Die primäre systemische Amyloidose ist eine seltene Erkrankung, bei der monoklonale Leichtketten-Proteine entarteter Plasmazellen fibrillär abgelagert werden (AL-Amyloidose) und zu einer Dysfunktion wichtiger Organe (z.B. Herz, Nieren, Leber) führen. Häufig findet sich auch eine Polyneuropathie. Seit Einführung der Kombination von Melphalan (Alkeran) plus Prednison (MP) vor mehr als 20 Jahren sind keine entscheidenden Fortschritte in der Behandlung dieser prognostisch sehr ungünstigen Erkrankung (medianes Uberleben etwa 18 Monate) gemacht worden (vgl. AMB 1997, 31, 46). Da bei der AL-Amyloidose im Unterschied zum Plasmozytom die Tumorzelmasse der Plasmazellen häufig nur relativ gering ist, war der Versuch naheliegend, durch Intensivierung der Chemotherapie, z.B. durch eine Kombination verschiedener alkylierender Substanzen, die Ansprechrate und dadurch möglicherweise auch die Überlebenszeit zu verbessern. In einer randomisierten Studie hat die in Diagnostik und Therapie der AL-Amyloidose weltweit führende Arbeitsgruppe um Robert A. Kyle aus der Mayo-Klinik deshalb die Wirksamkeit der Kombination von Vincristin, Carmustin (Carmubris), Melphalan, Cyclophosphamid und Prednison (VBMCP) im Vergleich zu MP untersucht (Gertz, M.A., et al.: J. Clin. Oncol. 1999, 17, 262). Insgesamt 101 Patienten mit histologisch gesicherter AL-Amyloidose wurden nach Stratifizierung anhand von 4 prognostisch wichtigen Kriterien (Nachweis von kardialem Amyloid, histologische Diagnose der Amyloidose > 6 Monate vor Randomisierung, Beta2-Mikroglobulim = 2,7 µg/mI, periphere Neuropathie als einzige Manifestation der Amyloidose) randomisiert und entweder mit VBMCP oder MP behandelt. Die Chemotherapie wurde alle 6 Wochen wiederholt. Insgesamt wurden 18 Zyklen verabreicht, wenn keine ernste Toxizität auftrat. Die Kriterien für das Ansprechen auf die Chemotherapie orientierten sich am Organbefall, z.B. Niere: 50%ige Abnahme der Albuminausscheidung im 24-Stunden-Sammelurin; Leber: 50%ige Abnahme der alkalischen Phosphatase im Serum ohne Anstieg von Transaminasen, Bilirubin oder Zunahme der Lebergröße; Herz: echokardiographische Abnahme der Dicke des Ventrikelseptums um 2 mm oder 20%ige Zunahme der Ejektionsfraktion. Bei etwa der Hälfte der randomisierten Patienten bestanden klinisch Hinweise für renale und kardiale Manifestationen der AL-Amyloidose, bei etwa einem Viertel für Leberbeteiligung und bei weniger als 20% für eine periphere oder autonome Neuropathie. 14 von 52 mit MP (27%) und 15 von 49 (30%) mit VBMCP behandelten Patienten sprachen auf die Therapie an, wobei Patienten mit renaler Beteiligung häufiger profitierten als Patienten mit Leber- und insbesondere Herzbeteiligung. Interessanterweise fand sich eine deutliche Korrelation zwischen hämatologischem Ansprechen (> 50%ige Abnahme des M2-Gradienten im Serum oder im Urin bzw. komplettes Verschwinden von Leichtketten im Serum oder im Urin) und Besserung der Organmanifestationen. Bei zwei der mit MP und bei zwei der mit VBMCP behandelten Patienten entwickelte sich eine Myelodysplasie, vermutlich als Folge der bekannten karzipogenen Potenz alkylierender Substanzen. Die mediane Überlebenszeit nach Randomisierung betrug 29 Monate und unterschied sich nicht signifikant in den beiden Behandlungsgruppen. Multivarianz-Analysen identifizierten eine erhöhte Serumkonzentration der alkalischen Phosphatase und eine verminderte Ejektionsfraktion als prognostisch ungünstige Faktoren.
Fazit: Eine Intensivierung der Chemotherapie durch Kombination verschiedener alkylierender Substanzen (Carmustin, Melphalan, Cyclophosphamid) verbessert bei Patienten mit primärer systemischer Amyloidose (AL-Amyloidose) im Vergleich zur Therapie mit MelphaIan plus Prednison weder die Ansprechraten noch verlängert sie die Überlebenszeit. Bis Ergebnisse kontrollierter klinischer Studien zum Stellenwert neuer Therapieformen bei primärer systemischer Amyloidose (z.B. hochdosiert Dexamethason, 4 -Jod-4 -Desoxydoxorubicin, Stammzelltransplantation) vorliegen, gilt deshalb Melphalan plus Prednison weiterhin als Standardtherapie.