Zusammenfassung: Die Gabe von Thyroxin ist ein seit Jahren bewährtes Behandlungsprinzip der euthyreoten Struma. Viele Studien haben jedoch gezeigt, daß eine Abnahme des Schilddrüsenvolumens auch mit Jodid oder einer Kombination aus Thyroxin und Jodid erreicht werden kann. Jodid scheint bei endemischer Jodmangelstruma die logischere therapeutische Option zu sein. Obwohl sich der Behandlungserfolg mit Thyroxin, Jodid oder der Kombination nicht signifikant unterscheidet, kommt es nach Beendigung einer alleinigen Therapie mit Thyroxin (wegen des noch akzentuierten intrathyreoidalen Jodmangels) fast zwangsläufig zum Strumarezidiv. Dieses muß durch eine anschließende adäquate Gabe von Jodid verhindert werden. Je sicherer die Diagnose einer Jodmangelstruma ohne autonom funktionierende Anteile ist, desto eher ist eine alleinige Therapie mit Jodid angezeigt. Bei Hinweisen auf eine Autonomie (TSH niedrig normal oder erniedrigt) dürfen weder Jodid noch Thyroxin gegeben werden. Läßt das Echomuster an eine Autoimmunthyreoiditis denken, sollten zur Diagnosesicherung Autoantikörper bestimmt werden. Jodid ist in diesem Fall nicht indiziert. Eine bessere Jodversorgung könnte die derzeitige Strumaprävalenz von etwa 30% auf unter 5% senken. Eine wirksame Strumaprophylaxe ist bisher nur individuell möglich. Sie sollte bereits während der Fetalzeit durch eine genügende Jodzufuhr der Schwangeren (200-300 ìg/d) beginnen.
Einleitung: Levothyroxin ist in Deutschand eines der am meisten verordneten Medikamente (s. AMB 1996, 30, 88). Die Indikation dafür ist nur relativ selten eine Hypothyreose; meist wird Thyroxin zur Strumatherapie verordnet. Ist dies nach gut 100 Jahren Strumatherapie mit Thyroxin noch zeitgemäß? In seinem Artikel „Über die Kropfbehandlung mit Schilddrüsenfütterung“ berichtete P. Bruns 1894 über „die ausschließliche Wirksamkeit bei einfachen Kröpfen ohne Complicationen, d.h. bei Parenchymkröpfen, und die Aussichtslosigkeit von vornherein bei Cystenkröpfen“ (1). Bereits Bruns empfahl, zunächst Kinder und Jugendliche zu behandeln, da Kröpfe bei diesen am ehesten rückbildungsfähig seien. Die Jodmangel-Theorie war bereits Virchow bekannt; er lehnte sie aber ab. Zusammenhänge zwischen histologischer Schilddrüsenstruktur und Jod wurden 1908 beschrieben (2).
Epidemiologie und Pathogenese der Struma: Die wesentliche Ursache der Struma ist der endemische Jodmangel. Die geologischen Ereignisse der letzten Eiszeit erzeugten einen Jodmangel in unserer heutigen Umwelt. Dies hat zur Folge, daß wir mit unserer einheimischen Ernährung den normalen Jodbedarf nicht decken können. Strumahäufigkeit und Schilddrüsenvolumen korrelieren in epidemiologischen Studien negativ mit der Jodausscheidung im Urin. In Deutschland liegt die Jodausscheidung Erwachsener bei nur 48 bis 84 µg/g Kreatinin und in Jodmangelregionen – vor allem bei Schulkindern – sogar noch darunter, während gleichaltrige schwedische Kinder 173 µg Jodid/g Kreatinin ausscheiden (3-4). Mäßiger Jodmangel führt in der Regel lediglich zur Struma und deren Folgekrankheiten. Fast eine Milliarde Menschen lebt weltweit im Jodmangel. 190 Millionen sind erkrankt, davon drei Millionen mit schweren Störungen wie Hypothyreose, körperlicher und/oder geistiger Retardierung, wie sie bei höhergradigem Jodmangel vorkommen (5). Neben einer regionalen Häufung, die vom Ausmaß des lokalen Jodmangels abhängig ist, gibt es ein familiäres Auftreten. Mädchen und Frauen sind häufiger betroffen. Die bei 1397 deutschen Erwachsenen sonographisch gemessenen Schilddrüsenvolumina ergaben bei Frauen 16,5 ± 12,2 ml, bei Männern 26,9 ± 17,0 ml (3). Epidemiologische Daten aus Deutschland und Nicht-Jodmangel-Ländern haben zu den in Tab. 1 aufgeführten oberen Normgrenzen (nicht Mittelwerte oder Medianwerte) der Schilddrüsengröße geführt. Im Vergleich zu gleichaltrigen Kindern in Malmö hatten 79% von 252 deutschen Kindern ein Schilddrüsenvolumen oberhalb vom Mittelwert +2 SD aus der schwedischen Studie, bei 69% war es sogar größer als der MW +3 SD (6). Die Strumaprävalenz bei 569 älteren Menschen (> 60 Jahre) betrug bei Männern 22,5% und bei Frauen 54,2% (7). Neue epidemiologische Untersuchungen konnten trotz höherer Jodzugabe und weiterer Verbreitung des jodierten Speisesalzes die hohe Strumaprävalenz bestätigen. Ein Grund ist die allgemein nur zögerliche Verwendung des jodierten Speisesalzes und das Fehlen anderer effektiver Maßnahmen, wie z.B. das Beimischen jodhaltiger Mineralstoffe zum Viehfutter. Zur Zeit ist eine wirkungsvolle Strumaprophylaxe nur individuell möglich. Dabei ist wichtig, die „Risikogruppen“ zu erreichen: Kinder in der Pubertät, Schwangere, Stillende, Personen mit familiär häufigen Strumen sowie Patienten nach medikamentöser oder operativer Strumatherapie.
In der Pathogenese ist die genetische Komponente bisher nicht genauer definiert. Das Konzept, ein zu geringes Jodangebot in der Nahrung führe zu einer verminderten Synthese des Schilddrüsenhormons, in der Folge zu erhöhtem TSH (TSH = Thyreoidea-stimulierendes Hormon, Thyreotropin) bzw. erhöhter Ansprechbarkeit der Thyreozyten und schließlich zur Hyperplasie, kann als widerlegt gelten. Die TSH-Werte im Serum sind bei Strumaträgern in Jodmangelgebieten signifikant niedriger als bei gesunden Menschen ohne Jodmangel (3). Eher führt Jodmangel mit einer verminderten Jodierung des Thyreoglobulins und bestimmter Jodlipide, z.B. Delta-lodolacton und 2-lodohexadecanal, zu ineffektiver Jodutilisation und Hormonsynthese und zusammen mit lokalen Wachstumsfaktoren (z.B. IGF-1, EGF, FGF, Mangel an TGF-beta) zur Struma (8, 9). Länger bestehender Jodmangel scheint eine wesentliche Ursache für die Entstehung von Knoten, Zysten, regressiven Veränderungen sowie der Schilddrüsenautonomie zu sein (10). Viele (allerdings nicht alle) autonome Adenome zeigen eine somatische Mutation im TSH-Rezeptor-Gen mit der Folge einer konstitutiven TSH-Rezeptor-Aktivierung (11). Je älter ein Strumapatient, desto wahrscheinlicher sind autonom funktionierende Thyreozyten, Follikel und Knoten. Unterschiedliche Grade einer Autonomie sind mit sensitiven Methoden (quantitative Szintigraphie unter Suppressionsbedingungen) bei zwei Drittel älterer Strumaträger nachweisbar. Auch bei normalen TSH-Serum-Werten ist eine Autonomie möglich. Vermutlich läßt sich eine bereits bestehende Schilddrüsenautonomie nicht mehr durch eine medikamentöse Therapie beeinflussen. Daher wird von einer Thyroxin- oder Jodidgabe bei Autonomie üblicherweise abgeraten; allerdings gibt es dazu bisher keine Studien. Eine unerkannte Autonomie der Schilddrüse ist auch die häufigste Ursache einer nach Jodbelastung (Amiodaron, Röntgen-Kontrastmittel) auftretenden Hyperthyreose.
Definition und Diagnose einer Struma: Eine Struma ist die Vergrößerung des Schilddrüsenvolumens, zunächst unabhängig von der Schilddrüsenfunktion. Die Diagnose sollte nicht nur auf der Inspektion und Palpation (durchschnittlicher Fehler bei 34%) beruhen, sondern immer auch auf der Sonographie mit Volumetrie (Länge x Breite x Dicke [in cm] x 0,5 = Volumen [in ml] je Lappen) und Beurteilung des Echomusters. Lebensalter, Gewicht, Größe oder Körperoberfläche korrelieren bei gesunder Schilddrüse mit dem Schilddrüsenvolumen. Für den täglichen Gebrauch reichen aber die in der Tab. 1 genannten Anhaltswerte aus. Die alte Stadieneinteilung der WHO (Ia = tastbare Struma, auch bei rekliniertem Kopf nicht sichtbar; Ib = tastbare, bei rekliniertem Kopf auch sichtbare Struma; II = bei normaler Kopfhaltung bereits sichtbare Struma; III = sehr große, auch aus größerer Entfernung sichtbare Struma) ist sehr subjektiv und sollte durch die Volumenangabe in ml ersetzt werden. In Abhängigkeit von Lebensalter, Geschwindigkeit der Strumaentstehung, Echomuster und klinischer Symptome sollte zusätzlich die Schilddrüsenfunktion geprüft werden. Ein normales Serum-TSH belegt die euthyreote Stoffwechsellage. Besonders bei Kindern vor der Pubertät und bei rascher Schilddrüsenvergrößerung muß an eine Autoimmunthyreoiditis (M. Hashimoto) gedacht werden. Gewöhnlich fällt eine solche Schilddrüse bereits durch ein hyporeflexives Ultraschallmuster auf. Im Zweifelsfall sichern erhöhte Autoantikörper gegen Schilddrüsenperoxidase (TPO) und/oder Thyreoglobulin (Tg) diese Diagnose. Jodid darf bei Autoimmunthyreoiditis nicht verordnet werden, da es die Manifestation einer Hyperthyreose begünstigen kann. Bei erniedrigtem TSH und gar bei Hyperthyreose gelten sowohl Jodid als auch Thyroxin als kontraindiziert. Bei eindeutig erhöhtem TSH sollte nur Thyroxin gegeben werden.
Strumaprophylaxe und Beheben des Jodmangels: Bei frühzeitigem Ausgleich des alimentären Jodmangels können Strumen und deren Folgeerkrankungen meist verhindert werden. Frühzeitig bedeutet bereits intrauterin. Eine Schwangere sollte dem Föten zuliebe ausreichend Jodid aufnehmen (200-300 µg/d). Höhere Dosen (400-500 µg/d), wie sie gelegentlich zur Strumatherapie eingesetzt werden, sollten während der Schwangerschaft vermieden werden. Jodidgabe während der Schwangerschaft (200-300 µg/d) führt zu signifikant kleineren (normalgroßen) Schilddrüsen bei Neugeborenen. Durch die Einführung der Jodprophylaxe in der ehemaligen DDR sank die Häufigkeit der Neugeborenenstrumen von 6 bis 7% in den Jahren 1976 bis 1978 auf 0,15% im Jahr 1987 (12). Auch während der Stillzeit sollte Jodid eingenommen werden. Wird keine kommerzielle Babynahrung gefüttert, ist anschließend eine Jodidgabe von 50-100 µg/d beim Kleinkind sinnvoll. Mit zunehmendem Lebensalter erhöht sich die Tagesdosis weiter bis auf 150-200 µg/d beim Erwachsenen (Tab. 2). Erfolgt der Ausgleich eines Jodmangels nicht rechtzeitig, läuft jede medikamentöse Therapie einer bereits eingetretenen Hyperplasie und Hypertrophie lebenslang hinterher.
Therapie der Struma: Das therapeutische Maximalziel, nämlich die Normalisierung einer vergrößerten und/oder möglicherweise knotig veränderten Schilddrüse, ist oft nicht erreichbar. Als Minimalziel kann das Verhindern eines weiteren Wachstums gelten. Die Gabe von Thyroxin ist die am weitesten verbreitete Strumatherapie. Diese Therapie beruht auf der Vorstellung, die Schilddrüse durch Thyroxinzufuhr von ihrer Hormonproduktion zu entlasten und das TSH zu senken. Allerdings wurde die Rolle des TSH als alleiniger oder führender Wachstumsfaktor für die Schilddrüse deutlich überschätzt. Früher wurde zur effektiven Strumatherapie eine Suppression des TSH unter die Meßgrenze gefordert. Nach Einführung sensitiverer TSH-Assays wird von vielen lediglich ein Senken des TSH in den unteren Normbereich oder leicht darunter angestrebt. Andere Zielparameter sind weniger geeignet. Das Serum-Trijodthyronin bleibt unter Thyroxingabe meist unverändert, das Thyroxin (auch das freie Thyroxin) liegt unter Gabe des Hormons oft oberhalb der Normgrenze. Während der intrathyreoidale Jodgehalt unter Jodidgabe ansteigt, nimmt er unter Thyroxingabe weiter ab. Dies hat besondere pathogenetische Bedeutung für das Rebound-Phänomen, das nach Beendigung einer Thyroxinbehandlung beobachtet wird, wenn keine Prophylaxe mit Jodid angeschlossen wird. Oft ist nach wenigen Wochen wieder das Ausgangsvolumen der Schilddrüse erreicht. Zwar kann mit einer festen Kombination von 100 µg Jodid/d und 100 µg L-Thyroxin/d die weitere Abnahme des intrathyreoidalen Jodgehalts vermieden werden, es kommt aber nicht zur Akkumulation des Jodids (13). Nach den Empfehlungen der Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie sollte eine Strumatherapie mit Thyroxin maximal ein oder eineinhalb Jahre lang durchgeführt und dann mit Jodid fortgesetzt werden.
Levothyroxin-Natrium: Levothyroxin-Natrium wird im oberen Dünndarm rasch und (besonders im Nüchtemzustand) fast vollständig resorbiert. Es gilt als Prohormon, aus dem die Leber, die Nieren, aber auch alle Endorgane durch enzymatische Dejodierung bedarfsgerecht Trijodthyronin (T3) herstellen können. T3 – das wirksame Hormon – wird an intranukleäre Hormonrezeptoren gebunden und wirkt so als (zumeist Gen-aktivierender) Transkriptionsfaktor. In der thyreotropen Hypophysenzelle wirkt es inhibierend auf die Transkription der b- und a-Ketten des TSH (negativer Feedback-Mechanismus). In Abhängigkeit von der exogenen Thyroxindosis und dem Grad einer möglicherweise vorhandenen Autonomie der Schilddrüse fällt TSH ab. Das Absinken des TSH und die Entlastung der Schilddrüse von der Hormonproduktion bewirkt einen Rückgang der Hypertrophie der Thyreozyten und damit eine Strumaverkleinerung. Es ist wenig wahrscheinlich, daß auch die Hyperplasie zurückgeht; daher kommt es wohl auch zum Rebound-Effekt nach Absetzen des Thyroxins. Zur Therapie wird fast ausschließlich Thyroxin als Monosubstanz verwendet. Mischpräparate mit T3-Anteil oder reine T3-Präparate führen zu unerwünscht erhöhten T3-Serumspiegeln oft mit der Folge kardialer Beschwerden. Nebenwirkungen (Hyperthyreoseymptome) treten nur bei falscher Indikation oder zu hoher Dosierung auf. Die chronische Gabe von Thyroxin in TSH-suppressiver Dosis wurde mit einer Abnahme der Knochendichte bei postmenopausalen Frauen und mit erhöhter lnzidenz tachykarder Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern) in Verbindung gebracht. Wenn auch diese Zusammenhänge nicht eindeutig bewiesen sind, wird heute bei der Therapie mit Schilddrüsenhormon keine vollständige TSH-Suppression (< 0,1 mU/l) angestrebt. Ein vermutetes erhöhtes Mammakarzinom-Risiko durch Thyroxin-Medikation ließ sich nicht bestätigen. Jod: Jod wird als Jodid (100-500 µg/d) eingenommen und gut resorbiert. Erst Dosen von mehr als 10 mg führen beim Gesunden zu einer Blockade der Jodaufnahme und der Sekretion von Schilddrüsenhormon (Wolff-Chaikoff-Effekt). Die wöchentliche Einmalgabe eines Jodid-Depot-Präparates (1,53 mg) führt kurzzeitig (1 bis 3 Tage lang) zu einer deutlicheren Zunahme der Jodurie als eine annähernd gleiche Wochendosis verteilt auf 7mal 200 µg. Anhand der gesteigerten Jodurie kann die Compliance des Patienten überprüft werden. Eine Jodidallergie wird bei diesen Dosierungen gewöhnlich nicht beobachtet. Eine Dosis von 500 µg Jodid/d führt nach wenigen Monaten zu einem intrathyreoidalen Jodgehalt (0,65 mg/g Schilddrüsengewebe), wie er aus Ländern ohne Jodmangel bekannt ist (13). Zur Strumatherapie werden jedoch meist geringere Dosen empfohlen, da höhere Dosen gelegentlich eine Hyperthyreose („Jod-Basedow“) oder lmmunthyreoiditis begünstigen. Auch bei der Therapie mit Jodid gibt es experimentell keinen Beweis für eine numerische Abnahme der Schilddrüsenzellen als Erklärung der Strumaregression. In vitro konnte eine Hemmung der Schilddrüsenzell-Proliferation durch Jodid gezeigt werden (14). Nach Beendigung einer Jodidtherapie kommt es nicht zu einem Rebound-Effekt auf das Schilddrüsenvolumen, wenn anschließend die alimentäre Jodversorgung ausreichend ist. In einer kleinen, nicht randomisierten und nicht plazebokontrollierten Untersuchung wurden 89 Kinder zwischen 6 und 14 Jahren mit leichter Struma (WHO I) ein Jahr lang mit 150 µg/d Jodid behandelt. Bei 54 Kindern mit guter Compliance (gemessen an der Urinjodausscheidung >150 µg/g Kreatinin) war bereits nach vier Monaten das Volumen der Strumen um mehr als 50% zurückgegangen (von 13,5 ± 5,9 ml auf 6,4 ± 2,5 ml); bei schlechter Compliance war dieser Effekt deutlich geringer (8,9 ± 5,9 ml). Letztlich lag das Schilddrüsenvolumen bei 68% der Kinder nach der Jodidbehandlung im altersentsprechenden Normbereich (15). Bei jungen Erwachsenen verkleinerte sich nach sechsmonatiger Behandlung mit 600 µg Jodid/d das Strumavolumen um maximal 31% (16). In einer anderen prospektiven Untersuchung nahm das Schilddrüsenvolumen bei 39 Patienten, die 500 µg Jodid/d bzw. 100 µg Thyroxin/d ein Jahr lang einnahmen, um 22% bzw. 27,5% ab (17). Für eine offene randomisierte Studie im Jodmangelgebiet Graz wurden von insgesamt 62 Patienten mit Struma und niedriger Jodurie (< 100 µg/g Kreatinin) 37 für eine Vergleichsstudie zwischen 100 µg L-Thyroxin/d und 341 µg Diiodtyrosin/d (DIT; entsprechend 200 µg Jodid) ausgewählt (18). Unter Thyroxin nahm bei 11 von 17 Patienten (65%) das Volumen der Struma im Mittel um 32% ab (Minimum 21%, Maximum 51%). Unter DIT reagierten 8 von 17 Patienten (47%); dabei ging das Volumen um 28% (22-30%) zurück. In einer randomisierten, plazebokontrollierten Doppeltblindstudie erhielten 29 Patienten (21 bis 47 Jahre) 125 µg Thyroxin/d und 31 Patienten (19 bis 50 Jahre) 500 µg Jodid/d 6 Monate lang. Hinsichtlich der Abnahme des Schilddrüsenvolumens waren beide Gruppen fast gleich (Abnahme um 42% bzw. 54%), jedoch entwickelten sich unter Jodid bei 19,3% hohe Autoantikörpertiter, bei 2 Patienten eine Hyperthyreose und bei einem eine Hypothyreose (19). In einer anschließenden Doppeltblindstudie wurden 31 jüngere Patienten, die 200 µg Jodid/d ein Jahr lang erhielten, mit 29 Patienten unter Plazebo verglichen. Das Schilddrüsenvolumen nahm nur in der Verum-Gruppe ab; allerdings kam es wiederum bei 2 Patienten zur Hypothyreose, bei einem zur Hyperthyreose, und 3 Patienten entwickelten hohe Autoantikörper (20). Eine solche Häufigkeit unerwünschter Wirkungen wurde jedoch nur von dieser Autorengruppe berichtet. Kombination von L-Thyroxin plus Jodid: Bei der Kombination L-Thyroxin plus Jodid werden beide Komponenten gut resorbiert. Jodid wird je nach Höhe des Serum-TSH oder der thyreoidalen Autonomie in der Schilddrüse aufgenommen. Der Rest wird im Urin ausgeschieden. Ein zu hoher Thyroxin-Anteil bzw. ein unter der Therapie stark supprimiertes TSH machen das gleichzeitig eingenommene Jodid wirkungslos, da es nicht von der Schilddrüse aufgenommen werden kann. Mit einer Kombination läßt sich sowohl das TSH etwas senken als auch der intrathyreoidale Jodgehalt steigern (13). Die optimale Dosierung beider Komponenten wird noch gesucht, dürfte aber bei 75-100 µg Thyroxin plus 150-300 µg Jodid liegen. Die Nebenwirkungen bzw. Risiken entsprechen denen beider Einzelkomponenten. Bei je 30 Jugendlichen (13-15 Jahre) konnte mit 100 µg Thyroxin/d oder 150 µg Jodid/d oder 50 µg Thyroxin/d plus 100 µg Jodid/d bereits nach den ersten 4 Behandlungswochen eine Verkleinerung der Struma um 28%, 34% bzw. 40% gesehen werden, was sich bis zum 6. Monat noch fortsetzte. Ein Rebound fand sich nur in der Thyroxin-Gruppe (21). Bei 74 Patienten einer Multizenterstudie wurde unter 150 µg Thyroxin/d nach 6 Monaten eine Verkleinerung der Struma um 25,2%, bei Kombination von je 100 µg Jodid und Thyroxin/d sogar um 30,3% gefunden (22). An 166 Patienten wurde gezeigt, daß 150 µg Thyroxin/d, 400 µg Jodid/d oder die Kombination von 75 µg Thyroxin/d plus 200 µg Jodid/d etwa gleich stark wirksam waren: 32 bis 39% Größenabnahme (23). Gleichermaßen wirksam erwies sich eine Strumatherapie mit Thyroxin allein (individuell dosiert; im Mittel 1,9 µg/kg Körpergewicht mit dem Ziel einer TSH-Absenkung auf 0,1 bis 0,3 mU/l bzw. Anstieg des TSH nach TRH-Stimulation auf 0,5 bis 3,5 mU/l), bzw. 400 µg Jodid/d oder einer Kombination aus je 100 µg Thyroxin/d plus Jodid (24, 36). In einer Nachfolgestudie wurde die Effizienz einer Rezidivprophylaxe mit Jodid (einmal wöchentlich 1,53 mg) prospektiv untersucht. Bei 13 von 41 Patienten konnte damit ein Rezidiv (erneute Volumenzunahme um > 15%) nicht verhindert werden. Unter Verdoppelung der wöchentlichen Dosis (2mal 1,53 mg) bildeten sich die Rezidive aber zurück (25).
Besonderheiten bei älteren Patienten: Obwohl Thyroxin häufig verordnet wird, ist die Wirksamkeit dieser Strumabehandlung bei alten Menschen nicht durch zuverlässige Studien belegt. In einer retrospektiven Untersuchung an 85 Patienten (> 60 Jahre) konnte zwar eine geringe Verkleinerung durch eine neuaufgenommene Thyroxingabe (100 µg/d) erreicht werden; es fand sich aber auch, daß eine bereits vergrößerte Schilddrüse sowohl ohne Behandlung als auch mit Jodsupplementierung der Nahrung nach Beendigung der Therapie mit Thyroxin nicht oder allenfalls nur sehr langsam an Größe zunahm (26). In einer prospektiven Studie konnte gezeigt werden, daß mit Thyroxin in jedem Lebensalter eine Rückbildung erzielt werden kann. Diffuse Strumen sprachen sogar – abhängig vom Ausgangsvolumen – in 69 bis 88% gut an (27). Bei älteren Patienten oder bei knotigen Veränderungen sanken die Erfolgsaussichten auf ca. 25% bzw. 33 bis 53%. Nach Einführung der Sonographie konnten dieselben Autoren allerdings nur eine Verminderung um im Mittel 29% messen. Da die Nebenwirkungsrate von Thyroxin bei älteren Patienten deutlich höher ist, sollte die Indikation zum Beginn oder zur Fortsetzung einer solchen Therapie im Einzelfall gut überdacht werden. Über die Indikationen einer Behandlung mit Jodid gibt es angesichts der häufigen Schilddrüsen-Autonomien bei älteren Menschen keine Daten. Lediglich eine randomisierte prospektive Studie verglich 300 µg Jodid mit L-Thyroxin (Ziel-TSH 0,4-0,8 mU/l) bei 67 Patienten > 40 Jahre (im Mittel 53,3 Jahre) und erbrachte einen vergleichbaren Erfolg mit einer (nur) 15%igen Volumenabnahme und keine Nebenwirkungen (37).
Struma nodosa: Auch euthyreote Knotenstrumen werden oft mit Thyroxin behandelt. Für diese Indikation sind verläßliche Studien rar, obwohl sich alle Fachleute auf ausführliche Erfahrungen aus Langzeit-Beobachtungen berufen. In einer Studie wurden 141 euthyreote Patienten mit Solitärknoten, die weder großzystisch umgewandelt, malignitätsverdächtig noch autonome Adenome waren, mit L-Thyroxin TSH-suppressiv behandelt. Von 122 Patienten, deren TSH tatsächlich supprimiert war, galten 55,7% als „Responder“ mit einem Rückgang des Knotenvolumens um mindestens 50%. Weitere 19,7% zeigten einen geringeren Rückgang und 24,6% keinen Effekt. Alter, Knotengröße und -lage, mögliche kleinzystische Anteile oder Therapiedauer hatten keinen Einfluß auf das therapeutische Resultat (28). In einer nicht plazebokontrollierten Studie wurden 104 Patienten mit (in > 90% auch palpablen) multiplen Schilddrüsenknoten und Struma untersucht. Ausgeschlossen blieben Patienten mit solitären Knoten, autonomen Adenomen, Zysten, malignitätsverdächtiger Zytologie, großen (auch retrosternalen) Strumen sowie Thyreoiditis. Thyroxin wurde mit dem Ziel der TSH-Suppression (< 0,1 mU/l) dosiert (2,2 µg/kg Körpergewicht). Nach 3 und 6 Monaten waren 72% der Patienten TSH-supprimiert. Bei diesen 75 Patienten fand sich bei 27% ein > 50%iger Rückgang des Knotenvolumens. 18% aller Knoten nahmen an Ausdehnung zu, und bei 37% ergab sich keine oder eine nur geringe Änderung. War das TSH unter Thyroxin nicht supprimiert (29 Patienten), so hatten 83% der Patienten keinen therapeutischen Effekt. Die Autoren schlossen daraus, daß bei Thyroxintherapie der Knotenstruma eine TSH-Suppression anzustreben ist (28). In einer randomisierten Vergleichsstudie war L-Thyroxin etwas wirksamer als Kaliumjodid. Zur Abnahme des Knotenvolumens um > 50% kam es bei 9/23 bzw. 5/25 gegenüber 0/22 unbehandelten Patienten (29).
Postoperative Rezidivprophylaxe: In einer prospektiven, randomisierten, nicht plazebokontrollierten Studie wurden 100 Patienten nach Strumaresektion mit dem Ziel der Rezidivverhinderung medikamentös behandelt. 52 Patienten erhielten 100 µg Thyroxin/d; 9 davon nahmen das Medikament aber nicht ein und wurden (nicht ganz korrekt) zu den 48 Patienten hinzugezählt, die keine prophylaktische Therapie erhielten. Nach 9 Jahren waren bei den 69 ausgewerteten Patienten keine Unterschiede hinsichtlich Strumarezidiven erkennbar: 14,5% unter Thyroxin vs. 21,8% ohne Thyroxin (p = 0,52). Allerdings basieren diese Daten nur auf der Palpation (30). Zu ähnlichen Ergebnissen waren bereits andere Autorengruppen gekommen (31-33). Der in vielen retrospektiven Studien gesehene günstige Effekt einer postoperativen Rezidivprophylaxe mit Thyroxin ließ sich in neueren randomisierten und prospektiven Studien, zumindest für Nichtendemiegebiete, nicht bestätigen (34-35).
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