Artikel herunterladen

Arzneimitttel-Positivlisten

In jedem Krankenhaus gibt es Arzneimittellisten. Sie werden meist von Kommissionen unter Vorsitz des Krankenhausapothekers verabschiedet. Die Ärzte auf den Stationen halten sich daran. In der Therapiefreiheit fühlen sie sich dadurch nicht ungebührlich eingeschränkt.

Seit Jahrzehnten gibt es Versuche, eine ähnliche Regelung auch für die ambulante Medizin zu erreichen. Die Widerstände waren und sind riesengroß. Sie erinnern sich vielleicht: Eine Positivliste wurde zerrissen und – in einem Plastikbeutel verpackt – 1995 von Staatssekretär Baldur Wagner dem Vorsitzenden des Bundesverbandes der Pharmaindustrie Hans-Rüdiger Vogel als Geburtstagsgeschenk überreicht. Das war das Ende eines aufwendigen Projekts (s.a. AMB 1995, 29, 31 und 72). Die Politik hat sich in einem peinlichen öffentlichen Schauspiel den Wünschen der Industrie gebeugt.

Nun ist es wieder soweit. Eine Kommission des Instituts für die Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversorgung hat nach einer Anhörung am 13.7.2001 eine wissenschaftlich begründete Liste am 26.4.2002 einstimmig beschlossen und dem Bundesministerium für Gesundheit zur Vorbereitung der Rechtsverordnung nach § 33 Abs. 1 SGB V vorgelegt.

Der Sturm der Entrüstung ging diesmal scheinbar von einem Kardiologen aus, einem Ordinarius. Er stieß sich daran, daß die Medikamente der „besonderen Therapierichtungen“ nach dem Willen des Ministeriums verordnungsfähig bleiben sollen. Jeder weiß aber, daß diese Medikamente seit eh und je einen besonders geschützten Status in der Arzneimittelgesetzgebung haben und in einem speziellen Anhang der Arzneimittelliste erwähnt sind. Die Wirksamkeit muß (leider) nicht mit allgemein anerkannten Methoden nachgewiesen werden. Ihre wirtschaftliche Bedeutung ist vergleichsweise gering. Wer verordnet denn schon Potenzholz oder Rindergalle? Nie hat es gegen diese Medikamente eine große Opposition gegeben, auch nicht bei den oben erwähnten Anhörungen. Andererseits hatten und haben sie Befürworter bis in höchste Regierungskreise.

Natürlich sollten nur erwiesenermaßen wirksame Medikamente verordnungsfähig sein. Jetzt wird aber durch eine Unterschriftensammlung gegen die Medikamente der besonderen Therapierichtungen, die im Appendix der Positivliste erwähnt sind, eine zweite Front gegen die gesamte, wissenschaftlich begründete Positivliste eröffnet. Das halten wir aus taktischen Gründen für nicht hilfreich. Es ist sehr zu befürchten, daß es durch die geforderte Appendektomie zum Exitus letalis der gesamten Positivliste kommt und dies von einigen Akteuren auch eingeplant ist. Dann gibt es wieder keine Positivliste. Wem nutzt das?