In Deutschland führten im Jahr 2020 > 400 Kliniken Katheterablationen am Herzen durch, mit Fallzahlen zwischen 2 und 7.100 pro Einrichtung [1]. In Österreich waren es 2019 24 Zentren, die elektrophysiologische Behandlungen durchführten [2]. Angebot und Bedarf steigen seit Jahren an, wobei in erster Linie die Zahl der Pulmonalvenen-Isolationen (PVI) bei Vorhofflimmern (Vofli) zunimmt [3]. Eine solche Ablation ist heute relativ unkompliziert und für die Kliniken lukrativ. Der Erlös liegt im mittleren vierstelligen Euro-Bereich (Fallpauschalenkatalog aDRG F50c/b; [4]).
Vofli ist die häufigste dauerhafte Herzrhythmusstörung. Die Prävalenz wird bei Männern mit 4,6% und bei Frauen mit 1,9% angegeben [5], wobei die Diagnose durch moderne Techniken (EKG-Uhren) sowie „Awareness“-Kampagnen der Industrie immer häufiger gestellt wird (vgl. [6], [7]). Vofli ist überwiegend eine Erkrankung im höheren Lebensalter. Die Inzidenz beträgt bei Personen < 60 Jahren 0,7% und bei > 85 Jahren 17,8% [5].
Bei den meisten Patienten verläuft das Vofli progredient: Nach der Erstdiagnose tritt es zunächst oft nur kurz und vorübergehend auf („paroxysmal“), dann immer häufiger (die „Vofli-Last“ steigt), persistiert irgendwann (d.h. Dauer > 7 Tage) und geht schließlich in die chronischen Formen über: „Long-standing persistent“ Vofli (Dauer > 12 Monate) bzw. permanentes Vofli, bei dem keine Maßnahmen mehr ergriffen werden, um den Sinusrhythmus wiederherzustellen.
Nach erstmaliger Diagnose kommt es bei 8-15% innerhalb von 12 Monaten und bei 22-36% innerhalb von 10 Jahren zu einer Progredienz der Symptome [5]. Dieses Fortschreiten ist u.a. darin begründet, dass dem Vofli meist eine strukturelle Erkrankung der Vorhöfe zu Grunde liegt. Diese ist gekennzeichnet durch Inflammation, Fibrose und zunehmender Erweiterung der Vorhöfe (= anatomisches und elektrisches „Remodeling“).
Mit dem „Remodeling“ der Vorhöfe und der Vofli-Last steigt auch das Risiko für Thromboembolien, Undichtigkeiten der Segelklappen, Herzinsuffizienz und Notfallkonsultationen, Kardioversionen sowie die Notwendigkeit stationärer Behandlungen. Es werden daher seit langem Ressourcen-intensive Anstrengungen (s.u.) unternommen, um das atriale „Remodeling“ und die Folgeerkrankungen des Vofli durch ein möglichst langes Erhalten des Sinusrhythmus zu vermindern. Hierzu stehen – neben den obligaten Basismaßnahmen wie Gewichts- und Blutdruckkontrolle, Alkoholkarenz sowie der Behandlung eines ggf. bestehenden obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms (OSAS) – die Kardioversion, rhythmuserhaltende Medikamente, die Ablationsbehandlung bzw. die Kombination dieser Verfahren zur Verfügung.
Während Medikamente (Betablocker, Klasse-II- und -III-Antiarrhythmika) in erster Linie die Wahrscheinlichkeit von Vofli reduzieren, zielt die Ablationsbehandlung auf eine Unterbrechung der pathogenen Mechanismen durch eine Kombination aus pulmonalvenöser Isolation (PVI), vagaler Denervation und elektroanatomischer Gewebemodifikation an der Verbindung zwischen Lungenvenen und linkem Vorhof [5]. Eine Ablation kann chirurgisch im Rahmen einer Herzoperation erfolgen oder thermisch mittels transvenöser Kathetersysteme, entweder durch Hitze bei der Radiofrequenz-Ablation (25-40 Watt) oder durch Kälte (-40 bis -60°C) bei der sog. „Kryo-Ballon-Technik“. Die Kryo-Ablation hat das Verfahren in den letzten Jahren vereinfacht. Sie dauert durchschnittlich 80 Minuten und ist an den meisten Zentren heute die führende Technologie. Nach dem internationalen „Cryo Global Registry“ wird die Prozedur überwiegend in Analgosedierung durchgeführt und nur bei etwa einem Drittel der Patienten in Vollnarkose. Der Eingriff ist durchaus strahlenintensiv; die Röntgen-Durchleuchtungszeit beträgt durchschnittlich 19 Minuten. Außerdem erhalten etwa 20% der Patienten eine vorbereitende CT-Thorax-Untersuchung zur Klärung der Situation an den Koronararterien und der Vorhofanatomie [8].
Die primäre Erfolgsrate der PVI beträgt 94%, wobei ein frühes Eingreifen im Krankheitsverlauf von Vorteil sein dürfte. Die Häufigkeit schwerer Komplikationen beträgt laut dem erwähnten Register 2,3%. Die wichtigsten Komplikationen sind Verletzungen und Blutungen an den Zugangsgefäßen in der Leiste und Läsionen des N. phrenicus (je 0,6%) mit resultierender Zwerchfellparese und Belastungsdyspnoe [8].
Seit langem wird versucht, den klinischen Nutzen der PVI nachzuweisen bzw. zu quantifizieren. Dies ist schwierig, weil die Gruppe der Betroffenen sehr heterogen ist. Erstmals gelang ein Nutzennachweis in der EAST-AFNET-4-Studie, in der ein kleiner, aber signifikanter und klinisch relevanter Vorteil der PVI gegenüber einer medikamentösen Behandlung belegt wurde [9]. Wir haben den Eingriff daher vor 2 Jahren für jüngere Patienten mit bestimmten kardialen Komorbiditäten empfohlen, wie beispielsweise eine beginnende Herz- oder Mitralinsuffizienz und/oder starkem Leidensdruck (vgl. [10]). Diese Empfehlung wird nun durch die 3-Jahres-Ergebnisse der EARLY-AF-Studie gestützt [11].
Studiendesign: Es handelt sich um eine multizentrische, offene, randomisierte Studie aus Kanada. Die Studie wurde durch einen Grant des „Cardiac Arrhythmia Network of Canada“, durch Zuschüsse der University of British Columbia sowie zweier großer Hersteller von Ablationstechnik finanziert. Zwischen Januar 2017 und Dezember 2018 wurden insgesamt 302 Patienten mit symptomatischem, paroxysmalem Vofli entweder mit einer Kryoballonablation oder einer antiarrhythmischen medikamentösen Therapie behandelt. Die Studienhypothese war, dass durch eine frühe PVI das Auftreten von Vofli nach einem Jahr signifikant vermindert wird. Bemerkenswert ist an dieser Studie, dass der Rhythmus mittels eines implantierten „Loop-Recorders“ überwacht wurde. Dadurch konnten die Zeitpunkte neu auftretender Arrhythmien festgestellt und somit auch die Vofli-Last ermittelt werden. Die Ein-Jahres-Ergebnisse von EARLY-AF wurden bereits 2021 publiziert [12]. Das Studienprotokoll sah jedoch auch eine 3-jährige Nachbeobachtung vor. Die Ergebnisse werden hier gemeinsam dargestellt.
Die Studienpatienten waren relativ jung (mittleres Alter 58 Jahre), 70% waren Männer. Die wichtigsten Komorbiditäten waren: Übergewicht (mittlerer BMI: 30 kg/m2), arterielle Hypertonie (37%), obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom (21%), Herzinsuffizienz (9%) und koronare Herzkrankheit (6%). Das Vofli war im Median ein Jahr bekannt, und die Häufigkeit der Vofli-Episoden betrug 3/Monat. Etwa 60% der Teilnehmer nahmen bei Studienbeginn einen Betablocker ein, 7% einen Kalziumantagonisten und 65% ein orales Antikoagulanz.
Insgesamt wurden 154 Patienten abladiert (PVI mittels Kryoballontechnik), und 149 erhielten zur Rhythmusstabilisierung Antiarrhythmika (AA; überwiegend Flecainid, s.u.). Alle Patienten, die abladiert wurden, sollten mindestens 3 Monate weiter ein Antikoagulanz einnehmen, unabhängig vom berechneten Schlaganfallrisiko. Es wurde jedoch ausdrücklich empfohlen, die orale Antikoagulation während der gesamten Studie beizubehalten.
Der primäre Studienendpunkt in der Ein-Jahres-Auswertung war das erste Auftreten einer ≥ 30 Sekunden anhaltenden atrialen Tachyarrhythmie (Vofli, Vorhofflattern oder atriale Tachykardie). Wegen der periprozeduralen Rhythmusinstabilität wurden die Arrhythmien aber erst 3 Monate nach Studieneinschluss und PVI gezählt. In der Drei-Jahres-Auswertung wurde das erstmalige Auftreten von persistierendem Vofli (Dauer > 7 Tage oder > 48h bei Kardioversion) als primärer Endpunkt gewählt. Die Erfassung des Endpunkts erfolgte primär über den „Eventrecorder“, der täglich EKG-Analysen an die Studienzentren übertrug. Die Patienten wurden darüber hinaus regelmäßig persönlich befragt. Die Endpunktanalysen erfolgten verblindet.
Ergebnisse: 287 Patienten (94,7%) komplettierten die 36-monatige Nachbeobachtung. Zwei Patienten (einer in jeder Gruppe) starben, und 14 Patienten (7 in jeder Gruppe) gingen verloren oder zogen ihre Einwilligung zurück. Bei 63 Patienten aus dem AA-Arm erfolgte eine ungeplante PVI (42%), und bei 27 Patienten aus dem PVI-Arm waren Zweiteingriffe erforderlich (17,5%).
Nach 3 Jahren wurden im PVI-Arm signifikant seltener atriale Tachyarrhythmien aufgezeichnet: 56,5% vs. 77,2%; Hazard Ratio = HR: 0,51; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,38-0,67; absolute Risikoreduktion 20,7%; Number Needed to Treat = NNT: 4,8. Auch persistierendes Vofli war seltener: (1,9% vs. 7,4%; HR: 0,25; CI: 0,09-0,70; absolute Risikoreduktion 5,5%; NNT: 18). Die Vofli-Last über 3 Jahre (Anteil der aufgezeichneten EKG mit Vofli) war im PVI-Arm um absolut 1,9% geringer als im AA-Arm (0,4% vs. 2,3%).
Diese Werte sind jedoch nur Surrogate, denn entscheidend sind die klinischen Ereignisse, die Lebensqualität und die unerwünschten Ereignisse (UAE). Diese Ergebnisse sind in Tab. 1 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Strategie der frühen PVI gegenüber der Strategie einer primär medikamentösen Behandlung zum Erhalten des Sinusrhythmus die Lebensqualität etwas verbessert und auch häufiger zu einer Beschwerdefreiheit führt (bei etwa 12 von 100 Behandelten). Außerdem kam es im PVI-Arm in den überblickten 3 Jahren zu weniger Notfallkonsultationen (NNT: 20), Krankenhausbehandlungen (NNT: 8) und Kardioversionen (NNT: 23).
Da ungeplante medizinische Behandlungen Teil des Sicherheitsendpunkts waren, schnitt die primär medikamentöse Behandlung hinsichtlich UAE deutlich schlechter ab als die PVI (Number Needed to Harm = NNT: 8; s. Tab. 1). Auch schwerwiegende UAE wurden im AA-Arm häufiger beobachtet (NNT: 18). Dabei handelte es sich um folgende Ereignisse (in Klammern das häufigere Auftreten im AA-Arm in absoluten Werten): Präsynkopen (n = 5), Akute Koronarsyndrome (n = 3), Schlaganfall oder TIA (n = 3), akute Herzinsuffizienz (n = 2), Synkopen (n = 2), Breitkomplex-Tachykardien (n = 2) und schrittmacherpflichtige Bradykardien (n = 2). Die vermehrt aufgetretenen Rhythmusprobleme müssen als spezifische Nebenwirkungen der verwendeten Antiarrhythmika angesehen werden. Dabei handelte es sich bei 98 Personen um Flecainid (mediane Tagesdosis = mTD: 200 mg), 19 Sotalol (mTD: 240 mg), 12 Propafenon (mTD: 600 mg), 10 Dronedaron (mTD: 800 mg) und 10 Amiodaron (mTD: 200 mg). Diese AA wurden bei der Mehrzahl zusätzlich zu einem Betablocker verordnet (61%). Die Komplikationen im PVI-Arm entsprechen in ihrer Häufigkeit dem, was auch nach dem „Cryo Global Registry“ zu erwarten war: bei 3 Patienten in der PVI-Gruppe kam es zu einer Zwerchfelllähmung, und bei 2 Patienten musste ein Herzschrittmacher implantiert werden.
Das Design der EARLY-AF-Studie führt zu mehreren bedeutsamen Einschränkungen in der Aussagekraft der Ergebnisse. So wurden unverständlicherweise keine Screening-Protokolle geführt. Daher ist unklar, wie sich die Subgruppe der eingeschlossenen Patienten qualitativ und quantitativ zur Gesamtpopulation der Personen mit Vofli verhält. Es ist jedoch eindeutig, dass die Studie an vergleichsweise jungen Patienten erfolgt ist, mit kurzer Krankheitsanamnese und noch wenig fortgeschrittenem atrialem „Remodeling“ (Vorhofsgröße im Mittel: 35 ml/m2 – Normalwerte: 16-34 ml/m2). Es besteht also ein bedeutender Selektionsbias, sodass die Studienergebnisse nicht auf ältere Patienten mit höherer kardialer und allgemeiner Komorbidität oder auf Patienten mit längerer Vofli-Anamnese übertragen werden können. Da der Eventrecorder erst bei Behandlungsbeginn implantiert wurde, existieren keine objektiven Informationen zur initialen Vofli-Last. Somit ist unklar, ob die PVI diese nur beibehalten oder tatsächlich vermindert hat. Außerdem war die antiarrhythmische Therapie im AA-Arm sehr aggressiv und entspricht nicht der klinischen Praxis in Deutschland und Österreich. Die meisten Patienten mit paroxysmalem Vofli erhalten hier „nur“ einen Betablocker und ein Klasse-I-AA als Bedarfsmedikation („pill in the pocket“). Da die vielen Komplikationen im AA-Arm erhebliche Auswirkungen auf den klinischen Endpunkt haben (Notfallkonsultationen, Krankenhausbehandlungen) könnte der klinische Nutzen der PVI in der EARLY-AF-Studie daher größer erscheinen als er tatsächlich ist. Jedenfalls mahnen diese Ergebnisse einmal mehr dazu, mit den genannten AA sehr vorsichtig umzugehen.
Generell sind die absoluten Fallzahlen in der Studie klein, sodass auch bedeutsame statistische Verzerrungen möglich sind. EARLY-AF bestätigt jedoch das Ergebnis aus einem systematischen Review von 6 randomisierten kontrollierten Studien: Wenn die Katheterablation bei Vofli richtig eingesetzt wird, kann sie die Lebensqualität und Morbidität der Betroffenen verbessern [13].