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Stressulkus-Prophylaxe mit Protonenpumpenhemmern bei Intensivpatienten: Nutzen, aber auch Risiken?

Stressulzera und gastrointestinale Blutungen (GIB) sind typische Risiken von Schwerkranken auf Intensivstationen (1-3). Bei Patienten mit GIB wurden verlängerte Aufenthalte auf der Intensivstation sowie eine zwei- bis vierfach erhöhte Letalität beschrieben (3). Um einer GIB vorzubeugen, wird in den Leitlinien international derzeit eine Prophylaxe empfohlen (4). Auch die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin (DGIIN) aus dem Jahr 2017 empfiehlt eine Stressulkus-Prophylaxe mit einem H2-Blocker oder einem Protonenpumpenhemmer (PPI) bei Patienten mit Sepsis oder schwerer Sepsis, die ein hohes Risiko für eine GIB haben. PPI können aber auch beträchtliche Nebenwirkungen bei längerer Einnahme verursachen (5, 6, 9).

In der 2018 veröffentlichten internationalen SUP-ICU-Studie waren in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt 3.350 Intensiv-Patienten eingeschlossen worden (7). Alle hatten ein erhöhtes Risiko für eine GIB und wurden randomisiert für eine Stressulkus-Prophylaxe mit Pantoprazol oder Plazebo für die Zeit ihres intensivstationären Aufenthalts. Beim primären Endpunkt, der 90-Tage-Letalität, hatte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Kollektiven ergeben. Wir haben bereits über diese Zwischenergebnisse berichtet (7). In der Subgruppe der schwerkranken Patienten mit einem Ausgangs-SAPS-Score II > 53 (Simplified Acute Physiology Score, berechnet aus 17 Variablen mit 0-163 möglichen Punkten; vgl. 10) hatte sich aber im Vergleich zu Plazebo eine knapp signifikant höhere Letalität bei denen gezeigt, die mit Pantoprazol behandelt worden waren (p = 0,049). Dieses Kollektiv wurde in einer unlängst veröffentlichten Post-hoc-Analyse der SUP-ICU-Studie genauer analysiert (8).

Studiendesign: SUP-ICU ist eine multizentrische randomisierte kontrollierte Studie, die in Skandinavien, den Niederlanden, England und der Schweiz durchgeführt wurde. Insgesamt 1.140 der eingeschlossenen 3.350 Patienten erfüllten die Kriterien für einen Ausgangs-SAPS-Score II > 53. Es handelte sich um erwachsene Patienten mit akuter, intensivpflichtiger Erkrankung mit mindestens einem Risikofaktor für eine relevante GIB, inklusive einer akuten oder bekannten chronischen Lebererkrankung, einer akuten Koagulopathie bzw. unter Therapie mit Antikoagulanzien, Patienten im Schock, unter Nierenersatztherapie oder invasiver Beatmung für voraussichtlich länger als 24 Stunden.

Ausgeschlossen waren Patienten mit aktueller GIB, vorbestehender Antazida-Therapie oder bekanntem peptischem Ulkus. Die Patienten erhielten für die Dauer des Aufenthalts auf der Intensivstation täglich 40 mg Pantoprazol i.v. oder Plazebo. Primärer Endpunkt war die 90-Tage-Letalität. Sekundäre Endpunkte umfassten klinisch bedeutsame Ereignisse wie GIB (u.a. Hb-Abfall um 2 g/dl oder ein Transfusionsbedarf von mindestens 2 Erythrozytenkonzentraten), Infektionen (Pneumonie, Clostridium difficile) und Myokardinfarkt sowohl einzeln als auch als zusammengesetzter Endpunkt. Auch die prozentuale Zeit ohne Beatmung, Notwendigkeit der Dialyse oder der Verbrauch kreislaufstabilisierender Vasopressoren galt als sekundärer Endpunkt.

Ergebnisse: Nach 90 Tagen waren 272 der 579 Patienten (= 47%) in der Pantoprazol-Gruppe gestorben, in der Plazebo-Gruppe waren es 229 von 558 (= 41%; Relatives Risiko = RR: 1,13; 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,00-1,29). Während die meisten klinischen Parameter in beiden Kollektiven übereinstimmten, hatten 28% der Patienten in der Pantoprazol-Gruppe gegenüber 21% in der Plazebo-Gruppe eine Koagulopathie bei Aufnahme, definiert als Thrombopenie < 50.000/µl oder INR > 1,5 bzw. Thromboplastinzeit > 20 sec in Verbindung mit einem Koagulopathie-Ereignis innerhalb der letzten sechs Monate vor der stationären Aufnahme.

In einer Sensitivitätsanalyse, in der die unterschiedliche Ausgangskoagulabilität berücksichtigt wurde, ergab sich keine Änderung der erhöhten Letalität unter Pantoprazol (RR: 1,14; CI: 0,99-1,30). Bei Patienten, deren SAPS-Score II im Verlauf nicht vollständig erhoben worden war und somit das Ergebnis hätte beeinflussen können, ergab sich in zwei zusätzlichen Subgruppenanalysen zur Letalität ein ähnlicher Trend: RR: 1,08; CI: 0,96-1,22 bzw. RR: 1,10; CI: 0,97-1,25.

Bei etwa einem Viertel der Patienten traten weitere Endpunktereignisse auf. GIB waren unter Pantoprazol deutlich seltener: 3,3% vs. 6,1%; RR: 0,49. Hämodialyse- oder beatmungsfreie Tage waren unter Pantoprazol ebenfalls seltener als unter Plazebo: 81% vs. 85%; p = 0,02.

Die erhöhte Letalität unter bzw. durch PPI bei akut Schwerkranken auf einer Intensivstation ist nicht einfach zu erklären. Die Autoren von SUP-ICU räumen ein, dass ihre Studie nicht primär ausgelegt war für die Untersuchung von Schwerkranken mit einem SAPS-Score II > 53 (Letalität im untersuchten Kollektiv bis 47%) und dass Post-hoc-Analysen generell störanfällig sind. Weitere Studien müssten folgen. Solange sollte gelten: PPI auf der Intensivstation nur für Patienten mit hohem gastrointestinalem Blutungsrisiko und vor allem zeitlich begrenzt.

Fazit: In einer Post-hoc-Analyse von sehr schwer kranken Intensivpatienten ergab sich eine höhere Letalität unter Pantoprazol zur Stressulkus-Prophylaxe im Vergleich zu Plazebo sowie weniger hämodialyse- und beatmungsfreie Tage bei deutlich weniger gastrointestinalen Blutungen. Es sollte daher keinen Automatismus für Protonenpumpenhemmer bei Intensivpatienten geben.

Literatur

  1. Krag, M., et al. (SUP-ICU = Stress Ulcer Prophylaxis in the Intensive Care Unit): Trials 2016, 17, 205. Link zur Quelle
  2. Krag, M., et al. (SUP-ICU = Stress Ulcer Prophylaxis in the Intensive Care Unit): Intensive Care Med. 2015, 41, 833. Link zur Quelle
  3. Cook, D.J., et al.: Crit. Care 2001, 5, 368. Link zur Quelle
  4. Rhodes, A., et al.: Intensive Care Med. 2017, 43, 304. Link zur Quelle
  5. Krag, M., et al.: Curr. Opin. Crit. Care 2016, 22, 186. Link zur Quelle
  6. AMB 2017, 51, 63a Link zur Quelle . AMB 2016, 50, 41 Link zur Quelle . AMB 2008, 42, 89 Link zur Quelle . AMB 2008, 42, 49. Link zur Quelle
  7. Krag, M., et al.: (SUP-ICU = Stress Ulcer Prophylaxis in the Intensive Care Unit): N. Engl. J. Med. 2018, 379, 2199 Link zur Quelle . Vgl. AMB 2018, 52, 96. Link zur Quelle
  8. Marker, S., et al. (SUP-ICU = Stress Ulcer Prophylaxis in the Intensive Care Unit): Intensive Care Med. 2019, 45, 609. Link zur Quelle
  9. Sehested, T.S.G., et al.: J. Intern. Med. 2018, 283, 268. Link zur Quelle
  10. https://www.dimdi.de/static/.downloads/deutsch/ops-saps-2005-8009.pdf Link zur Quelle