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Der Endothelinrezeptor-Blocker Bosentan – ein neuer Therapieansatz bei pulmonaler Hypertonie? Die BREATHE-1-Studie

Das 1988 entdeckte Endothelin ist einer der potentesten endogenen Vasokonstriktoren, die bisher identifiziert wurden. Es ist ein Peptid, das in Endothelzellen, Gehirn, Lunge und Nieren gebildet wird und an zwei Endothelinrezeptoren (ETA und ETB) bindet.

Bis heute wurden mehr als zehn verschiedene selektive und nichtselektive Endothelinrezeptor-Antagonisten synthetisiert und ihre Wirkung in Tiermodellen untersucht. Diese Studien zeigen unterschiedliche Effekte des Endothelins. Die Stimulation der in den glatten Gefäßmuskelzellen lokalisierten ETA-Rezeptoren führt zu einer Vasokonstriktion und Zellproliferation. Einer Aktivierung der ETB-Rezeptoren folgt die stickoxidvermittelte Vasodilatation (1). Bosentan ist ein nichtselektiver, also an ETA– und ETB-Rezeptoren bindender Endothelinrezeptor-Antagonist, dessen Wirkung bisher an Patienten mit koronarer Herzerkrankung (2), Herzinsuffizienz (3), arterieller Hypertonie (4) und pulmonaler Hypertonie (5, 6) erprobt worden ist.

Bei primärer pulmonaler Hypertonie führen Intimafibrose und Mediahypertrophie der kleinen Lungenarteriolen zu einer Erhöhung des pulmonalen Widerstands mit konsekutiver pulmonaler Hypertonie und Rechtsherzbelastung. Die mittlere Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt nur 2,8 Jahre (7). Einige andere Erkrankungen, wie z.B. Sklerodermie, Systemischer Lupus erythematodes, HIV-Infektion oder Lebererkrankungen, können zu einer sekundären pulmonalen Hypertonie mit gleichartigen Veränderungen des arteriellen Lungengefäßbetts und ähnlich ungünstiger Prognose führen. Gegenwärtig besteht die Therapie in Antikoagulation und Vasodilatation. Ungefähr ein Viertel der Patienten spricht gut auf Kalziumantagonisten an. Bei den übrigen 75% der Patienten oder bei fortschreitender Dekompensation wird Prostazyklin (Epoprostenol) i.v. über einen Dauerkatheter verabreicht, was jedoch mit erheblichen Kosten verbunden ist. Alternative Prostanoide, die s.c. (z.B. Treprostinil), oral (z.B. Beraprost) oder als Aerosol (z.B. Iloprost) appliziert werden können, sind in klinischer Erprobung. Bei weiterem Fortschreiten der Krankheit ist eine Lungentransplantation die Ultima ratio.

Im März dieses Jahres erschienen im N. Engl. J. Med. Ergebnisse der BREATHE-1-Studie (5) mit einem begleitenden Editorial (8). In der multizentrischen, doppeltblinden, plazebokontrollierten und randomisierten Studie wurde die körperliche Belastungsfähigkeit von 213 Patienten mit schwerer pulmonaler Hypertonie nach Gabe von Bosentan (Tracleer; 2 mal 125 mg bzw. 2 mal 250 mg täglich oral) oder Plazebo untersucht. Nach 16 Wochen wurden die Sechs-Minuten-Gehstrecke, der Borg-Dyspnoe-Index (ein Index, der auf einer Skala von 1-10 die subjektiv empfundene Luftnot zu quantifizieren ermöglicht) und die Herzinsuffizienzklasse nach WHO bestimmt und mit den Ausgangswerten verglichen. Die in den ersten beiden Monaten eingeschlossenen Studienteilnehmer (48 Patienten) führten die Studie in einer Phase 2 um weitere 12 Wochen weiter.

Ergebnisse: Die Sechs-Minuten-Gehstrecke, deren Ausgangswert im Mittel bei 340 m lag, nahm im Untersuchungszeitraum in der Plazebo-Gruppe um 8 m ab und in der Bosentan-Gruppe um 36 m zu, eine signifikante Differenz von 44 m (p < 0,001). Der Borg-Dyspnoe-Index besserte sich nur in der 250-mg-Bosentan-Gruppe, jedoch nicht in der 125-mg-Gruppe, signifikant von 3,8 auf 3,3 (p < 0,05). 28% der Patienten der Kontroll- und 42% der Bosentan-Gruppe waren nach 16 Wochen belastbarer, d.h. sie litten schon anfangs bei geringen Belastungen unter Beschwerden (WHO III) und nach Ablauf der 16 Wochen nur noch bei moderaten Belastungen (WHO II). Dieser Unterschied zwischen Plazebo und Verum war jedoch statistisch nicht signifikant. Als primäre Endpunkte waren die stationäre Aufnahme, der Therapieabbruch wegen zunehmender pulmonaler Hypertonie, die Notwendigkeit einer Prostazyklin-Therapie, Lungentransplantation oder atrialen Septostomie oder Tod während des Studienzeitraums definiert. Die primären Endpunkte wurden zum kombinierten Endpunkt zusammengefaßt.

Nach 16 Wochen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede für die primären Endpunkte und den kombinierten Endpunkt. Eine Untergruppenanalyse der über 28 Wochen behandelten Patienten ergab ein signifikant häufigeres Eintreten des kombinierten Endpunkts in der Plazebo-Gruppe (20% vs. 9%; p < 0,01). Um einen möglichen positiven Effekt von Bosentan auf die Letalität nachzuweisen, war die Studiendauer zu kurz.

Ein Unterschied bestand jedoch in den unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Vor allem Störungen der Leberfunktion traten in der 250-mg-Bosentan-Gruppe häufiger auf (7%) als in der 125-mg-Bosentan-Gruppe (3%) und bei keinem Patienten unter Plazebo. Aus der Publikation geht nicht hervor, ob diese Funktionsverschlechterungen reversibel waren. Die Autoren kommen zu dem Schluß, das 2 mal 125 mg Bosentan täglich die optimale Dosierung bei pulmonaler Hypertonie ist, da zum einen die Belastungsfähigkeit erhöht wird und zum anderen noch vertretbare UAW auftreten.

Ein Wermutstropfen stört die Beurteilung der Publikation: Die Studienergebnisse wurden vom Sponsor Actelion (Allschwil, Schweiz) gesammelt und analysiert. Zwar hatten die Autoren Zugriff auf den gesamten Datensatz und waren unabhängig in der Vorbereitung des Manuskripts, jedoch wird im Anhang erwähnt, daß alle Autoren eine finanzielle Beziehung zum Sponsor unterhalten und zwei sogar bei ihm angestellt sind. So fällt denn auch bei sorgfältigem Lesen der Publikation auf, daß nicht exakt differenziert wird zwischen nur tendenziellen oder schon signifikanten Unterschieden in den Behandlungsgruppen. Um das Signifikanzniveau zu erreichen, werden die Bosentan-Gruppen ohne Erklärung mal gemeinsam und bei anderen Fragestellungen getrennt mit der Plazebo-Gruppe verglichen. Die primären Endpunkte sind überwiegend von einer Ermessensentscheidung der Untersucher abhängig. Sichere Verblindung ist also Voraussetzung für unbeeinflußte Therapieentscheidungen und damit für das Ergebnis der Studie. Es ist aber zu vermuten, daß die behandelnden Ärzte doch oft wußten, ob sie ihre schwerkranken Patienten mit Verum behandelten oder nicht und dieses Wissen dann in die Entscheidung zur „Krankenhauseinweisung“ oder „Prostazyklin-Behandlung“ oder „Transplantation“ einfließen ließen.

Übrigens erwies sich auch Sildenafil (Viagra) in einer Untersuchung als eine Substanz, die in der Lage ist, den pulmonalen Widerstand zu senken (9). Dreißig Patienten, bei denen eine Rechtsherzkatheter-Untersuchung vorlag, wurde 50 mg der Substanz verabreicht. Der Druck in der A. pulmonalis sank um 24%, ähnlich wie unter der teuren Standard-Substanz Iloprost. Der Effekt hielt 120 Minuten an, die Wirkung von Iloprost 60-90 Minuten. Vielleicht ergibt sich hier noch eine neue Indikation für Viagra, wodurch die Kosten der Behandlung der pulmonalen Hypertonie erheblich sinken würden.

Fazit: Bosentan ist ein oraler, nichtselektiver Endothelinrezeptor-Blocker, der bei pulmonaler Hypertonie in dieser vom Sponsor nicht unabhängigen Studie einen positiven Effekt auf die körperliche Belastungsfähigkeit hatte. Die Letalität konnte in der 16 Wochen dauernden Studie nicht gesenkt werden.

Literatur

  1. Benigni, A., und Remuzzi, G.: Lancet 1999, 353, 133.
  2. Wenzel, R.R., et al.: Circulation 1998, 98, 2235.
  3. Sütsch, G., et al.: Circulation 1998, 98, 2262.
  4. Krum, H., et al.: N. Engl. J. Med. 1998, 338, 784.
  5. Rubin, L.J., et al. (BREATHE-1 = Bosentan Randomized trial of Endothelin receptor Antagonist THErapy): N. Engl. J. Med. 2002, 346, 896.
  6. Channick, R.N., et al.: Lancet 2001, 358, 1119.
  7. D’Alonzo, G.E.,et al.: Ann. Intern. Med. 1991, 115, 343.
  8. Newman, J.H.: N. Engl. J. Med. 2002, 346, 933.
  9. Ghofrani, H.A., et al.: Ann. Intern. Med. 2002, 136, 515.