Bei etwa 90% der Patienten mit myelodysplastischem Syndrom (MDS) besteht zum Zeitpunkt der Diagnose eine Anämie, und die Mehrzahl der Patienten benötigt im weiteren Krankheitsverlauf Erythrozytenkonzentrate. In zahlreichen Studien wurde deshalb untersucht, ob durch die Gabe pharmakologischer Dosen von rekombinantem Erythropoietin (rhEPO) die gestörte Proliferation und Reifung von erythroiden Vorläuferzellen überwunden und eine Erhöhung des Hämatokrits, insbesondere aber eine Abnahme der Transfusionshäufigkeit, erreicht werden kann. Die relativ geringe Wirksamkeit dieser Therapie wurde durch eine 1995 publizierte Meta-Analyse von 17 klinischen Studien mit insgesamt 205 MDS-Patienten verdeutlicht, die zeigte, daß eine alleinige Gabe von rhEPO nur bei 16% der Patienten zu einer klinisch relevanten Stimulation der Erythropoese führt (1). Das Vorliegen einer refraktären Anämie mit Ringsideroblasten (RARS), ein bereits vor Beginn der rhEPO-Gabe bestehender Transfusionsbedarf und eine erhöhte Serumkonzentration von EPO waren in dieser Meta-Analyse mit besonders niedrigen Ansprechraten assoziiert. Ausgehend von In-vitro-Daten zur synergetischen Wirksamkeit von rhEPO und G-CSF sowie klinischen Studien, in denen eine Abnahme der Transfusionshäufigkeit und/oder Anstieg des Hämoglobinwertes bei etwa 40% der mit dieser Kombination behandelten Patienten gezeigt werden konnte, wurde jetzt von der skandinavischen MDS-Gruppe in einer Phase-Il-Studie die Wirksamkeit von rhEPO plus G-CSF bei einer größeren Zahl von Patienten analysiert (2). Eingeschlossen wurden Patienten mit refraktärer Anämie (RA), RARS oder refraktärer Anämie mit Exzeß von Blasten (RAEB), bei denen entweder Hämoglobinwerte < 10 g/dl in Kombination mit Anämie-Symptomen oder eine transfusionsbedürftige Anämie vorlagen. Die Patienten erhielten nach Randomisierung in Arm A zunächst G-CSF 4 Wochen lang und anschließend die Kombination von G-CSF plus rhEPO (Epoetin beta, NeoRecormon) 12 Wochen lang oder in Arm B initial rhEPO 8 Wochen lang und anschließend die Kombination von rhEPO und G-CSF 10 Wochen lang. Die Applikation von G-CSF und rhEPO erfolgte subkutan. Es wurden 3 Dosisbereiche für G-CSF (30; 75; 150 µg/d) und 2 für rhEPO (5000; 10000 U/d) gewählt, wobei eine Dosiserhöhung, falls erforderlich, alle 2 Wochen vorgesehen war. Insgesamt waren 47 von 56 rekrutierten Patienten hinsichtlich Wirksamkeit der Kombinationstherapie auswertbar, von denen 18 (38%) komplett oder partiell ansprachen (Anstieg der Hämoglobinwerte, Abnahme des Transfusionsbedarfs). Die Ansprechraten im Arm A bzw. B oder innerhalb der verschiedenen MDS-Subtypen unterschieden sich nicht signifikant. Nur einer von 7 Patienten mit 5q-Syndrom, einer Variante des MDS (Merkmale: makrozytäre Anämie, normale oder erhöhte Thrombozyten, dysplastische Megakaryozyten und hypoplastische Erythropoese im Knochenmark) profitierte von dieser Therapie. Für die syngergistische In-vivo-Wirksamkeit von rhEPO plus G-CSF spricht, daß bei 6 von 9 Patienten in Arm B mit Ansprechen auf die Kombination eine alleinige Gabe von rhEPO wirkungslos war. Bei den meisten Patienten (13/18) mit Ansprechen auf rhEPO plus G-CSF war die Applikation von 70000 U rhEPO/Woche erforderlich. Insgesamt wurde die Gabe von rhEPO plus G-CSF bis auf gelegentlich auftretende grippeähnliche Symptome und Reizungen an der Injektionsstelle gut vertragen und ein Progreß des MDS (z.B. aufgrund einer Stimulation der Blasten durch die verabreichten Zytokine) nicht beobachtet.
Insbesondere bei Patienten, die auf die Therapie nicht ansprachen, aber auch bei Patienten mit Verbesserung der Erythropoese, kam es zu einem Abfall der Thrombozyten. Als wesentliche prädiktive Faktoren für ein Ansprechen auf die kombinierte Therapie konnten ebenso wie in einer kürzlich publizierten gemeinsamen Auswertung der skandinavischen und amerikanischen MDS-Gruppe die Serumkonzentration von EPO und der Transfusionsbedarf (günstig: EPO < 100 U/l und Transfusionsbedarf < 2 Erythrozytenkonzentrate/Monat) identifiziert werden (3). Bei 20 Patienten aus dieser bzw. einer vorausgegangenen Studie der skandinavischen MDS-Gruppe wurde unter einer langfristigen Erhaltungstherapie mit rhEPO plus G-CSF eine mediane Dauer des Ansprechens von 24 Monaten beobachtet. Fazit: Die Studie der skandinavischen MDS-Gruppe zeigt, daß knapp 40% der Patienten mit MDS von einer kombinierten Therapie mit rhEPO plus G-CSF profitieren. Angesichts der hohen Therapiekosten und fehlenden Wirksamkeit bei etwa zwei Drittel der Patienten sollten prädiktive Faktoren für das Ansprechen (Serumkonzentration von EPO, Transfusionsbedarf vor Beginn der Therapie) stärker berücksichtigt werden und eine kombinierte Gabe von rhEPO plus G-CSF möglichst im Rahmen klinischer Studien erfolgen.
Literatur
1. Hellström-Lindberg, E.: Br. J. Haematol. 1995, 89, 67.
2. Hellström-Lindberg, E., et al.: Blood 1998, 92, 68.
3. Hellström-Lindberg, E., et al.: Br. J. Haematol. 1997, 99, 344.