Für Erwachsene mit Endokarditis-Risiko gibt es einen Herzpaß, der über die Paul-Ehrlich-Gesellschaft, Lindwurmstraße 4, 80337 München, oder die Grünenthal GmbH, Steinfeldstraße 2, 52222 Stolberg, bezogen werden kann. Jeder gefährdete Patient sollte ihn bei sich haben und in Risikosituationen dem Arzt vorlegen. In diesem Herzpaß sind die zahnärztlichen und chirurgischen Eingriffe sowie Eingriffe an infizierten Herden beschrieben zusammen mit der Antibiotikaprophylaxe, die jeweils einzuleiten ist. Trotzdem trifft man immer wieder Patienten, die diesen Ausweis nicht mit sich führen und bei denen Eingriffe vorgenommen werden, bei welchen eigentlich eine Prophylaxe dringend indiziert wäre.
In der Ausgabe vom 11. Juni 1997 wurden in JAMA (Dajani, A.S., et al.: 1997, 277, 1794) die Empfehlungen der American Heart Association zu diesem Problem veröffentlicht. Sie stimmen in den wesentlichen Grundsätzen mit den deutschen Empfehlungen überein. Es kommt bei unserem kurzen Referat dieser Darstellung nicht so sehr darauf an, die Unterschiede herauszuarbeiten, sondern die Notwendigkeit zur Prophylaxe zu unterstreichen und daran zu erinnern, daß für gefährdete Patienten eine schriftliche Anweisung für die praktische Durchführung der Endokarditisprophylaxe mit Antibiotika ausgegeben werden muß. An der amerikanischen Empfehlung waren alle betroffenen Berufsverbände beteiligt. Das Konzept wurde nach einer Analyse der gesamten Literatur erstellt und dann zusätzlich auswärtigen Gutachtern zur Redaktion vorgelegt, bevor es schließlich verabschiedet und der medizinischen Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Sechs Punkte charakterisieren diese Empfehlungen gegenüber früheren Ausgaben. 1. Es wird herausgestellt, daß die meisten Fälle von Endokarditis nicht auf einen ärztlichen Eingriff zurückzuführen sind. 2. Die Herzkrankheiten werden in verschiedene Risikogruppen eingeordnet. 3. Die Maßnahmen, die Bakteriämie erzeugen können und bei denen eine Prophylaxe erforderlich ist, werden präziser definiert. 4. Die Indikation zur Prophylaxe bei Mitralklappenprolaps wird gesondert bearbeitet. 5. Für Zahn- und Mundoperationen wird die initiale Amoxicillindosis auf 2 g reduziert. Erythromycin wird nicht mehr empfohlen bei Penicillinallergie, sondern Clindamycin und weitere Alternativen. 6. Bei gastrointestinalen oder urogenitalen Eingriffen wird die Prophylaxe vereinfacht.
In Tab. 1 sind die kardialen Situationen mit erhöhtem Endokarditisrisiko aufgeführt. Eine Endokarditisprophylaxe ist nicht erforderlich bei einem isolierten Septum-secundum-Defekt, nach Operation von Vorhofseptumdefekt, Ventrikelseptumdefekt oder Ductus arteriosus Botalli, bei Mitralklappenprolaps ohne lnsuffizienz, bei funktionellen Herzgeräuschen nach aortokoronaren Bypassoperationen oder nach Implantation eines Schrittmachers oder Defibrillators.
In Tab. 2 sind die Indikationen zur Endokarditisprophylaxe bei gefährdeten Patienten erwähnt: Immer dann, wenn es durch den Eingriff zu Schleimhautblutungen kommen kann. Der Empfehlung liegen Angaben aus der Literatur über die Häufigkeit von Bakteriämien nach den Eingriffen zugrunde. Das Literaturverzeichnis umfaßt 66 Zitate. Es wird auch erwähnt, bei welchen Maßnahmen aller Wahrscheinlichkeit nach keine Bakteriämie zu erwarten ist, z.B.: Wiederherstellung des Gebisses durch Füllungen, Kronen und Prothesen, Anfertigung von Zahnabdrücken oder Röntgenbildern, Anpassen von kieferorthopädischen Behandlungsgeräten, endotracheale Intubation oder Bronchoskopie mit flexiblem Bronchoskop, andere Endoskopien, normale Geburt oder Sektio oder andere Operationen in nicht infiziertem Gebiet, Herzkatheterismus und Schrittmacherimplantation.
Die Tab. 3 und 4 führen die Antibiotika auf, die zur Prophylaxe verwandt werden sollen.
Bei Eingriffen an den Zähnen, dem Ösophagus oder dem Respirationstrakt ist Streptococcus viridans gewöhnlich der die Bakteriämie auslösende Erreger. Daher kann mit einer einzelnen Dosis von Amoxicillin die Prophylaxe durchgeführt werden. In neueren Arbeiten hat sich ergeben, daß 2 g bei Erwachsenen einen ausreichend hohen Spiegel erzeugen und weniger gastrointestinale Nebenwirkungen haben als die früher (auch in Deutschland) empfohlenen 3 g. Bei Penicillinallergie wird Clindamycin empfohlen und auch Cefalosporine (Cefalexin, Cefadroxil), die wir in Tab. 3 wegen der gelegentlichen Kreuzallergie allerdings nicht aufgenommen haben. Azithromycin und Clarithromycin kommen ebenfalls bei Penicillinallergie in Frage. Erythrocin wird nicht erwähnt, weil gastrointestinale Komplikationen so häufig sind und die Pharmakokinetik so kompliziert ist.
Bei Eingriffen am Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt ist Enterococcus faecalis am häufigsten der pathogene Erreger. Daher muß vor allem bei Patienten, die zur Hochrisikogruppe gehören, eine Prophylaxe mit zwei Antibiotika durchgeführt werden, und zwar intravenös oder intramuskulär. Im Text der Empfehlungen werden noch speziell die Eingriffe an besonders infiziertem Gewebe (Osteomyelitis, bakterielle Arthritis) und an der Haut erwähnt. Hier soll vor dem Eingriff eine Prophylaxe erfolgen, die gegen den Erreger gerichtet ist, der die Infektion wahrscheinlich verursacht hat. Der Erreger ist meistens bekannt (z.B. Staphylococcus aureus).
Auch der perioperativen Prophylaxe bei Herzoperationen ist ein Abschnitt gewidmet. Sie wird empfohlen und soll in der Regel vor allem gegen Staphylokokken gerichtet sein.