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Leserbrief: Vegane Ernährung und megaloblastäre Anämie durch Vitamin B12-Mangel

Zur Ergänzung unserer Kleinen Mitteilung „Vegane Ernährung als wenig beachtete Ursache einer megaloblastären Anämie und Psychose“ (1) schreibt uns Herr Prof. Dr. F. Lübbecke aus Uelzen: >> Wir fanden bei einem 8 Monate alten, ausschließlich brusternährten Säugling einer sich vegan ernährenden asymptomatischen Mutter eine schwere geistige und körperliche Entwicklungsretardierung (2). Der Sohn konnte in diesem Alter weder sitzen noch den Kopf halten. Bei beiden waren die Vitamin B12-Spiegel stark erniedrigt und das MCV („mean corpuscular volume“) der Erythrozyten mit 108 bzw. 110 fl deutlich erhöht. Nur der Sohn hatte eine schwere Anämie (Hb 9,3 g/dl).

Die werdende Mutter war von einer die vegane Ernährung propagierenden Institution dezidiert aufgeklärt worden, dass sie sich auch während der Schwangerschaft weiter vegan ernähren könne und eine Vitamin B12-Substitution nicht erforderlich sei. Diesen Rat konnte sie sogar durch ein entsprechendes Schreiben belegen.

Etwa 15 Jahre später hatten wir noch einmal Kontakt mit dem Sohn, der zu diesem Zeitpunkt intellektuell problemlos ein Gymnasium besuchte, jedoch weiterhin wegen einer Muskelhypotonie in krankengymnastischer Behandlung stand, ebenso wie auch damals, als wir bei ihm die schwere B12-Hypovitaminose diagnostizierten. Die Muskelhypotonie sehen wir als Dauerschaden durch den frühen Vitamin B12-Mangel. Bei der Mutter, die wahrscheinlich durch noch ausreichende Vitamin B12-Gewebespeicher sogar die Phase der Stillzeit ohne erkennbaren Schaden überstanden hatte, war bereits ein Jahr später bei jetzt ausgewogener Ernährung ein normaler Vitamin B12-Spiegel und ein normales MCV nachweisbar.

Die immer wieder gestellte Frage: „Kann man mit einer ausgewogenen veganen Ernährung solche Katastrophen in der Schwangerschaft sicher verhindern?“ muss eindeutig verneint werden. Da in der Schwangerschaft nur alimentär aufgenommenes Vitamin B12 die Plazenta passiert, muss, um das Ungeborene sicher vor Schaden zu bewahren, oral substituiert oder die vegane Ernährung, zumindest zeitweise, aufgegeben werden (vgl. 3).

In Publikationen (3, 4) der letzten Jahre wird die vegane Ernährung als mögliche Ursache des Vitamin B12-Mangels und dessen Folgeerkrankungen ausführlich gewürdigt. Insofern findet sie – zumindest in der Literatur – erhebliche Beachtung. <<

Anmerkung der Redaktion: >> Es sei noch mal daran erinnert, dass ein niedriger Vitamin B12-Spiegel im Blut allein keinen klinisch relevanten Mangel beweist (5-7). <<

Literatur

  1. AMB 2019, 53, 77b. Link zur Quelle
  2. Lübbecke, F., et al.: Hamburger Ärzteblatt 2018, 72, 34. Link zur Quelle
  3. Sebastiani, G., et al.: Nutrients 2019, 11, 557. Link zur Quelle
  4. Shipton, M.J., und Thachil, J.: Clin. Med. (Lond.) 2015, 15, 145. Link zur Quelle
  5. Carmel, R.: Blood 2018, 112, 2214. Link zur Quelle
  6. Green, R.: Baillieres Clin. Haematol. 1995, 8, 533. Link zur Quelle
  7. Lindenbaum, J., et al.: Am. J. Hematol. 1990, 34, 99. Link zur Quelle