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Kein Nutzen von Tranexamsäure bei gastrointestinalen Blutungen

Tranexamsäure ist ein Wirkstoff aus der Gruppe der Antifibrinolytika, der zur Vorbeugung und Behandlung von Blutungen eingesetzt wird, beispielsweise bei schweren Verletzungen oder peripartalen Blutungen (1, vgl. 2). Tranexamsäure hemmt die Auflösung der Gerinnsel (Fibrinolyse) durch Komplexbildung mit Plasminogen. Auch bei Patienten mit gastrointestinalen Blutungen wird Tranexamsäure eingesetzt, obwohl die routinemäßige Anwendung in Leitlinien nicht empfohlen wird (3, 4). Grundlage der Anwendung sind die Ergebnisse einer Cochrane-Übersichtsarbeit, die bei Patienten mit schweren oberen gastrointestinalen Blutungen unter Tranexamsäure eine deutliche Verminderung der Gesamtsterblichkeit zeigten (5). Das Ergebnis beruht jedoch auf Daten von nur 1.701 Patienten aus 8 Studien, bei denen meist ein hohes Risiko für Verzerrungen (Bias) bestand.

Nun wurden im Lancet die Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Studie (HALT-IT) veröffentlicht (6), in der bei insgesamt 12.009 Patienten mit einer schweren oberen oder unteren gastrointestinalen Blutung die Wirksamkeit und Sicherheit von Tranexamsäure (1 g i.v. über 10 Minuten, gefolgt von 125 mg/h über 24 Std.) mit Plazebo verglichen wurde. Die Studie wurde multizentrisch in 164 Krankenhäusern in 15 Ländern durchgeführt. Sie wurde aus dem gleichen Institut wie die CRASH-3-Studie in London organisiert und aus öffentlichen Mitteln finanziert (vgl. 2). Primärer Endpunkt war zunächst die Gesamtsterblichkeit; jedoch wurde im Verlauf der Studie der Endpunkt geändert auf Tod durch Blutung innerhalb von 5 Tagen nach der Randomisierung. Zu den sekundären Endpunkten gehörten neben der Gesamtsterblichkeit auch thromboembolische Ereignisse.

Die Patienten waren durchschnittlich 58 Jahre alt, und 65% waren Männer. Vom Einsetzen der Blutung bis zur Randomisierung vergingen durchschnittlich 22 Std. Blutungen im oberen Gastrointestinaltrakt hatten 90% der Patienten, bei 45% bestand der Verdacht auf eine Varizenblutung. Ungefähr 9% der Patienten nahmen Antikoagulanzien ein. Bei fast 60% der Patienten bestanden klinisch keine Zeichen eines Schocks.

Die Anwendung von Tranexamsäure brachte keinen Nutzen: Der neue primäre Endpunkt (Tod durch Blutungen nach 5 Tagen) trat bei jeweils 4% der Patienten in beiden Gruppen auf (Relatives Risiko = RR: 0,99; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,82-1,18). Der ursprüngliche primäre Endpunkt, die Gesamtsterblichkeit nach 28 Tagen, war zwischen den Gruppen ebenfalls nicht unterschiedlich (RR: 1,03; CI; 0,92-1,16). Auch hinsichtlich der Rate erneuter Blutungen, chirurgischer oder endoskopischer Interventionen oder transfundierter Blutprodukte bestanden keine Unterschiede. Bei Patienten mit V.a. Varizenblutung oder bekannter Lebererkrankung zeigte sich ebenfalls keine Verbesserung des primären Endpunkts. Das Ergebnis wurde durch die Einnahme von Antikoagulanzien nicht beeinflusst. Allerdings traten unter Tranexamsäure doppelt so viele venöse Thromboembolien (tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie) auf wie unter Plazebo (0,8% vs. 0,4%; RR: 1,85; CI: 1,15-2,98: Number needed to harm: 250). Arterielle thromboembolische Ereignisse (Myokardinfarkt oder Schlaganfall) kamen in beiden Gruppen ähnlich häufig vor (RR: 0,92; CI: 0,60-1,39). Auch Krampfanfälle traten bei Patienten unter Tranexamsäure vermehrt auf (0,6% vs. 0,4%; RR: 1,73; CI: 1,03-2,93).

Fazit: In einem großen RCT zeigte sich bei Patienten mit starken gastrointestinalen Blutungen kein Nutzen durch Tranexamsäure, jedoch eine Zunahme venöser Thromboembolien im Vergleich zu Plazebo. Tranexamsäure sollte bei gastrointestinalen Blutungen nicht routinemäßig eingesetzt werden (vgl. auch 7).

Literatur

  1. Fachinformation Cyklokapron®-Injektionslösung, Stand Mai 2018. Link zur Quelle
  2. AMB 2019, 53, 94b. Link zur Quelle
  3. https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-028.html Link zur Quelle
  4. https://www.esge.com/assets/downloads/pdfs/guidelines/ 2015_s_0034_1393172.pdf Link zur Quelle
  5. Bennett, C., et al.: Cochrane Database of Systematic Reviews 2014. Link zur Quelle
  6. The HALT-IT Trial Collaborators (Haemorrhage ALleviation with Tranexamic acid-Intestinal sysTem): Lancet 2020, 395, 1927. Link zur Quelle
  7. Perner, A., und Møller, M.H.: Lancet 2020, 395, 1885. Link zur Quelle