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Angioödem unter ACE-Hemmern und anderen Renin-Angiotensin-Inhibitoren

Das Angioneurotische Ödem oder Angioödem ist eine seltene, aber potenziell gefährliche unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) bei Einnahme von Angiotensin-Konversions-Enzym (ACE)-Hemmern (ACE-H; vgl. 1). Das ACE wandelt das Blutdruck-inaktive Angiotensin I (A I) in das aktive A II um. Außerdem wirkt es als Kininase, die den Abbau von Bradykinin fördert. Es wird vermutet, dass Angioödeme unter Therapie mit ACE-H Bradykinin-vermittelt sind. Angioödeme können auch als Reaktion auf andere Arzneimittel inklusive anderer Hemmsubstanzen des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) auftreten. Nach Einnahme von Betarezeptoren-Blockern sind Angioödeme sehr selten.

Wir haben mehrfach über solche Angioödeme berichtet und tun dies erneut, weil differenzialdiagnostisch bei Schwellungen im Bereich der Lippen, Mundhöhle und Pharynx immer auch an eine UAW gedacht und deshalb eine Arzneimittelanamnese erhoben werden muss.

S. Toh et al. aus den USA (2) untersuchten mit finanzieller Unterstützung der Food and Drug Administration (FDA) die Inzidenz von Angioödemen bei einer großen Zahl von Patienten, die folgende Inhibitoren des RAS verordnet bekommen hatten: ACE-H, Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB) oder den direkten Reninhemmer Aliskiren (seit 2007 auf dem Markt). Die Inzidenz wurde mit Betablockern verglichen. Die Medikamente mussten neu verschrieben worden sein, entweder als Einzelsubstanz oder als Kombinationspräparat, aber unter Ausschluss eines zweiten der hier genannten Studienpräparate. In den 180 Tagen vor Neuverschreibung durften die Patienten das gleiche Präparat nicht schon einmal eingenommen haben.

Die Autoren benutzten die Daten der „Sentinel-Initiative” der FDA, der 17 „Health plans”, z.B. mehrere Datenbanken der „Kaiser Permanente Centers”, in verschiedenen US-Bundesstaaten angeschlossen sind. Diese Datenbanken zusammen erfassen insgesamt ca. 60 Millionen US-Bürger. Für die hier berichtete Recherche kamen 3.909.596 Patienten infrage.

Endpunkte waren das Auftreten eines Angioödems jeden Schweregrads innerhalb maximal eines Jahres nach der registrierten Verschreibung und außerdem das Auftreten eines besonders bedrohlichen Angioödems, das zur stationären Krankenhausaufnahme führte, oft mit Intensivbehandlung und Intubation.

Insgesamt wurden 4.511 Episoden von Angioödemen ermittelt, davon 395 bedrohliche. Tab. 1 gibt die Zahl der mit den verschiedenen Substanzklassen behandelten Patienten, die Inzidenz von Angioödemen und die Hazard ratios (HR) im Vergleich mit Betablockern wieder. Die adjustierte Häufigkeit der Angioödeme unter ACE-H war etwa dreimal so hoch wie unter Betablockern. Sie scheint nach Einnahme von Aliskiren ebenso stark erhöht zu sein, jedoch ist die Zahl der erfassten mit Aliskiren behandelten Patienten zu klein, um das Risiko statistisch sichern zu können. Nach AT-II-RB war das Risiko vergleichsweise nicht erhöht. Bei den AT-II-RB wurden die einzelnen Substanzen auch getrennt ausgewertet. Hierbei war die Inzidenz von Angioödemen relativ am höchsten nach Einnahme von Losartan: 94 Angioödeme bei insgesamt 106.522 Losartan-Benutzern (HR: 1,53; CI: 1,23-1,90 bezogen auf Betablocker).

Bedrohliche Angioödeme, bei denen die Patienten stationär behandelt werden mussten, traten überwiegend unter ACE-H (326 Episoden) auf, aber auch bei zehn Patienten unter AT-II-RB, bei einem Patienten unter Aliskiren und bei 51 unter Betablockern. Die adjustierte HR für ein bedrohliches Angioödem ist unter ACE-H damit etwa fünfmal höher als unter Betablockern.

Viel häufiger als zu Angioödemen kommt es bei Patienten unter ACE-H zu trockenem Husten. Nach Absetzen verschwindet er fast immer und nach Umstellen auf AT-II-RB tritt er nicht wieder auf. Dieser Husten ist wahrscheinlich auch durch Bradykinin vermittelt. Die Inzidenz dieser UAW wurde in der Studie von Toh et al. leider nicht vergleichend untersucht.

Einer der Herausgeber des Arch. Intern. Med., M.H. Katz, lobt in seinem kurzen Editorial die Studie als ein besonders gutes Beispiel von „Post-marketing surveillance” (3).

Fazit: Angioödeme sind im ersten Jahr der Einnahme von ACE-Hemmern zwar selten, aber etwa dreimal so häufig wie unter Betablockern. Bedrohliche Angioödeme, die zur stationären Aufnahme führen, sind unter ACE-Hemmern etwa fünfmal so häufig wie unter Betablockern. Unter Aliskiren (Rasilez®), das wir für ein überflüssiges Medikament halten (4, vgl. auch 5), scheinen Angioödeme auch vorzukommen. Unter Angiotensin-II-Rezeptor-Blockern ist das Risiko nicht höher als unter Betablockern.

Literatur

  1. AMB 1998, 32,96b Link zur Quelle , AMB 1999, 33, 24a Link zur Quelle , AMB2001, 35, 73 Link zur Quelle , AMB 2006, 40, 08b. Link zur Quelle
  2. Toh, S., et al.:Arch. Intern. Med. 2012, 172, 1582. Link zur Quelle
  3. Katz, M.H.: Link zur Quelle
  4. AMB 2007, 41,84b Link zur Quelle und AMB 2012, 46, 12. Link zur Quelle
  5. Parving, H.-H., etal. (ALTITUDE = ALiskirenTrial In Type 2 diabetes Using carDio-renal Endpoints):N. Engl. J. Med. 2012, 367, 2204. Link zur Quelle

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