Schwere, durch Zytostatika (z.B. Fluorouracil plus Kalziumfolinat, lrinotecan) ausgelöste Diarrhöen verzögern die Fortsetzung der Chemotherapie, vermindern die Compliance des Patienten und können zu lebensbedrohlichen Komplikationen wie Dehydratation, Elektrolytstörungen und Niereninsuffizienz führen. Pathophysiologisch liegen der Chemotherapie-induzierten Diarrhö (CID) verschiedene Faktoren zugrunde, die letztlich zu einem Ungleichgewicht zwischen Absorption und Sekretion von Flüssigkeit und Elektrolyten im Dünndarm führen. Da bisher keine „Evidence-based“-Empfehlungen für die Behandlung der CID vorliegen, hat eine multidisziplinäre Gruppe von Onkologen unter Einbeziehung eines Pharmazeuten und einer Krankenschwester die relevante Literatur zur Behandlung der CID durchgesehen und anläßlich einer zweitägigen Konferenz Richtlinien zur klinischen Einschätzung, Abklärung sowie Behandlung der CID erarbeitet (Wadler, S., et al.: J. Clin. Oncol. 1998, 16, 3169). Diese Tagung wurde von der Firma Novartis finanziell unterstützt. Die Richtlinien empfehlen bei allen Patienten mit CID zunächst den Schweregrad (z.B. Beginn, Dauer, Zahl und Merkmale der Durchfälle) abzuklären und andere Symptome (z.B. Fieber, abdominelle Schmerzen, Schwäche) zu erfragen. Im Rahmen diätetischer Maßnahmen zur Behandlung der CID sollten spezielle Nahrungsmittel bzw. Getränke (Milchprodukte, stark gewürzte Speisen, faser- und fettreiche Mahlzeiten, Alkohol, Koffein-enthaltende Produkte, Pflaumen-/Orangensäfte), die zu einer Reizung und/oder Hypermotilität des Darmes führen können, vermieden werden; außerdem ist auf eine ausreichende orale Flüssigkeitszufuhr in Form elektrolythaltiger, kohlensäurefreier Getränke zu achten. Zur initialen pharmakologischen Behandlung nicht schwerer CID sollte Loperamid (Imodium u.v.a.; initial 4 mg, dann 2mg nach jedem ungeformten Stuhl) verabreicht und nach 8 bis 12 Stunden der Schweregrad der CID erneut beurteilt werden. Bei persistierender, nicht schwerer CID (nach Toxizitätskriterien des National Cancer Instiute [NCI] Grad 1 und 2) empfehlen die Autoren hochdosiert Loperamid (2 mg alle 2 Stunden) und bei unverminderter Stärke der Durchfälle nach 24 Stunden Behandlung eine intensive diagnostische Abklärung – vorzugsweise im Krankenhaus – zum Ausschluß entzündlicher bzw. infektiöser Ursachen. Patienten mit schwerer CID (NCI Grad 3 oder 4, d.h. > 7 Durchfälle/d oder schwere Krämpfe oder blutige Diarrhö) sollten bei Vorliegen von Risikofaktoren (z.B. ausgeprägte Dehydratation, Blut im Stuhl, abdominelle Schmerzen, vorausgegangene Bestrahlung des Abdomens oder Beckens) in jedem Fall stationär mit Infusionen, Antibiotika und intensiviert antidiarrhoisch behandelt werden. Als Antidiarrhoikum empfehlen die Richtlinien Octreotid (Sandostatin) in einer Dosierung von 100 bis 150 µg s.c. dreimal täglich, betonen aber gleichzeitig, daß die optimale Dosierung für Octreotid nicht bekannt ist und derzeit in einer vom NCI unterstützten, randomisierten, prospektiven klinischen Studie bei Patienten mit kolorektalem Karzinom untersucht wird.
Fazit: Die Behandlung der Chemotherapie-induzierten Diarrhö orientiert sich am Schweregrad und umfaßt neben diätetischen Maßnahmen eine symptomatische Behandlung mit Loperamid (Grad 1 und 2) bzw. Octreotid (Grad 3 und 4). Schwere, persistierende Diarrhöen müssen, insbesondere bei Risikofaktoren, stationär abgeklärt und behandelt werden.