Eine chronische Graft-versus-Host-Disease (= cGvHD) tritt bei ca. 50% der Patienten nach allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation auf und ist für ca. 25% der Todesfälle mit verantwortlich (1). Zur Behandlung einer GvHD werden in erster Linie systemische Glukokortikosteroide eingesetzt, die bei ungefähr der Hälfte der Patienten zu einer Besserung führen. Für die Zweitlinientherapie gibt es verschiedene Therapieoptionen, die in Deutschland in dieser Indikation jedoch nicht zugelassen sind, darunter extrakorporale Photophorese, mTOR-Inhibitoren (Sirolimus, Everolimus), Mycophenolatmofetil, Calcineurin-Inhibitoren (Cyclosporin, Tacrolimus) und Ibrutinib. Auch Ruxolitinib (Jakavi®) wird empfohlen (1). Ruxolitinib ist ein selektiver Hemmer der Janus-assoziierten Kinasen (JAK) JAK1 und JAK2, der zur Behandlung der Myelofibrose und der Polycythaemia vera zugelassen ist (2, vgl. 3). Präklinische Studien zeigten, dass die Signalübertragung durch JAKs zu den Entzündungen und Gewebeschäden bei GvHD beiträgt und dass im Tiermodell die Behandlung einer GvHD mit Ruxolitinib wirksam ist (3). Eine Phase-II-Studie (REACH1, 71 Patienten) und eine Phase-III-Studie (REACH2, 309 Patienten) bei Patienten mit akuter GvHD zeigten, dass Ruxolitinib die Symptome lindert. Die Ergebnisse der Phase-II-Studie waren Grundlage der Zulassung von Ruxolitinib zur Behandlung der akuten GvHD durch die US-amerikanische Zulassungsbehörde (4). Nun wurden die Ergebnisse einer weiteren Phase-III-Studie veröffentlicht, in der Ruxolitinib bei Patienten mit chronischer GvHD untersucht wurde (5). Die Untersuchung erfolgte nicht unabhängig, sondern wurde von den pharmazeutischen Unternehmern Novartis und Incyte geplant und ausgewertet.
In der offen durchgeführten, randomisierten Studie (REACH3) erhielten Patienten mit Glukokortikosteroid-refraktärer oder -abhängiger, moderater oder schwerer cGvHD (Beteiligung der Haut und einem oder mehreren Organen) entweder Ruxolitinib (10 mg 2x/d) oder eine Therapie nach Wahl des behandelnden Arztes, die aus 10 gebräuchlichen Optionen ausgewählt werden konnte. Die Untersuchung wurde in 149 Zentren in 28 Ländern durchgeführt. Die Behandlung erstreckte sich über sechs 4-wöchige Zyklen. Die Patienten erhielten weiterhin Glukokortikosteroide mit oder ohne Calcineurin-Inhibitoren. Eine Umstellung auf Ruxolitinib war bei Nichtansprechen auf die Kontrolltherapie ab dem 1. Tag des 7. Zyklus erlaubt. Primärer Endpunkt war das vollständige oder teilweise Ansprechen der cGvHD auf die Behandlung nach 24 Wochen. Die beiden wichtigsten sekundären Endpunkte waren das rückfallfreie Überleben (definiert als Zeit bis zum Rezidiv der Grunderkrankung, Beginn einer neuen Therapie zur Behandlung der cGvHD oder Tod) und die von den Patienten berichteten Symptome, gemessen mit der modifizierten Lee-Symptom-Skala als validiertem Instrument zur Erhebung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei cGvHD.
Zwischen Juli 2017 und November 2019 wurden 329 Patienten mit moderater (43%) oder schwerer (57%) cGvHD randomisiert; es erhielten 165 Patienten Ruxolitinib und 164 die Kontrolltherapie, meist Photophorese (34,8%), Mucophenolatmofetil (22,2%) oder Ibrutinib (17,1%). Die Patienten waren im Median 49 Jahre alt (Spanne 12-76 Jahre); 61% waren Männer. Ruxolitinib führte zu einer höheren Ansprechrate als die Therapie in der Kontrollgruppe (49,7% vs. 25,6%; Odds Ratio = OR: 2,99; p < 0,001). Zu einer kompletten Remission der cGvHD kam es bei 11 Patienten in der Ruxolitinib-Gruppe und bei 5 Patienten in der Kontrollgruppe (6,7% vs. 3,0%). Außerdem führte Ruxolitinib im Median zu einem längeren rückfallfreien Überleben als die Kontrolltherapie (> 18,6 Monate vs. 5,7 Monate; Hazard Ratio: 0,37; p < 0,001) und zu einer Verbesserung der von den Patienten berichteten Symptome (24,2% vs. 11,0%; OR: 2,62; p = 0,001). Daten zum Gesamtüberleben stehen noch aus.
Die häufigsten schweren unerwünschten Ereignisse (≥ Grad 3) bis Woche 24 waren Thrombozytopenie (15,2% in der Ruxolitinib-Gruppe vs. 10,1% in der Kontrollgruppe), Anämie (12,7% vs. 7,6%), Neutropenie (8,5% vs. 3,8%) und Pneumonie (8,5% vs. 9,5%). Zytomegalie-Infektionen und -Reaktivierungen traten in beiden Gruppen ähnlich häufig auf (5,5% vs. 8,2%). Zum Zeitpunkt des Datenschnitts waren 31 Patienten aus der Ruxolitinib-Gruppe und 27 Patienten aus der Kontrollgruppe gestorben (18,8% vs. 16,5%), meist durch Komplikationen der cGvHD oder ihrer Behandlung. Bei nur wenigen Patienten trat ein Rückfall der Grunderkrankung auf (9 vs. 8 Patienten: 5,8% vs. 5,0%).
Fazit: Zur Wirksamkeit und Sicherheit von Ruxolitinib bei chronischer, Glukokortikosteroid-refraktärer oder -abhängiger GvHD liegen erstmals Daten aus einer randomisierten Phase-III-Studie vor. Danach erhöhte Ruxolitinib im Vergleich zu verschiedenen Kontrolltherapien die Ansprechrate, verlängerte das rückfallfreie Überleben und verbesserte die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten. Allerdings kam es unter Ruxolitinib häufiger zu Anämien und Thrombozytopenien. Daten zum Gesamtüberleben stehen aus.
Literatur
- https://www.onkopedia.com/ de/onkopedia/guidelines/ graft-versus-host-erkrankung- chronisch/@@guideline/html/index.html Link zur Quelle
- Fachinformation Jakavi® Filmtabletten, Stand Dezember 2020. Link zur Quelle
- AMB 2015, 49, 58 Link zur Quelle . AMB 2012, 46, 93. Link zur Quelle
- https://www.accessdata.fda.gov/ drugsatfda_docs/label/2019/ 202192s017lbl.pdf Link zur Quelle
- Zeiser, R., et al. (REACH3 = A Study of Ruxolitinib vs Best Available Therapy (BAT) in Patients With Steroid-refractory Chronic Graft vs. Host Disease (GvHD) After Bone Marrow Transplantation): N. Engl. J. Med. 2021, 385, 228.