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Pharmakoökonomische Möglichkeiten der Krankenhausapotheke

Die Krankenhausapotheke ist ein wichtiger Partner im Bemühen um eine kostengünstige und rationale Pharmakotherapie (1). Im weiterentwickelten Aufgabengebiet der Krankenhaus-Apotheker wird die pharmazeutische Logistik wesentlich umfangreicher definiert als nur durch die bloße Lieferung von Arzneimitteln. Die pharmazeutische Logistik umfaßt alle Dienstleistungen, die sicherstellen, daß das richtige Arzneimittel für den richtigen Patienten rechtzeitig und in einwandfreier Qualität unter Einhalten aller fachlichen und gesetzlichen Anforderungen wirtschaftlich und rationell zur Verfügung steht (2).

Projektplanung: Die Wirtschaftlichkeit der Arzneimitteltherapie ist angesichts eines Kostenanteils von ca. 5% am Gesamtbudget eines Krankenhauses von erheblicher Bedeutung. Das Arzneimittelbudget ist jedoch ständig unter Druck, denn neue, teure Arzneimittel, steigender Arzneimittelbedarf je Pflegetag durch verkürzte Liegezeiten und zunehmende Möglichkeiten im Bereich der Intensivmedizin steigern die Ausgaben für Arzneimittel. In den achtziger Jahren hat man sich mit einer Gegenfinanzierung der kontinuierlichen Kostensteigerung bei den Arzneimitteln zufriedengegeben. Seit der Deckelung des Krankenhausbudgets müssen andere Finanzierungswege gefunden werden. Im folgenden soll zeigt werden, wie der Krankenhausapotheker in interdisziplinärer Zusammenarbeit und durch ökonomische Optimierung der Pharmakotherapie die Kostensteigerungen teilweise kompensieren kann.

Mit Unterstützung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst initiierte die Apotheke des Krankenhauses rechts der Isar der Technischen Universität München Ende 1995 das Modellprojekt ”Pharmakoökonomische Beratung der Ärzte durch einen Apotheker auf Station”. Ziel des Projekts war es, durch die Verwendung therapeutisch gleichwertiger, aber kostengünstigerer Arzneimittel finanzielle Reserven im Krankenhaus zu schaffen. Dies sollte mit Beratung und Information der Ärzte durch den Apotheker erreicht werden. Einzelprojekte reichten von organisatorischen Verbesserungen in der Stationsversorgung (z.B. Warentransfer zwischen den Stationen bei Sonderanforderungen, Überprüfung der Ausschöpfung von Sonderentgelten für Blutprodukte, Optimierung der Stationsvorräte) bis zu therapeutischen Interventionen (Therapiestandards, die durch die Arzneimittelkommission des Krankenhauses festgelegt wurden). Zu einem besonderen Schwerpunkt wurde bald die Überarbeitung und Straffung des bis dahin vorhandenen Antibiotikaangebots, die hier im Rückblick auf fünf Jahre exemplarisch vorgestellt wird. Eine auf drei Jahre befristete Apothekerstelle konnte sich durch die resultierenden Kosteneinsparungen selbst finanzieren.

In der Planungsphase sammelte der Apotheker verschiedene Themen für mögliche Einzelprojekte im interdisziplinären Kontakt mit Ärzten/innen, Pflegepersonal, Mikrobiologen, Kollegen anderer Krankenhäuser sowie aus der Literatur. In Abhängigkeit von der kurz-, mittel- oder langfristigen Umsetzbarkeit und des ökonomischen Potentials wurden diese Einzelprojekte in einer Prioritätenliste des Gesamtprojekts ”Pharmakoökonomie” geordnet. In der Vorbereitungsphase wurden Konzepte zu den Projekten erarbeitet, mit den betroffenen Entscheidungsträgern auf Basis von Literaturdaten diskutiert und außerdem in der Arzneimittelkommission vorgestellt. Hier wurden auch die notwendigen Beschlüsse zur Umsetzung gefaßt.

Realisierung des Projekts: Alle Teilprojekte mit ihren Zielen und Maßnahmen aus dem Bereich Antibiotika sind in Tab. 1 aufgeführt: Acylureidopenicilline, Chinolone, Cefalosporine. Die Entwicklung der Antibiotikakosten wird in den Abb. 1-4 gezeigt (s.a. 3). Bei der Durchführung war vor allem die Zusammenarbeit mit den Ärzten des Instituts für Mikrobiologie von wesentlicher Bedeutung, denn erst die Verknüpfung der mikrobiologischen Untersuchungsergebnisse mit den auf die jeweiligen Patienten bezogenen Sonderanforderungen ermöglichten eine individuelle Beratung der behandelnden Ärzte.

Acylureidopenicilline: Die Arzneimittelliste des Klinikums r.d. Isar enthielt zu Projektbeginn Piperacillin und Mezlocillin als Acylureidopenicilline. Der Literatur ist eine bessere Wirksamkeit von Piperacillin gegenüber Pseudomonas aeruginosa zu entnehmen. Für das übrige Spektrum ist Mezlocillin ebenso wirksam, bei den Enterokokken dem Piperacillin sogar überlegen (4). Piperacillin ist dosisgleich und in der Handhabung mit Mezlocillin identisch, so daß ein Vergleich der Kosten zulässig ist. Der Einkaufspreis für Piperacillin lag zu Projektbeginn ca. 50% über dem für Mezlocillin. Vor allem auf den Normalstationen schien es realistisch, Piperacillin nur bei mikrobiologisch nachgewiesenen oder bei begründetem Verdacht auf Pseudomonas-aeruginosa-Infektionen anzuwenden. Deshalb strich die Arzneimittelkommission Piperacillin aus der Arzneimittelliste und beauftragte die Apotheke, alle Sonderanforderungen für Piperacillin in Zusammenarbeit mit den Ärzten der Mikrobiologie zu prüfen. An Hand der mikrobiologischen Befunde wurde in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt der mögliche Austausch durch Mezlocillin diskutiert. Bis 1997 konnte so der Anteil von Mezlocillin auf über 60% angehoben werden (Abb. 1). Allein dieses Teilprojekt sparte im ersten Jahr 180000 DM und im zweiten Jahr 280000 DM ein, wodurch die Kosten der Apothekerstelle bereits mehr als kompensiert wurden. 1997 zeigte die mikrobiologische Statistik des Klinikums r.d. Isar einen deutlichen Anstieg der Carbapenem-Resistenz bei Erstisolaten von Pseudomonas aeruginosa. Deshalb beschloß die Arzneimittelkommission, die initiale kalkulierte Antibiotika-Therapie auf den Intensivstationen nicht mehr mit dem Carbapenem Imipenem, sondern mit einer Kombination von Piperacillin und einem Betalaktamase-Inhibitor durchzuführen. Dies erklärt den Anstieg der Therapietage mit Piperacillin ab 1998, der auf Kosten der Therapie mit Imipenem geht (Abb. 1). Durch die intensive Beratung der behandelnden Ärzte in Zusammenarbeit mit der Mikrobiologie konnte der Anteil von Mezlocillin auch im Jahr 2000 bei etwa 50% gehalten werden.

Orale Therapie mit Chinolonen: Die Chinolone Ofloxacin und Ciprofloxacin sind Antibiotika, die enteral sehr gut resorbiert werden und Serumwerte erreichen, die mit denen nach parenteraler Gabe vergleichbar sind. Parenterale Zubereitungen sind jedoch – je nach Dosis – um 15-18mal teurer. Die parenterale Therapie verursacht auch zusätzliche Kosten durch den höheren Pflege- und Materialaufwand einer Infusion. Daher beschloß die Arzneimittelkommission, die parenteralen Zubereitungen der Chinolone nur noch bei Kontraindikation für eine orale Applikation (z.B. starke Diarrhö, Resorptionsstörungen, strikte Nahrungskarenz, unsichere Compliance) einzusetzen und aus der Arzneimittelliste zu streichen. Die Apotheke klärte bei Sonderanforderungen für parenterale Chinolone die Kontraindikationen für eine orale Therapie mit dem behandelnden Arzt ab. Durch kontinuierliche Beratung und Information durch den Apotheker konnte der Anteil der parenteralen Chinolone dauerhaft um ca. 50% gesenkt werden (Abb. 2). Auch wenn die Steigerung des Anteils der oralen Chinolone von 80% auf 90% nur gering erscheint, steckt dahinter doch eine enorme Reduktion der Kosten: 1999 gab es insgesamt ca. 15500 Therapietage mit Chinolonen im Klinikum r.d. Isar. Bei einer durchschnittlichen Differenz der Arzneimittelkosten zwischen oraler und parenteraler Chinolon-Applikation von etwa 100 DM/d führen 10% Unterschied (= 1500 Therapietage) zu einem Rückgang der Arzneimittelkosten um 150000 DM/Jahr. Zusätzlicher Material- und Pflegeaufwand ist hierbei noch nicht berücksichtigt. Durch die hohe Fluktuation der Ärzte/innen ist gerade bei diesem Projekt eine kontinuierliche Beratung erforderlich, um den Anteil parenteraler Chinolone niedrig zu halten. Der anhaltend hohe Bedarf an pharmakologischer Beratung zeigte sich auch an der Vielzahl der Sonderanforderungen für parenterale Chinolon-Zubereitungen, die auf Nachfrage durch orale ersetzt werden konnten.

Cefalosporine der zweiten Generation: Entsprechend den Therapiegewohnheiten der Ärzte im Klinikum r.d. Isar fand sich 1995 nur Cefotiam als Cefalosporin der zweiten Generation in der Arzneimittelliste. Auf Initiative der Apotheke nahm die Arzneimittelkommission 1995 mit Cefuroxim eine gleichwertige aber kostengünstigere Alternative in die Liste auf. Zugleich wurde für die perioperative Prophylaxe postoperativer Wundinfektionen Cefazolin (Cefalosporin der ersten Generation) als Standard empfohlen. Ein erster Rückgang im Verbrauch von Cefotiam sowie Preissenkungen führten 1996 zu einem Rückgang der Kosten (Abb. 3). Trotz Listung und intensiver Information durch die Apotheke änderten sich die Therapiegewohnheiten bis 1997 nur wenig. Erst als die Arzneimittelkommission Mitte 1998 nach Diskussion der aus der Literatur und durch die hauseigene Mikrobiologie zur Verfügung gestellten Daten beschloß, Cefotiam aus der Arzneimittelliste zu streichen, sanken Kosten bei gleicher therapeutischer Qualität deutlich (Abb. 3).

Fünf Jahre pharmakoökonomische Beratung und Arzneimittelinformation: Das Projekt zur Rationalisierung der Antibiotikatherapie wird seit 1995 konsequent umgesetzt. Die jährlichen Gesamtkosten der Antibiotika sind in der Zeit von 1995 bis 1999 von ca. 4 Mio. DM kontinuierlich auf 2,8 Mio. DM gesunken. Gleichzeitig sind die Therapietage mit teuren Antibiotika aber um 17% gestiegen (Abb. 4); dies ist durch die Abnahme der Verweildauer und die zunehmende Behandlung schwerkranker Patienten zu erklären. Preisrückgänge bei einzelnen Antibiotika sind auch zum Teil an der Kostenabnahme in diesem Zeitraum beteiligt. Bei der Auswertung der pharmakoökonomischen Einzelprojekte ist aber zu erkennen, daß die wesentlichen Kostensenkungen auf die Beratung der Ärzte bei ihrer Arbeit auf den Stationen durch einen Apotheker zurückzuführen sind. Diese Beratung muß kontinuierlich fortgesetzt werden, um die gesetzten Standards aufrecht zu erhalten. Neben den ökonomischen Auswirkungen wird in der Literatur auch ein positiver Einfluß auf die Qualität der Behandlung diskutiert. Eine niederländische Studie dokumentiert neben einer Reduktion der Kostenreduktion auch eine signifikante Verkürzung der Liegezeiten (5). Insofern ist es schlüssig, daß sich aus dem zunächst befristeten Projekt die ”Abteilung für Arzneimittelinformation und pharmakoökonomische Beratung” als eine feste Einrichtung der Krankenhausapotheke im Klinikum r.d. Isar entwickelt hat. Als neue Projekte werden inzwischen interdisziplinäre pharmakoökonomische Studien durchgeführt (6) und die Arzneimittelinformationen für Ärzte und Pflegekräfte im Klinikum verstärkt. Intensive Arzneimittelinformation kann positive ökonomische Auswirkungen haben, wie auch aus einer amerikanischen Arbeit hervorgeht. Die Beratung der Ärzte durch Krankenhausapotheker, die hier primär nicht auf eine Reduktion der Kosten abzielte, führte an einer amerikanischen Universitätsklinik zu einer jährlichen Einsparung von 400000 US $ (7).

Literatur

  1. Schäfer, W., und Schröder, U.: f & w 2000, 17, 502.
  2. Bernard, R.: Vortrag 1999.
  3. Ihbe-Heffinger, A., und Bernard, R.: Pharm. Ztg. 1998, 143, 1175.
  4. Simon, C., und Stille, W.: Antibiotikatherapie, Schattauer Stuttgart, New York 2000. 10. Auflage.
  5. Van Lent-Evers, N.A., et al.: Ther. Drug Monit. 1999, 21, 63.
  6. Ihbe-Heffinger, A., et al.: Eur. J. Cancer 2000, 36 Suppl.3, 18.
  7. McMullin, S.T., et al.: Arch. Intern. Med. 1999, 159, 2306.

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