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Das BfArM gibt bekannt: Zerebraler „Steal-Effekt“ nach oraler Gabe eines Dipyridamol-haltigen Arzneimittels

Dipyridamol ist eine komplexe Pyridinverbindung, welche u.a. als Inhibitor der Adenosin-Wiederaufnahme in Erythrozyten, Thrombozyten und Endothelzellen wirkt und so zu einer erhöhten extrazellulären Adenosinkonzentration und damit zu einer Gefäßerweiterung führt (1, 2). Dipyridamol wird seit vielen Jahren „zur Vorbeugung von Schlaganfällen, nachdem Vorläuferstadien aufgetreten sind (TIA und PRIND), wenn eine Antikoagulantientherapie nicht möglich oder kontraindiziert ist“ in Deutschland eingesetzt.

Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist ein Fall aus der Literatur bekannt geworden (3), der darauf hindeutet, daß eine orale Gabe von Dipyridamol bei entsprechender Disposition des Patienten – ähnlich, wie an den Herzkranzgefäßen – auch am Gehirn einen „Steal-Effekt“ auszulösen vermag: Die Autoren berichten über den Fall einer 74-jährigen Patientin, die 45 Min. nach erstmaliger oraler Gabe einer Kapsel mit den Inhaltsstoffen Dipyridamol (200 mg retard) und ASS (25 mg) für 5-8 Stunden ein transientes zerebelläres Defizit mit gleichzeitigem Kopfschmerz, Flush und Diarrhö entwickelte. Am folgenden Tag war die Symptomatik zunächst verschwunden, wurde jedoch durch eine erneute Gabe einer weiteren Kapsel des Dipyridamol-haltigen Arzneimittels reproduziert. Als Ursache wird von den Autoren eine hämodynamische TIA aufgrund eines zerebralen „Steal“-Effekts im Bereich der linken A. cerebellaris superior angenommen. Eine MR-Angiographie dokumentiert bestehende Stenosen von Hirnarterien. Die Autoren empfehlen, daß Dipyridamol bei Schlaganfallpatienten mit zerebrovaskulärer Erkrankung aufgrund einer beeinträchtigten zerebralen Autoregulation mit Vorsicht anzuwenden sei. Die beschriebene unerwünschte Arzneimittelwirkung wird seitens des BfArM als problematisch angesehen, da die durch Dipyridamol induzierten neurologischen Symptome gerade denen entsprechen, die das Arzneimittel eigentlich verhindern soll.

Neben dem o.g. Fallbericht sind dem Bundesinstitut weitere Berichte über neurologische Symptome übermittelt worden, allerdings im Zusammenhang mit einer intravenösen Gabe von Dipyridamol (4-6), die möglicherweise ebenfalls auf einen zerebralen Steal-Effekt zurückzuführen sein könnten.

Zur Bewertung des vermuteten und oben beschriebenen Arzneimittelrisikos benötigt das BfArM zusätzliche Informationen aus der Praxis. Das Institut bittet daher insbesondere Ärzte, die Patienten zur Prophylaxe von Schlaganfällen mit Dipyridamol-haltigen Arzneimitteln (Asasantin, Curantyl) behandeln, aufgetretene neurologische Komplikationen zu melden und diese so umfassend wie möglich zu dokumentieren. Berichtsbögen können beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Friedrich-Ebert-Allee 38, 53113 Bonn angefordert oder im Internet unter www.bfarm.de abgerufen werden.

Anmerkung der Redaktion: Interessant und berichtenswert wären auch neurologische Symptome bei der Gabe von Dipyridamol im Rahmen einer Thallium-Myokardszintigraphie bzw. einer Kardio-MRT.

Literatur

1. Dresse, A., et al.: Eur. J. Clin. Pharmacol. 1982, 23, 229.
2. Packer, M., et al.: Clin. Pharmacol. Ther. 1982, 32, 54.
3. Siegel, A.M., et al.: J. Neurol. 2000, 247, 807.
4. Pounds, B., et al.: J. Nucl. Med. Technol. 1990, 18, 165.
5. Schechter, D., et al.: J. Nucl. Med. 1994, 35, 1802.
6. Whiting, J.H., et al.: J. Nucl. Med. 1993, 34, 128.