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Auch Paracetamol, nicht nur Azetylsalizylsäure, verstärkt den antikoagulatorischen Effekt von Coumarinen

Es ist bekannt, daß Azetylsalizylsäure (ASS) die Wirkung von Phenprocoumon (Marcumar) oder Warfarin auf die Blutgerinnung durch Verdrängung des Antikoagulans aus der Eiweißbindung verstärkt. Auch für Paracetamol (Acetaminophen) wurde gezeigt, daß es durch noch nicht geklärte Mechanismen die Wirkung von Coumarinen steigern kann. E.M. Hylek et al. aus Boston berichten im JAMA (1998, 279, 657) über Risikofaktoren, die bei bisher stabil eingestellten antikoagulierten Patienten (mit Warfarin; INR zwischen 2 und 3) zu unerwarteten Erhöhungen der INR führten. Als „Fälle“ wurden Patienten definiert, bei denen im Rahmen von Verlaufskontrollen INR-Werte von > 6 beobachtet wurden. Eine INR > 4 gilt als Risikofaktor für Blutungen, besonders im Gehirn. Die 93 „Fälle“ wurden mit 196 Kontrollen verglichen, bei denen die INR im Bereich zwischen 2 und 3 blieb.

Es ergab sich, daß ungewöhnlich viele dieser Patienten, die primär wegen Vorhofflimmerns, wegen zerebrovaskulärer Erkrankungen oder wegen dilatativer Kardiomyopathie antikoaguliert worden waren, Paracetamol einnahmen. Das Risiko, eine INR > 6 zu entwickeln, war signifikant und dosisabhängig mit der Einnahme von Paracetamol assoziiert. Bei Einnahme von mehr als 9 g Paracetamol/Woche stieg das Risiko einer solchen Entgleisung des Quick-Wertes auf 10,0 (Vertrauensbereich 2,6 bis 37,9) an. Bei Einnahme von 4,5 bis 9 g Paracetamol/Woche betrug das Risiko immer noch 6,9. Bei kleineren Dosen (2,2 bis 4,5 g Paracetamol/Woche) war das Risiko mit 3,5 nur noch marginal signifikant erhöht. Folgende andere Merkmale waren signifikant mit einer INR > 6,0 assoziiert: Benutzung neuer Medikamente nach der Einstellung von Warfarin (Risiko 8,5), eine fortgeschrittene Krebserkrankung (Risiko 16,4), Durchfallerkrankung (Risiko 3,5) und verminderte Nahrungszufuhr (Risiko 3,6). Hohe Zufuhr von Vitamin K und vermehrter Alkoholkonsum waren negativ mit einer INR > 6,0 assoziiert. Alkohol beschleunigt den hepatischen Metabolismus von Warfarin.

In diesem Artikel und in einem begleitenden Editorial von W.R. BeIl (JAMA 1998, 279, 792) wird darauf hingewiesen, daß Ärzte, die antikoagulierte Patienten betreuen, sehr gut über Wechselwirkungen zwischen Warfarin und anderen Medikamenten Bescheid wissen müssen. Sie müssen auch mit den anderen hier erwähnten Risikofaktoren vertraut sein. Antikoagulierte Patienten sollten so wenige weitere Medikamente wie möglich erhalten. Bei Verschreibung eines neuen Medikaments muß der Quick-Wert bzw. die INR in kurzen Abständen kontrolliert werden. Das Ausmaß, in dem Paracetamol mit der Wirkung von Warfarin interferiert, war bisher nicht bekannt.

Fazit: Paracetamol, eines der am häufigsten eingenommenen Medikamente überhaupt, verstärkt die Wirkung von Warfarin (und wahrscheinlich auch von Phenoprocoumon = Marcumar) auf den Quick-Wert bzw. die INR. Antikoagulierte Patienten müssen gewarnt werden, unkontrolliert Paracetamol, aber auch andere Medikamente einzunehmen, da aus einer Erhöhung der INR Blutungskomplikationen resultieren können.