Der Erfolg einer Reanimation steht und fällt mit der Zeit bis zum Beginn effektiver Wiederbelebungsmaßnahmen, ggf. Defibrillation. Zur Wirksamkeit der begleitenden Pharmakotherapie (Katecholamine, Antiarrhythmika, Bikarbonat) gibt es verständlicherweise kaum überzeugende klinische Untersuchungen. Es ist fast unmöglich, ein klares Studiendesign bei Reanimationen außerhalb des Krankenhauses einzuhalten. Der Zeitdruck ist immer groß, die Situation vor Ort immer anders, die Organisationsform der Rettungsteams verschiedener Zentren sehr unterschiedlich. Eine multizentrische Studie aber ist unverzichtbar, um über ausreichende Fallzahlen berichten zu können. Um so mehr sind die Autoren aus Innsbruck zu beglückwünschen, denen es gelungen ist, eine multizentrische Studie mit 1219 Patienten durchzuführen (1). Über 30 Zentren waren beteiligt. Ein Viertel der Patienten wurde in Berlin eingeschlossen. Die ärztliche Leitung des sehr effektiven Notarztwagensystems der Berliner Feuerwehr ist wissenschaftlich sehr aktiv.
Als pressorisch wirksames Katecholamin wird für Reanimationen 1 mg Adrenalin empfohlen, ggf. mehrfach (2, 3). Katecholamine mit spezifischer Wirkung auf die Alpha-Rezeptoren und auch Vasopressin sind nur in Tierversuchen und in kleinen klinischen Serien untersucht worden, mit positiven Ergebnissen.
Die Autoren organisierten daher die multizentrische, randomisierte, doppeltblinde Untersuchung, in die Patienten mit Herz-/Kreislauf-Stillstand eingeschlossen wurden, die bei Eintreffen der Rettungsmannschaft entweder eine Asystolie oder eine elektromechanische Entkopplung erkennen ließen, oder Patienten mit Kammerflimmern, bei denen drei Defibrillationsversuche erfolglos geblieben waren. Diese Patienten erhielten im Rahmen der weiteren Reanimation entweder zweimal 1 mg Adrenalin oder zweimal eine Ampulle mit 40 I.U. Vasopressin i.v. (zur Zeit in Deutschland nicht auf dem Markt). War der Kreislauf drei Minuten danach nicht wieder hergestellt, erhielten sie eine zusätzliche Injektion Adrenalin. Die Ergebnisse sind in Tab. 1 dargestellt. Patienten, die wegen Kammerflimmerns reanimiert worden waren, wurden am häufigsten wieder aus dem Krankenhaus entlassen (etwa 19%), am seltensten solche mit Asystolie (3%). Die deutlichsten Unterschiede bei der Entlassungsrate fanden sich in der Asystoliegruppe: 5% nach der Behandlung mit Vasopressin, 1,5% nach Adrenalin. Zwar wurden in der Vasopressingruppe mehr Patienten entlassen, aber die Anzahl der mit guter Hirnfunktion entlassenen war praktisch gleich (15 bzw. 16 von jeweils 46 Entlassenen, bei denen die Hirnfunktion quantifiziert wurde).
Ein größerer Unterschied in den Ergebnissen fand sich bei den Patienten, die auf die Studienmedikation (Vasopressin oder Adrenalin) zunächst nicht angesprochen und die daher im weiteren Verlauf Adrenalin erhalten hatten. Adrenalin war nach Vorbehandlung mit Vasopressin deutlich wirksamer als nach Vorbehandlung mit Adrenalin. Sechs von 359 Patienten in der Adrenalingruppe und 23 von 373 Patienten in der Vasopressingruppe wurden entlassen. 40% der entlassenen Patienten hatten eine gute Hirnfunktion. Hier sind die Zahlen allerdings so klein (s. Tab. 1), daß eine Bewertung kaum möglich ist.
Vasopressin oder eine Kombination aus Vasopressin und Adrenalin sind nach dieser Untersuchung in der Lage, bei mehr Patienten mit hartnäckigem Kammerflimmern oder Asystolie den Kreislauf wieder herzustellen, so daß sie entlassen oder verlegt werden können. Der Anteil der Patienten, die mit guter Hirnfunktion entlassen werden können, ist nicht unterschiedlich. Adrenalin verliert seine Wirkung bei ausgeprägter metabolischer Azidose. Das macht die überlegene Wirksamkeit von Vasopressin bei Asystolie verständlich. Bei Patienten, die mit Asystolie aufgefunden werden, ist die Zeit vom Beginn des Kreislaufstillstands bis zum Eintreffen der Rettungsmannschaften in der Regel länger und die metabolische Azidose daher weiter fortgeschritten.
Ein Editorial in derselben Nummer des N. Engl. J. Med. (4) vertritt die Meinung, daß die Leitlinien zur Pharmakotherapie bei Reanimationen umgeschrieben werden müssen. Auch reine Vasopressoren scheinen einen Platz im Medikamentenkoffer des Notarztes zu haben. Die Effektivität der Reanimation (5) ist besser als die vieler anderer kardiologischer Eingriffe, von denen nicht nachgewiesen ist, daß sie lebensrettend wirken können. Auch wenn die Studie wegen Begrenzung der Fördermittel nicht zu Ende geführt werden konnte und die Zahl der Geretteten gering ist und damit die statistische Aussagekraft, kann zumindest eine Konsequenz gezogen werden: Die wissenschaftliche Bearbeitung der Reanimation muß weitergeführt werden. Die Laienpresse hat das Thema mit Enthusiasmus und Bewunderung für die Konsequenz der Autoren aufgegriffen (6).
Fazit: In dieser Studie waren zweimal 40 I.E. Vasopressin wirksamer als zweimal 1 mg Adrenalin bei Patienten, die mit Asystolie von den Rettungsmannschaften aufgefunden und reanimiert wurden oder bei denen Kammerflimmern nicht durch Defibrillierung beseitigt werden konnte. Im zweiten Therapieschritt war Adrenalin nach vorheriger Gabe von Vasopressin wirksamer als eine Monotherapie mit Adrenalin.
Literatur
- Wenzel, V., et al.: N. Engl. J. Med. 2004, 350, 105.
- Robertson, C., et al.: Resuscitation 1998, 37, 81.
- Guidelines for cardiopulmonary resuscitation: Circulation 2000, 102 Suppl. 8, I-1-I-384.
- McIntyre, K.M.: N. Engl. J. Med. 2004, 350, 179.
- Nichol, G., et al.: Circulation 2003, 108, 697.
- DIE ZEIT 2004, Nr.8, 29 (u.a.).