Im Auftrag der Kommission Hormontoxikologie der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie berichteten kürzlich C. Rolf und E. Nieschlag in den Endokrinologie-lnformationen (1999, Heft 4, S. 126) über Möglichkeiten zur Behandlung der insbesondere bei älteren Männern häufigen erektilen Dysfunktion (ED). Das Thema ist durch das seit einiger Zeit auch in Deutschland zugelassene Sildenafil (Viagra) populär geworden (s.a. AMB 1998, 32, 44), bleibt aber tatsächlich auch ein wichtiges klinisches und für die Betroffenen psychisch belastendes Problem.
Zunächst sollte bei einem Mann mit ED ein Testosteronmangel und/oder eine Hyperprolaktinämie ausgeschlossen werden. Bei dieser endokrinologischen Störung sind fast immer Libido und Erektionsvermögen gleichzeitig gestört. Die Therapie besteht in der Hormonsubstitution (i.m. Injektionen von Testosteron-Estern oder perkutane Testosteron-Applikation). Bei Männern mit normalem Serum-Testosteron ist die ED in der Regel multifaktoriell verursacht. Soziale, psychische, neurologische und vaskuläre Faktoren (arterielle Verschlußkrankheit) und eventuell vorangegangene operative Eingriffe im Urogenitalbereich sind zu berücksichtigen. Starkes Rauchen und bestimmte Antihypertensiva (z.B. Betarezeptoren-Blocker und andere Sympathikolytika) können eine ED verstärken. Bevor man einem Patienten, für den die ED tatsächlich ein subjektives Problem ist, eine Therapie empfiehlt, sollte eine gründliche Anamnese erhoben und eine vollständige körperliche Untersuchung durchgeführt werden.
Eine relativ unangenehme, weil kaum diskret durchführbare Behandlung ist die Schwellkörper-Autoinjektionstherapie (SKAT). Hierbei wird ein Vasodilatator (meist Prostaglandin E1 = Alprostadil) in den Schwellkörper des Penis injiziert (1, 2). Die Dosis muß individuell ermittelt werden. Bei zu hoher Dosis kann es zu Schwindel und Blutdruckabfall und lang anhaltendem Priapismus kommen.
Eine nebenwirkungsarme Variante dieser Therapie, die auch einfacher zu handhaben ist, ist die transurethrale Instillation von Alprostadil (Medicated Urethral System for Erection = MUSE; 3), wobei das Prostaglandin-Derivat in die Schwellkörper diffundiert und ähnliche Wirkungen ausübt wie das direkt injizierte. Diese Therapie ist jedoch nur bei etwa 30 bis 40% der Männer mit ED wirksam, während die lnjektionstherapie in etwa 90% wirksam sein soll. Die Kombination von Alprostadil mit dem Alpharezeptor-Antagonisten Prazosin soll die Wirksamkeit der transurethralen Therapie erhöhen.
Auch Yohimbin, ein Alpha-2-Rezeptor-Antagonist, ist bei manchen Patienten, besonders bei solchen mit psychogener ED, wirksam (4). Als Dosierung werden 3mal 5 bis 3mal 10 mg/d empfohlen. Bei manchen Patienten scheint auch die Einnahme einiger Tabletten vor dem gewünschten Geschlechtsverkehr wirksam zu sein.
Über den Phosphodiesterase-Typ-5-Hemmer Sildenafil haben wir kürzlich berichtet (AMB 1998, 32, 44). Die Wirkung von Sildenafil ist in einem Bereich zwischen 25 und 100 mg dosisabhängig. In einer plazebokontrollierten Studie von Goldstein et al. (5) war Plazebo bei 25% und 25, 50 bzw. 100 mg Sildenafil bei 56%, 77% und 84% der Patienten wirksam. Der Erfolg der Anwendung von Sildenafil hängt auch von der die ED verursachenden Störung ab. Sie ist relativ gering bei Patienten mit Diabetes mellitus und Zustand nach Prostata-Operationen (57% bzw. 43%) und relativ hoch bei Patienten mit psychogenen bzw. organisch bedingten Erektionsstörungen und Rückenmarkverletzungen (84% bzw. 80% bzw. 83%). Stets sollte die kleinste wirksame Dosis von Sildenafil eingesetzt werden. Wie schon mehrfach berichtet, ist die Anwendung von Sildenafil bei Patienten, die eine Nitrat-Therapie erhalten, absolut kontraindiziert. Auch darf bei Patienten, die während eines Geschlechtsverkehrs nach Sildenafil-Einnahme Angina pectoris bekommen, auf keinen Fall ein Nitratpräparat gegeben werden (6). Mehrfach ist über Todesfälle während des Geschlechtsverkehrs nach Anwendung von Sildenafil berichtet worden. Es ist jedoch unklar, wie oft die Gabe von Sildenafil Hauptursache der Todesfälle war und wie oft bei älteren Männern auch ohne Sildenafil durch die Anstrengung des Geschlechtsverkehrs Todesfälle verursacht werden.
Sildenafil ist ein nicht sehr spezifischer Phosphodiesterase-Typ-5-Inhibitor. Einige Pharmafirmen versuchen durch die Herstellung spezifischerer Phosphodiesterase-Typ-5-Inhibitoren Kreislaufkomplikationen nach Anwendung dieser Substanz zu verringern oder auszuschließen. Aussagefähige Studien mit Nachfolgepräparaten liegen allerdings noch nicht vor.
Fazit: Die erektile Dysfunktion ist eine, insbesondere bei älteren Männern, häufige Störung, die einer genauen diagnostischen Analyse bedarf. Ebenso differenziert sollte die Indikation zur Anwendung verschiedener Behandlungsprinzipien gestellt werden.
Literatur
- Linet, O.I., et al.: N. Engl. J. Med. 1996, 334, 873.
- Lipshultz, L.I.: N. Engl. J. Med. 1996, 334, 913.
- Padma-Nathan, H., et al.: N. Engl. J. Med. 1997, 336, 1.
- Yohimbine for male sexual dysfunction. Med. Lett. Drugs Ther. 1994, 36, 115.
- Goldstein, I., et al.: N. Engl. J. Med. 1998, 338, 1397.
- Leserbriefe: N. Engl. J. Med. 1999, 341, 700.