In überernährten und „automobilen“ Gesellschaften nimmt die Inzidenz des Typ-2-Diabetes mellitus ständig zu. In den USA wird die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung auf 8% geschätzt. Die Diabetes Prevention Program Research Group initiierte deshalb vor einigen Jahren eine breit angelegte Studie in 27 Zentren, mit der ein möglicher präventiver Effekt von Metformin oder einem Lifestyle-Trainingsprogramm bei diabetesgefährdeten Personen auf die Inzidenz von Diabetes in den nächsten Jahren untersucht werden sollte (Knowler, W.C., et al.: N. Engl. J. Med. 2002, 346, 393).
3234 Personen über 25 Jahre mit einem Body-Mass-Index > 24 kg/m2 (durchschnittlich ca. 34 kg/m2), die hochnormale Nüchtern-Blutzuckerwerte (aber < 125 mg/dl) oder eine gestörte Glukosetoleranz im oralen Glukose-Toleranz-Test (oGTT) hatten (2-Stunden-Blutzucker nach 75 g Glukose zwischen 140 und 199 mg/dl) wurden randomisiert. Gruppe 1 erhielt initial 850 mg Metformin, später 2 mal 850 mg/d und eine kurze Lifestyle-Schulung. Gruppe 2 erhielt Plazebo-Tabletten und die gleiche kurze Schulung. Gruppe 3 erhielt eine diätetische und Lifestyle-Schulung in den ersten 24 Wochen der Studie mit dem Ziel, mindestens 150 Minuten pro Woche körperlich aktiv zu sein (überwiegend schnelles Gehen) und im Studienverlauf mindestens 7% des initialen Körpergewichts abzubauen. Alle 6 Monate wurden Nüchtern-Blutzucker und der 2-Stunden-Blutzucker im oGTT gemessen. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 2,8 Jahre.
Ergebnisse: Die initialen Nüchten-BZ-Werte waren in allen Gruppen ca. 106 mg/dl, die 2-Stunden-Werte im oGTT ca. 165 mg/dl. Am Ende der Studie betrug die Diabetes-Inzidenz (bestätigter Nüchtern-BZ > 126 mg/dl oder 2-Stunden-BZ im oGTT > 199 mg/dl) in Gruppe 1: 7,8, in Gruppe 2: 11 und in Gruppe 3: 4,8 Fälle pro 100 Personen-Jahre. Die kumulative Inzidenz von Diabetes Typ 2 betrug nach 4 Jahren ca. 28% in Gruppe 1, ca. 36% in Gruppe 2 und ca. 20% in Gruppe 3. Nur Personen, deren Nüchtern-BZ im Laufe der Studie 140 mg/dl überstieg, wurden aus der Studie herausgenommen und vom Hausarzt weiterbehandelt. Probanden der Gruppe 3 nahmen nach einem Jahr um 6-7 kg an Gewicht ab, die der Metformin-Gruppe um ca. 2,5 kg, die der Plazebo-Gruppe nahmen nicht ab. In den Gruppen 1 und 3 stieg das Gewicht später wieder etwas an. Patienten, die Metformin nahmen, hatten häufiger gastrointestinale, Patienten der Lifestyle-Gruppe häufiger muskuloskelettale Beschwerden als die der Plazebo-Gruppe. Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf. Es wurde errechnet, daß etwa 7 Personen mit ähnlichen Risikofaktoren wie in dieser Studie eine Lifestyle-Schulung wie in Gruppe 3 erhalten müßten, um in 3 Jahren einen Fall von Diabetes zu verhindern, während etwa 14 mit Metformin behandelt werden müßten, um das gleiche Ziel zu erreichen.
Die Studie bestätigt die Vermutung, daß nicht nur Überernährung und sitzende Lebensweise die Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2 bei genetischer Veranlagung fördert, sondern daß die Umkehr von Fehlverhalten in der Lebensweise das Diabetes-Risiko senken kann. Sicher ist ein Verhalten im Sinne der Lifestyle-Schulung einer medikamentösen Dauerprophylaxe vorzuziehen, jedoch kann man in besonderen Fällen auch auf Metformin zurückgreifen. Die Studie enthielt zu Beginn eine weitere Gruppe, die mit Troglitazon behandelt worden war. Diese Gruppe wurde geschlossen, als Troglitazon wegen seiner Hepatotoxizität vom Markt genommen werden mußte.
Fazit: Durch eine intensive „Lifestyle-Schulung“ mit dem Ziel der Gewichtsreduktion und vermehrter körperlicher Aktivität, weniger durch eine prophylaktische Dauermedikation mit Metformin, kann Diabetes mellitus Typ 2 bei vielen adipösen Diabetes-Gefährdeten verhindert bzw. die Inzidenz verringert werden.