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Buchbesprechung: Handbuch der unerwünschten Arzneimittelwirkungen

Bei etwa 5% der Anwendungen von Arzneimitteln ist mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) zu rechnen, und etwa 5-10% der Krankenhauseinweisungen werden durch UAW verursacht (1; vgl. AMB 1997, 31, 39b). Die direkten Kosten UAW-bedingter Krankenhausaufnahmen werden in den USA auf etwa 4 Mrd. $ und in Deutschland auf weit über eine Mrd. DM jährlich geschätzt (2-4). Etwa die Hälfte der UAW sind prinzipiell vermeidbar und beruhen häufig auf fehlerhafter Dosierung (1).

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen sind Bemühungen besonders wichtig, ärztliche Information und Weiterbildung nicht nur hinsichtlich der Wirksamkeit neuer Substanzen, sondern auch hinsichtlich ihres Risikoprofils zu verbessern. Genau dieses Ziel verfolgt das kürzlich erschienene Handbuch der unerwünschten Arzneimittelwirkungen (1), in dem 57 Autoren – viele von ihnen Mitglieder oder Mitarbeiter der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) – UAW in kritischer und komprimierter Form darstellen. Die UAW sind in 21 Arzneimittelgruppen (von Analgetika bis Zytostatika) zusammengefaßt. Das Handbuch setzt die Tradition des von Ellen Weber zuletzt 1988 überarbeiteten Taschenbuchs der unerwünschten Arzneiwirkungen fort. Im Teil A des Buches werden die Wirkstoffe entsprechend der Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen Klassifizierung (ATC-System) der WHO eingeteilt (vgl. AMB 1994, 28, 23) und die UAW den Organ-System-Klassen der WHO (d.h. generalisierte Störungen, Bewegungsapparat, Blut, Haut, Herz-Kreislauf, metabolische und endokrine Störungen, Nervensystem, neurologische bzw. psychische Störungen, Niere und Harnwege, reproduktives System, Respirationstrakt, sensorisches System, Verdauungssystem) zugeordnet. Quantitative Angaben werden, sofern möglich, zu häufigen (> 1%) und seltenen (< 1%) UAW gemacht und besonders gefährliche UAW sowie sinnvolle Vorbeugungs-/Kontrollmaßnahmen durch spezielle Symbole graphisch hervorgehoben. UAW-Profile zu individuellen Arzneimitteln (z.B. Salizylsäure, Amiodaron, Ticlopidin) bzw. Arzneimittelgruppen (z.B. Fluorchinolone, nichtsteroidale Antiphlogistika, Heparine, Thrombolytika, Psychopharmaka) aus der gemeinsamen Datenbasis Phoenix der AkdÄ und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erscheinen erstmals in einem Buch und erlauben einen raschen Überblick über UAW sowie deren prozentualer Verteilung nach Organsystem-Klassen. Der detaillierten Beschreibung der speziellen UAW ist bei den meisten Arzneimitteln bzw. Arzneimittelgruppen ein allgemeiner Abschnitt vorangestellt, in dem u.a. auf Wirkungsmechanismus, Indikationen, wesentliche dosislimitierende UAW und die UAW beeinflussende Faktoren (z.B. Dosis, Pharmakokinetik, Therapiedauer) hingewiesen wird. Weiterhin finden sich am Ende jeden Kapitels Angaben zu klinisch relevanten Interaktionen, z.T. in tabellarischer Form, zur Beeinflussung der Fahrtauglichkeit und Literaturhinweise (vorwiegend Übersichtsartikel). Kleine Mängel (z.B. allgemeiner Teil zu den verschiedenen Arzneimitteln bzw. Arzneimittelgruppen nicht einheitlich strukturiert und in der Qualität sehr unterschiedlich, einige wichtige Substanzen wie z.B. Tamoxifen nicht besprochen) werden sicherlich bei der nächsten Auflage des Handbuchs behoben.

Der Teil B des Handbuchs beschäftigt sich u.a. mit pharmakologischen Grundlagen von UAW und pharmakoepidemiologischen Methoden bei der Erfassung von UAW, allergischen und pseudoallergischen Reaktionen als Ursachen von UAW sowie UAW von Phytopharmaka, Impfstoffen, Sera und Immunglobulinen. Insbesondere die sehr informativen Kapitel zur Abwehr von Arzneimittelrisiken und zur Aufklärung und Haftung sind angesichts des sehr zurückhaltenden Meldeverhaltens von UAW durch die Ärzte in Deutschland (4) und der häufig unzureichenden Aufklärung des Patienten über die Gefahren einer medikamentösen Therapie (vgl. AMB 1997, 31, 49) jedem in Praxis und Klinik tätigen Arzt zur Lektüre empfohlen. Am Ende des Handbuchs findet sich ein umfangreicher Index, der im Teil A die Suche sowohl nach Wirkstoffen als auch nach Fertigarzneimitteln erlaubt.

Fazit: Das sehr gut strukturierte Handbuch der unerwünschten Arzneimittelwirkungen ermöglicht dem klinisch tätigen Arzt einen schnellen Zugriff auf Informationen über UAW. Es erfüllt somit das von den Herausgebern im Vorwort formulierte wesentliche Ziel, ”das vorhandene Wissen über Art und Häufigkeit von Arzneimittelrisiken auch in einer kritisch bewerteten, komprimierten Form verfügbar zu machen“ und dadurch ”eine kritische Abschätzung des Nutzen-Risiko-Quotienten der jeweiligen medikamentösen Strategie für den individuellen Patienten“ zu ermöglichen. Eine bisher leider nicht geplante CD-ROM-Version mit entsprechenden Suchfunktionen wäre für die Verwendung des Handbuchs im klinischen Alltag sehr hilfreich.

Literatur

  1. Müller-Oerlinghausen, B., Lasek, R., Düppenbecker, H., Munter, K.-H.: Handbuch der unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Urban & Fischer, München 1999 (753 Seiten; 198 DM).
  2. Lazarou, J., et al.: JAMA 1998, 279, 1200.
  3. Thürmann, P.A., und Schmitt, K.: Med. Klinik 1998, 93, 687.
  4. Göttler, M., et al.: Dt. Ärztebl. 1999, 96, B-1353.