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Diagnostik und Therapie bei Polycythaemia vera: Vorgehen amerikanischer Hämatologen/Onkologen

Bei der Polycythaemia vera (PV), einer klonalen Stammzell-Erkrankung, kommt es zu einer gesteigerten Proliferation aller 3 hämatopoetischen Zellreihen (Granulo-, Erythro- und Megakaryopoese), wobei die Hyperplasie der Erythropoese im Vordergrund steht und das klinische Bild bestimmt. Hauptziele der Therapie der PV sind neben der Kontrolle subjektiver Symptome (z.B. Hautjucken, plethorabedingte Beschwerden) die Reduktion von Thromboembolien und die Beeinflussung des natürlichen Krankheitsverlaufs (Verzögern oder Vermeiden von Myelofibrose bzw. Entwicklung einer akuten myeloischen Leukämie; 1). Leider beruhen die Therapieempfehlungen für die PV nur zum Teil auf größeren randomisierten Studien, insbesondere der ”Polycythemia Vera Study Group”(PVSG; vgl. AMB 1997, 31, 7), und für neuere Therapieansätze (z.B. Anagrelid, Interferon-alfa) liegen Ergebnisse prospektiver randomisierter Studien bisher nicht vor. Die ”American Society of Hematology” (ASH) hat kürzlich die interessanten Ergebnisse einer Umfrage unter ihren Mitgliedern zur Diagnostik sowie Behandlung der Erythro- bzw. Thrombozytose bei PV veröffentlicht (2). Ein einseitiger anonymer Fragebogen wurde an insgesamt 3000 zufällig ausgewählte ASH-Mitglieder verschickt und von 1006 (33,5%) niedergelassenen (etwa zwei Drittel) bzw. in akademischen Krankenhäusern tätigen Hämatologen und/oder Onkologen beantwortet. Als wichtigste diagnostische Tests wurden von mehr als 70% der Hämatologen/Onkologen die Bestimmung der Erythrozytenmasse, der Erythropoietinkonzentration im Serum und der arteriellen Blutgase genannt. Häufig (30-50%) wurden jedoch auch Untersuchungen angegeben, die bei individuellen Patienten informativ sein können, aber in der initialen diagnostischen Abklärung der PV nicht routinemäßig eingesetzt werden sollten (z.B. alkalische Leukozytenphosphatase, Vitamin-B12-Konzentration im Serum, Zytogenetik, CT des Abdomens). Mehr als zwei Drittel der antwortenden Hämatologen/Onkologen empfehlen die Aderlaßbehandlung als initiale Therapiestrategie bei PV, wobei allerdings fast 16% als anzustrebenden Hämatokrit-Zielwert 0,50 angaben. Dieser Wert liegt deutlich über dem heute empfohlenen Wert von < 0,45 (Männer) bzw. < 0,42 (Frauen), jenseits dessen das Risiko für thromboembolische Komplikationen deutlich ansteigt. Als bevorzugte Alternative zur Aderlaßbehandlung wurde die Gabe von Hydroxycarbamid (Litalir, Syrea) alleine oder zusammen mit Aderlässen genannt. Sehr unterschiedlich waren die Antworten hinsichtlich der Behandlung von Thrombozytosen bei PV. 82% der Hämatologen/Onkologen hielten eine Behandlung nur bei Thrombozytenwerten > 1000 x 109/l oder bei Vorliegen von Symptomen für notwendig. Hydroxycarbamid (63%) oder Anagrelid (35%; vgl. AMB 1998, 32, 29) wurden als Medikamente bevorzugt, und ≤ 10% der Ärzte würden bei Thrombozytose Azetylsalizylsäure (ASS) oder Interferon alfa einsetzen. Bei Patienten > 60 Jahre oder thrombotischen Komplikationen wird heute neben Aderlässen eine myelosuppressive Therapie mit Hydroxycarbamid (Zielwerte für Thrombozyten: < 400 x 109/l und für Leukozyten: > 3 x 109/l ) empfohlen. Patienten mit vasomotorischen Symptomen und/oder kardio- bzw. zerebrovaskulären Erkrankungen sollten zusätzlich niedrig-dosiert ASS erhalten.

Fazit: Eine Umfrage unter Hämatologen/Onkologen in den USA ergab deutliche Unterschiede im diagnostischen und therapeutischen Vorgeben bei der PV, wobei insbesondere die von 16% der Spezialisten angegebenen, zu hohen Hämatokrit-Zielwerte und das nicht einheitliche Vorgehen bei Thrombozytosen auffielen. Diese Ergebnisse, die in Deutschland sicherlich nicht günstiger aussähen, verdeutlichen die Notwendigkeit randomisierter klinischer Prüfungen zum Stellenwert diagnostischer und neuer (z.B. Anagrelid, Interferon-alfa) therapeutischer Strategien bei PV.

Literatur

  1. Lengfelder, E. und Hehlmann, R.: Dtsch. Med. Wschr. 2000, 125, 1243.
  2. Streiff, M.B., et al.: Blood 2002, 99, 1144.