, d.h. ohne erkennbaren Einfluss der Vitamin-C-Infusion. Auch war dieser Befund nicht mit Veränderungen in den Biomarkern korreliert.

Fazit: Die CITRIS-ALI-Studie bei Patienten mit Sepsis und ARDS zeigte keinen positiven Effekt einer hochdosierten Vitamin-C-Infusion innerhalb der ersten 24 Stunden nach Auftreten des ARDS auf das Organversagen nach 96 Stunden im Vergleich zu Plazebo.

Literatur

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  2. Estenssoro, E., et al.: Crit. Care Med. 2002, 30, 2450. Link zur Quelle
  3. Roupie, E., et al.: Intensive Care Med. 1999, 25, 920. Link zur Quelle
  4. Cochi, S.E., et al.: Ann. Am. Thorac. Soc. 2016, 13, 1742. Link zur Quelle
  5. Bellani, G., et al. (LUNG SAFE = Large observational study to UNderstand the global impact of Severe Acute respiratory FailurE): JAMA 2016, 315, 788. https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2492877
  6. Iba, T., und Levy, J.H.: J. Thromb. Haemost. 2018, 16, 231. Link zur Quelle
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  9. Venkatesh, B., et al. (ADRENAL = ADjunctive coRticosteroid trEatment iN criticAlly ilL patients with septic shock): N. Engl. J. Med. 2018, 378, 797. Link zur Quelle
  10. Reinhart, K., et al.: Crit Care Med. 1996, 24, 733 Link zur Quelle . Erratum: Crit. Care Med. 1996, 24, 1608.
  11. Greenberg, R.N., et al.: Prog. Clin. Biol. Res. 1991, 367, 179. Link zur Quelle
  12. Fisher, C.J., et al.: JAMA 1994, 271, 1836. Link zur Quelle
  13. Fisher, B.J., et al.: Am. J. Physiol. Lung Cell Mol. Physiol. 2012, 303, L20. Link zur Quelle
  14. Fisher, B.J., et al.: Crit. Care Med. 2011, 39, 1454 Link zur Quelle . Erratum: Crit. Care Med. 2011, 39, 2022.
  15. Fowler, A.A., et al.: J. Transl. Med. 2014, 12, 32. Link zur Quelle
  16. AMB 2018, 52, 56. Link zur Quelle
  17. Fowler, A.A., et al. (CITRIS-ALI = Vitamin C Infusion for TReatment In Sepsis induced Acute Lung Injury): JAMA 2019, 322, 1261. Link zur Quelle
  18. Kaukonen, K.M., et al.: N. Engl. J. Med. 2015, 372, 1629. Link zur Quelle
  19. AMB 2018, 52, 25. Link zur Quelle
  20. Weis, S., et al.: Dtsch. Arztebl. 2017, 114, A1424. Link zur Quelle