Wir haben in den vergangenen Jahren wiederholt über randomisierte klinische Studien zur Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) berichtet, in denen – abhängig vom Stadium der Erkrankung – Chlorambucil (CBL) plus Kortikosteroide (z.B. Prednison) mit abwartendem Verhalten bzw. intensiver Kombinationschemotherapie verglichen wurden (s. AMB 1990, 24, 69; 1992, 26, 5; 1998, 32, 53b). Diese Studien hatten ergeben, daß bei Patienten mit Behandlungsindikation eine orale Gabe von CBL als Standardtherapie gilt (vgl. AMB 1996, 30, 5). Inzwischen stehen verschiedene neue Therapiestrategien für Patienten mit CLL zur Verfügung, von denen insbesondere Purin-Analoga wie Fludarabin und 2-Chlordesoxyadenosin (2-CdA) bei unzureichendem Ansprechen auf CBL und häufig auch als primäre Therapie bei CLL eingesetzt werden (vgl. AMB 1991, 25, 68; 1993, 27, 41). Leider gibt es bisher nur sehr wenige randomisierte Studien, die den klinischen Stellenwert dieser Purin-Analoga mit CBL verglichen haben. Eine polnische Arbeitsgruppe hat kürzlich die Ergebnisse einer randomisierten, multizentrischen, prospektiven Therapiestudie mitgeteilt, in der jeweils unbehandelte Patienten im Stadium III/IV nach Rai-Klassifikation oder Patienten im Stadium 0, I, II mit Zeichen für Krankheitsprogreß entweder mit CBL plus Prednison oder 2-CdA plus Prednison behandelt wurden (Robak, T., et al.: Blood 2000, 96, 2723). Insgesamt wurden 250 Patienten in diese Studie aufgenommen, von denen 229 auswertbar waren. CBL wurde in der Dosierung 12 mg/m2/d 7 Tage lang und 2-CdA 0,12 mg/kg/d 5 Tage lang, jeweils in Kombination mit Prednison (30 mg/m2/d), verabreicht und die Therapie nach 4 Wochen wiederholt. Das Ansprechen wurde nach insgesamt drei Zyklen beurteilt. Bei kompletter Remission wurde die Therapie beendet, bei partieller Remission weitere 3 Zyklen verabreicht und bei Nichtansprechen auf ein alternatives Regime gewechselt. Die Ergebnisse sind in Tab. 1 zusammengefaßt. Die Raten der kompletten Remissionen und des Ansprechens insgesamt waren signifikant höher bei Patienten, die mit 2-CdA plus Prednison behandelt wurden. Auch das progreßfreie Überleben war signifikant länger in der mit 2-CdA behandelten Gruppe. Ereignisfreies Überleben und Gesamtüberleben (2-CdA plus Prednison: 78% versus CBL plus Prednison: 82%; beurteilt nach 24 Monaten) unterschieden sich jedoch nicht signifikant. Von 43 Patienten, die auf die primäre Therapie mit CBL plus Prednison nicht angesprochen oder früh Rezidive erlitten hatten, konnte durch 2-CdA plus Prednison bei 67% ein Ansprechen (komplette oder partielle Remission) erreicht werden. Wichtigste unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) war erwartungsgemäß die Myelosuppression, wobei Granulozytopenie, Infektionen und Fieber unklarer Genese bei Patienten, die mit 2-CdA behandelt wurden, signifikant häufiger auftraten als nach CBL (23% versus 11%; p < 0,02). Autoimmunhämolytische Anämien, eine seltene, aber wegen des schlechten Ansprechens auf Kortikosteroide klinisch sehr ernste UAW nach Gabe von Purin-Analoga (vgl. AMB 1996, 30, 30) traten bei 7 Patienten in der 2-CdA- und bei 2 Patienten in der CBL-Gruppe auf; sie verliefen bei 5 Patienten (4 Patienten nach 2-CdA und 1 Patient nach CBL) trotz Gabe von Kortikosteroiden tödlich.
Fazit: 2-CdA plus Prednison ist der bisherigen Standardtherapie der CLL mit CBL plus Prednison hinsichtlich Ansprechraten, nicht jedoch hinsichtlich ereignisfreiem Überleben und Gesamtüberleben signifikant überlegen. Die Ansprechraten nach 2-CdA sind vergleichbar mit den bisher publizierten Ergebnissen klinischer Phase-II/III-Studien mit Fludarabin bei Patienten mit CLL. Diese Ergebnisse verdeutlichen, daß die Frage nach der optimalen primären Therapie der behandlungsbedürftigen CLL (CBL versus Purin-Analoga) weiterhin unbeantwortet ist. Ältere Patienten sollten aufgrund der bisher vorliegenden Ergebnisse außerhalb klinischer Studien initial weiterhin mit dem gut verträglichen CBL behandelt werden. Bei Therapierefraktärität bzw. bei jüngeren Patienten, bei denen ein rasches Ansprechen (z.B. vor Stammzelltransplantation) erwünscht ist, kommt eine Therapie mit Purin-Analoga in Betracht.