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Systemische Steroide bei exazerbierter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung?

Eine exazerbierte chronisch obstruktive Lungenerkrankung (WHO-Terminus: Chronic obstructive pulmonary disease, COPD) wird im allgemeinen medikamentös mit Antibiotika, Bronchospasmolytika und Steroiden behandelt. Im Gegensatz zum akuten Asthma bronchiale, bei dem der Nutzen einer Steroidgabe durch Studien gut belegt ist, fehlt bislang ein klarer Wirksamkeitsnachweis von Steroiden bei exazerbierter COPD.

Eine US-amerikanische Gruppe (Niewoehner; D.E., et al.: N. EngI. J. Med. 1999, 340, 1941) hat nun versucht, prospektiv, randomisiert, doppeltblind und plazebokontrolliert den Nutzen systemisch gegebener Steroide bei einer exazerbierten COPD nachzuweisen.

Hierzu wurden multizentrisch (Veteran Affairs Medical Centers) insgesamt 271 Patienten mit jeweils mehr als 30 Packungsjahren Zigaretten und eine Ein-Sekunden-Kapazität (FEV1) unter 1500 ml mit einer akuten Exazerbation eingeschlossen. Da eine systemische Steroidgabe in den 30 Tagen zuvor ein Ausschlußkriterium war, bereitete die Rekrutierung für die Studie mehr Probleme als erwartet. Die Mehrzahl in Frage kommender Patienten wurde bereits von ihren Hausärzten chronisch systemisch mit Steroiden behandelt. Die Randomisierung der letztlich eingeschlossenen 240 Patienten erfolgte innerhalb von 12 Stunden nach der Krankenhausaufnahme in 3 Gruppen. Gruppe 1 (n = 80) erhielt 8 Wochen lang systemisch Steroide (3 Tage lang Methylprednisolon 125 mg alle 6 Stunden i.v., danach oral Prednison, beginnend mit 60 mg/d mit stufenweiser Dosisreduktion). Gruppe 2 (n = 80) wurde nur 2 Wochen lang systemisch mit Steroiden behandelt (3 Tage lang Methylprednisolon 125 mg alle 6 Stunden i.v., danach oral Prednison, beginnend mit 60 mg/d mit Dosisreduktion, danach weitere 6 Wochen Plazebo-Kapseln). Gruppe 3 (n = 111) wurde 8 Wochen lang mit Plazebo i.v. bzw. oral behandelt. Im übrigen blieben alle Patienten mindestens 3 Tage lang im Krankenhaus und erhielten mindestens 7 Tage lang ein Breitspektrumantibiotikum. Während der gesamten Behandlungs- und Nachbeobachtungsdauer von 6 Monaten wurden regelmäßig Beta2-Mimetika, Anticholinergika (lpratropiumbromid) und Kortikoid (Triamcinolon) inhaliert. Nur bei „Therapieversagen“ unter der genannten Medikation waren Theophyllin und zusätzliche Steroidgaben erlaubt.

Die demographischen und klinischen Daten der verschiedenen Gruppen unterschieden sich nicht wesentlich: mittleres Alter 67 Jahre, 98% Männer; 89% mit Giemen/Rasselgeräuschen, 67% mit Auswurf, 20% mit mehr als zwei Exazerbationen/Jahr, 50% aktuelle Raucher; 18% mit häuslicher Sauerstofftherapie, mittlere FEV1 775 ml. Die Vormedikation war ebenfalls sehr ähnlich: inhalativ Beta2-Mimetikum (86%), inhalativ Anticholinergikum (70%), Steroid-Spray (48%), oral Theophyllin (34%) und oral Beta2-Mimetikum (10%).

Ergebnisse: Die Compliance der Medikamenteneinnahme war während des gesamten Beobachtungszeitraums von 6 Monaten in allen drei Gruppen gleich hoch (85-89%). Ein frühes „Therapieversagen“ (Tod, Intubation, erneute Krankenhausbehandlung, Notwendigkeit einer Therapieintensivierung) innerhalb von 30 Tagen war in den Steroid-Gruppen seltener als unter Plazebo (23% vs. 33%). Die positiven Wirkungen waren in beiden Steroid-Gruppen gleich groß. Nach 6 Monaten war der günstige Effekt der Steroide jedoch wieder verlorengegangen. In allen Gruppen wurde dann gleich häufig mindestens ein Therapieversagen gezählt (etwa 50%).

Auch die durchschnittliche Krankenhaus-Verweildauer bei der ersten Exazerbation war in den Steroid-Gruppen kürzer (8,5 vs. 9,7 Tage). Im weiteren Verlauf kam es jedoch in allen Gruppen gleich häufig zu weiteren Krankenhausaufenthalten wegen der COPD.

Bei den mit Steroiden behandelten Patienten waren jedoch im Beobachtungszeitraum häufiger weitere Krankenhausbehandlungen wegen anderer Diagnosen als COPD erforderlich (4,4 vs. 1,2 Tage), meist wegen behandlungsbedürftiger Hyperglykämien (s. Tab. 1).

Fazit: Bei akut exazerbierter chronisch obstruktiver Lungenerkrankung ist die systemische Gabe von Steroiden indiziert. Sie verkürzt den Krankenhausaufenthalt im Mittel um einen Tag und führt seltener zu einem Versagen der Therapie und zu Rezidiven innerhalb der ersten 3 Monate. Dabei ist eine kurze Behandlung (2 Wochen) ebenso effektiv wie eine längere (8 Wochen) und hat darüber hinaus weniger unerwünschte Wirkungen. Diese günstigen Effekte werden relativiert durch die Komplikationen der Steroid-Therapie. Ob die übliche klinische Praxis einer chronischen systemischen Gabe von Steroiden mit all den bekannten Folgeschäden angesichts dieser Daten gerechtfertigt werden kann, ist sehr fraglich.

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